Bürgernahe Stadtentwicklungsplanung München


VORWORT ZUR DIGITALEN NEUAUFLAGE 2023

Der Text wurde gegenüber der 1978 im VAS-Verlag erschienen Fassung nicht verändert. Pläne und Grafiken wurden jedoch durchgehend graphisch überarbeitet, einige hinzugefügt.

Alle Links zu den vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung veröffentlichten Dokumenten der Stadtentwicklungsplanung und weiterer Quellen wurden neu hinzugefügt – sie sind durch eckige Klammern [ … ] gekennzeichnet.

Die Arbeit war der Beginn der Beschäftigung des Verfassers mit der Geschichte der Münchner Stadtentwicklung und Stadtentwicklungsplanung, die mit der Ausstellung München wie geplantdie Entwicklung der Stadt von 1158 – 2008 im Münchner Stadtmuseum (2004 – 2008) und der Folgeausstellung stadt I bau I plan 850 Jahre Stadtentwicklung München im Referat für Stadtplanung und Bauordnung (seit 2008) ihre vorläufige Fortsetzung fand. Weitere neuere Arbeiten sind auf der Website des Verfassers dokumentiert.

Geschrieben im Winter 1975/76 ist die Arbeit nun fast 50 Jahre alt und aus heutiger Sicht wären die behandelten Phasen der Münchner Stadtentwicklungsplanung sicher differenzierter und mit stärkerem Bezug zum jeweiligen Zeitgeist und allgemeinen Stand der Planungsdiskussion zu bewerten. Gleichwohl ergibt die Arbeit, insbesondere die sehr detaillierte Dokumentation des „Münchner Modells“ der Stadtentwicklungsplanung (so die Bezeichnung des Verfassers) unter dem Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel und seinem Referenten Hubert Abreß von 1968 – 1972, auch heute noch eine interessante Lektüre, da an anderer Stelle bislang kaum behandelt.


VORWORT [1978]

Die vorliegende Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung einer Diplomarbeit, die unter der Betreuung von Herrn Prof. Dr. Klaus Künkel [1976] am Institut für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin geschrieben wurde.

Die Arbeit versucht das vorläufige Zwischenergebnis einer bis heute noch nicht abgeschlossenen Diskussion zu dokumentieren, die über die Einschätzung der Münchner Stadtentwicklungsplanung unter den dortigen Planern geführt wurde. Den Anlaß für diese Diskussion gab der Wechsel in der Leitung des Münchner Stadtentwicklungsreferates und die mit ihm einhergehende Umorientierung der Stadtentwicklungspolitik.

Ein einjähriges Praktikum im Stadtentwicklungsreferat (Anfang 1973 bis Anfang 1974) gab dem Verfasser die Gelegenheit, über einen längeren Zeitraum direkt an dieser Diskussion zu partizipieren.

Für die Erörterung der Arbeitshypothesen und die Diskussion der Ergebnisse der Arbeit sei hier vor allem Lutz Hoffmann und Klaus Neubeck gedankt.

Im Rahmen eines Studienprojektes am Institut für Stadt- und Regionalplanung der TUB über die Stadtentwicklungsplanung in München [1] wurden empirische Untersuchungen zur Entwicklung Münchens nach dem 2. Weltkrieg vorgenommen, die als Grundlage für die Einschätzung der Herausbildung der Münchner Stadtentwicklungsplanung wichtig waren.

Bei der eingehenden Beschäftigung des Projektes mit den Entwürfen zu dem neuen Stadtentwicklungsplan von München konnten Anspruch und Möglichkeiten einer integrierten Gesamtplanung auf breiter Ebene problematisiert werden.

Daneben knüpft die Arbeit an einem Forschungsprojekt Uber die Stadtentwicklungsplanung in bundesdeutschen Großstädten an [2] , in dessen Zusammenhang eine Befragungsaktion bei den 12 größten Städten der Bundesrepublik stattfand, die dem Verfasser einen Überblick über die jeweiligen Ansätze und Erfolge bzw. Mißerfolge der kommunalen Entwicklungsplanung verschaffte.

In der vorliegenden Untersuchung über München wird allerdings nicht im Einzelnen auf andere Städte Bezug genommen, da ein systematischer Vergleich der verschiedenen Planungskonzeptionen und ihre Realisierungsmöglichkeiten bereits im Bericht des Forschungsprojekts enthalten ist. Die Übersicht über die Stadtentwicklungsplanung der anderen Städte machte jedoch die Besonderheit der ursprünglichen, sehr stark sozialpolitisch orientierten Münchner Planungskonzeption und damit das Interesse an einer Untersuchung ihrer Entstehung und Zerstörung deutlich.

Gerhard Gross 1978


INHALT

Einleitung

A   Der Stadtentwicklungsplan von 1963

    1. Zum Planungsgegenstand
      1. Verkehrsausbau
      2. Wohnungsbau
      3. Flächenbedarf der Wirtschaft
    2. Zum Problemverständnis des Stadtentwicklungsplans von 1963
    3. Zu den Auswirkungen des Stadtentwicklungsplans von 1963
      1. Stadtumbau
      2. Verkehrskonzeption
      3. Großsiedlungen am Stadtrand
      4. Allgemeine Auswirkungen
    4. Zusammenfassung

B   Das Münchener Modell der Stadtentwicklungsplanung

I.  Einleitung

    1. Der Fall Prinz-Carl-Palais
    2. Die kommunale Infrastrukturpolitik

II.  Die Konzeption von Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung

    1. Die Stadt als sozioökonomisches System
      1. städtisches Globalmodell und Entwicklungstheorie der Stadt
      2. Die Integration der Planung und die Ressortgliederung der Verwaltung
      3. Stadtentwicklungsplanungals indirekte Planung
      4. Quantitative und qualitative Ausdehnung des Planungsanspruchs
    2. Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung als Gesellschaftspolitik
      1. Der sozialwissenschaftliche Forschungsansatz
      2. Stadtentwicklungsplanung und Gesellschaftsreform
    3. Stadtentwicklungsplanung als Mittel zur politischen Bewußtseinsbildung
      1. Betroffenenbeteiligung
      2. Die Klientelbeziehung der Stadtentwicklungsplanung
    4. Zur Organisation der Stadtentwicklungsplanung und Demokratisierung der Planungsverwaltung
      1. Der Planungsstab
      2. Das Stadtentwicklungsreferat
      3. Demokratisierung der Planungsverwaltung

III.  Die praktische Stadtentwicklungsplanung der ersten Phase

    1. Die Investitionsplanung
    2. Zur Wachstumsdiskussion
    3. „Offene Planung Lehel“
      1. Bürgerbeteiligung, von der Stadt initiiert
      2. Die Strategie des „politischen Transfers“
      3. Die Verselbständigung der Bürgerbeteiligung
      4. Das Stadtentwicklungsreferat unter dem Druck der SPD-Rathausfraktion
      5. Konflikt zwischen Stadtentwicklungs- und Baureferat
    4. Der Rosa-Zonen-Plan
      1. Zur baurechtlichen Situation
      2. Zum Planungsinstrumentarium

IV.      Zusammenfassung

C   Technokratische Gegenkonzeption und planmässige Entpolitisierun der Stadtentwicklungsplanung

I.  Erdnahe Stadtplanung

    1. Die Trennung von Politik und Planung
    2. Die Trennung von Theorie und Praxis

II.    Von der „offenen Planung“ zur „PR-Arbeit“

    1. Offenes Planungsverfahren Oskar-von-Miller-Ring
    2. Stadtentwicklungsplan und Öffentlichkeit
    3. Hierarchisierung der Planungsverwaltung
    4. Der „Vergabeskandal“

III.     Von den Problemstudien zum Stadtentwicklungsplan 1975 am Beispiel des Kapitels „Wohnen“

    1. Zur Einschätzung der Situation auf dem Wohnungsmarkt
      1. Die Planungsmöglichkeiten der Kommune
      2. Die gesellschaftspolitische Dimension des Wohnungsbaus
      3. Sozialpolitische Bedeutung des Wohnens
      4. Das Ausmaß des Wohnungsproblems
      5. Ursachen des Wohnungsmangels
    2. Ziele und Maßnahmen der Wohnungspolitik
      1. Doppeltes Ziel der Stadtforschung
      2. Interessensmäßige Orientierung
      3. Allgemeine Orientierung
      4. Forderungen an den Gesetzgeber
        Zum sozialen Wohnungsbau
        Zur Kontrolle der Mietpreisentwicklung
    3. Zusammenfassung
      1. Klientelbeziehung
      2. Stadtentwicklungsplanung zwischen Systemveränderung und Privatiniative
      3. Reduktion der Problemanalyse und die Verharmlosung der Problemlage

IV.      Zusammenfassung

D   Zur Erklärung der Entwicklung der Münchener Stadtentwicklungsplanung

I.  Die Rolle einzelner Personen bei der Entwicklung der Münchener Stadtentwicklungsplanung

    1. Oberbürgermeister Vogel
    2. Stadtentwicklungsreferent Abreß
    3. Das wissenschaftliche Personal
    4. Stadtentwicklungsreferent Marx

II.     Die Gesetzmäßigkeiten des Stadtentwicklungsplanungsprozesses als Determinanten der Entwicklung
der Münchener Stadtentwicklungsplanung

III. Die Stadtentwicklungsplanung als Teil der Politik der „inneren Reformen“

    1. Die Parallelität von Stadtentwicklungsplanung und Reformprogramm der Bundesregierung
    2. Zum „Scheitern“ der Reformpolitik
    3. Der sozialpolitische Anspruch der Reformpolitik und das legitimationsproblem staatlichen Handelns

IV. Die immanente Widersprüchlichkeit von Stadtentwicklungsplanung

    1. Zum Widerspruch zwischen Markt und Plan
    2. Vergesellschaftungsprozess und die Notwendigkeit staatlicher Planung
    3. Auswirkungen des Vergesellschaftungsprozesses für München
    4. Die „Arbeitsteilung“ bei der Münchener Stadtentwicklungsplanung
      1. Der Stadtentwicklungsplan von 1963 und der Widerspruch von Markt und Plan
      2. Der relative Spielraum der Stadtentwicklungsplanung Ende der sechziger Jahre
      3. Der Widerspruch zwischen Markt und Plan und die immanenten Widersprüche des „Münchener Modells“ von Stadtentwicklungsplanung
      4. Die „Lösung“ der immanenten Widersprüchlichkeit der Stadtentwicklungsplanung durch das Gegenmodell“

Schlußfolgerungen

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Karten, Tabellen, Abbildungen

 


EINLEITUNG

Seit Mitte der sechziger Jahre bildeten sich in vielen, meist größeren Städten der Bundesrepublik neue Organisationsformen kommunaler Planung, die sich mit dem Begriff „Stadtentwicklungsplanung“ zusammenfassen lassen.

Ihre besondere Qualität gegenüber den bisherigen Formen kommunaler Planung besteht dabei zunächst in ihrem Anspruch, durch die Koordination und zielgerichtete Integration tendenziell des gesamten Verwaltungshandelns die Entwicklung des lokalen Gemeinwesens als Ganzes zu steuern.

Die Erschließung und Nutzbarmachung des „riesigen“ Potentials bislang völlig „amorpher“ Verwaltungstätigkeiten durch eine Planungsrationalität, die im Zuge der generellen Ausweitung staatlicher Regulierungsmaßnahmen und mit wachsenden Krisenerscheinungen in den Städten an politischer Relevanz gewann, versprach dabei zunächst, den Handlungsspielraum der Kommunen wesentlich zu erweitern.

Getragen von dieser Hoffnung, verbreitete sich die Idee von der Stadtentwicklungsplanung wie ein Lauffeuer über die Städte der Bundesrepublik und es gab bald keine Stadt mehr, die etwas auf sich hielt und keine Stadtentwicklungsplanung betrieben hätte.

Doch obwohl die Geschichte der Stadtentwicklungsplanung kaum zehn Jahre alt ist, kann man mit ihr heute keinen Kommunalpolitiker oder Planer mehr begeistern: Nach einem rapiden Aufstieg erlebte die Stadtentwicklungsplanung einen mindestens ebenso rapiden Niedergang, der dazu führte, daß sie, soweit sie als Gesamtplanung nicht gänzlich liquidiert, so doch völlig in den Hintergrund gedrängt wurde.

Aufstieg und Niedergang der Stadtentwicklungsplanung vollzogen sich in München in besonders ausgeprägten Formen.

München gehörte zu den ersten Städten, die eine integrierte kommunale Gesamtplanung institutionalisierte. Ein umfangreiches Forschungsprogramm dokumentierte die Hoffnungen in eine umfassende Verwissenschaftlichung kommunaler Politik. Erste Formen der „offenen Planung“ und Bürgerbeteiligung wurden erprobt.

Aus diesen Gründen war die Münchner Stadtentwicklungsplanung Orientierungspunkt für viele andere Städte, nicht unbedingt in dem Sinne, daß sie die Münchner Konzeption kopiert hätten, sondern in dem Sinne, daß man von den Erfahrungen lernen und sie beim Aufbau einer eigenen Stadtentwicklungsplanung von vornherein berücksichtigen konnte.

Während sich der „Niedergang“ der Stadtentwicklungsplanung in den anderen Städten mehr oder weniger schleichend vollzog, erfolgte er in München ziemlich abrupt als Ergebnis einer gezielten Neuorientierung der Stadtentwicklungspolitik, die im Gefolge der Stadtratswahlen 1972 und des Wechsels der Leitung des Stadtentwicklungsreferates Anfang 1973 stattfand. Der objektiv wachsende Bedeutungsverlust der Stadtentwicklungsplanung angesichts zunehmender Restriktionen für die Kommunalpolitik und der damit verbundenen Desillusionierung der Planer setzte sich also in München nicht in einem langwierigen Prozeß der Anpassung des Selbstverständnisses der Planer an die Realität durch. Die Planer waren vielmehr der Zwangslage ausgesetzt, aus dem veränderten Planungsverständnis der Referatsleitung bewußte Konsequenzen in Richtung resignativer Anpassung oder Flucht zu ziehen.

Im Gegensatz zur Begründung der integrierten Stadtentwicklungsplanung in der ersten Phase [3] ist über Inhalte und Formen der „Neuorientierung“ seit 1973 nur wenig bekannt geworden. Auch der neue Stadtentwicklungsplan, der 1975 vom Stadtrat verabschiedet wurde, gibt, isoliert betrachtet, kaum Aufschlüsse darüber, aus welchen Gründen sich die Stadtentwicklungsplanung geändert hat und in welcher Richtung sie sich weiterentwickeln kann.

Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, die traditionelle Funktion der Münchner Stadtentwicklungsplanung als Lernobjekt zu reaktivieren und anhand einer genaueren Untersuchung ihrer Entwicklung in den letzten acht Jahren Anhaltspunkte für eine Beurteilung von Aufstieg und Niedergang nicht nur der Münchner Stadtentwicklungsplanung zu gewinnen.

Bei der Analyse der Entwicklung der Münchner Stadtentwicklungsplanung fällt auf, daß das, was bei oberflächlicher Betrachtung als Aufstieg und Niedergang erscheint, im Grunde eine entwicklungsbedingte Akzentverlagerung der einzelnen Komponenten des Planungsbegriffs im kapitalistischen Gesellschaftssystem darstellt. Bei näherem Zusehen der ganzen wechselhaften Entwicklung der Stadtentwicklungsplanung wird eine Kontinuität sichtbar. Planung als die Koordination einzelner Aktivitäten unterschiedlicher sozialer Gruppen, das machen die Erfahrungen in München deutlich, ist keine von den jeweiligen politischen und ökonomischen Bedingungen unabhängige, abgehobenen Sphäre. Sie wird vielmehr bis ins Detail von der jeweiligen Verteilung der Einflußchancen der sozialen Gruppen bestimmt. Der direkte Zusammenhang wird allerdings durch die verzögerte Anpassung des Planungsverständnisses im Bewußtsein der Planer an die geänderten Planungsbedingungen verschleiert.

Die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre gibt Anlaß zu der Hypothese, daß ein Zusammenhang zwischen dem Planungsverständnis und der jeweiligen Phase im Konjunkturzyklus bestand. Als in der Hochkonjunkturphase vor 1970 mit hohen Wachstumsraten die Arbeitnehmer ihre Forderungen nach mehr Lebensqualität relativ erfolgreich zur Geltung bringen konnten, trat im Planungsverständnis die Reformkomponente hervor: Das Planungsverständnis orientierte sich primär an den Interessen der Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeitnehmer einschließlich ihrer Mitwirkungschancen an der Planung durch soziale Reformen. Es hat deshalb vielfach die Bezeichnung emanzipatorisch erhalten.

Als nach 1971 die wirtschaftliche Situation in die Rezession mit mangelnder Investitionstätigkeit, Arbeitslosigkeit und Finanzknappheit der öffentlichen Hand überging, konzentrierte die Planung wieder verstärkt auf die Erhaltung der bestehenden gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse durch Bereitstellung der technischen Infrastruktur für ein störungsfreies Wirtschaftswachstum. In dem an den Interessen der Unternehmer orientierten Planungsverständnis traten konservative Züge durch die Betonung des Machbaren und den Verzicht auf Utopien bzw. Gesellschaftsreformen wieder in den Vordergrund. Dagegen wurden die sozialen Bedürfnisse vernachlässigt und durch technokratische Argumentationen unterdrückt. Es ist zweifelhaft, ob die in den letzten zehn Jahren zu beobachtende Parallelität von Planungsverständnis und Konjunkturzyklus auch für die zukünftige Entwicklung angenommen werden kann. Die entscheidende Komponente wird dabei die politische Aktivität der Arbeitnehmer sein, deren Stärke eigenen Gesetzen folgt und nicht direkter Ausdruck des Konjunkturzyklus ist.

Die kritisch-reformerische und die traditionell-technokratische Funktion der Planung sind zwei sich wechselseitig bedingenden Komponenten des Planungsbegriffs und treten in jeder historischen Situation zusammen auf. Der mit dem Wechsel ihres jeweiligen Gewichts verbundene Wandel des Planungsverständnisses läßt sich immer auf eine geänderte Interessenorientierung zurückführen. Da aber die Interessen der Arbeitnehmer und der Unternehmer im Widerspruch zu einander stehen, muß die Planung, die einen Ausgleich dieser Interessen erreichen muß, beide Interessen berücksichtigen, ohne daß die Befriedigung der Arbeitnehmerinteressen auf Kosten der grundlegenden Bedingungen des kapitalistischen Wirtschaftssystems gehen darf. Die Stadtentwicklungsplanung hat ihre Kontinuität in dieser widersprüchlichen Aufgabe.

Die Entwicklung der Stadtentwicklungsplanung vollzieht sich nicht gradlinig in Richtung größerer Rationalität bei der Planung der städtischen Entwicklung, sondern ist jederzeit von Rückschlägen bedroht, die sogar hinter die in früheren Phasen erreichte Entwicklungsstufe zurückgehen kann. Verbesserung des Planungsinstrumentariums ist nicht identisch mit Demokratisierung der Planung und stärkerer Orientierung der Planung an den Lebensinteressen der Bürger.

Es muß befürchtet werden, daß bessere Planungsinstrumente auch zur Verhinderung der Artikulation von Bürgerinteressen eingesetzt werden. Die Entfaltung der Planungsrationalität in der Stadtentwicklung findet ihre Grenze in der in Einzelsektoren geplanten, aber im Ganzen ungeplanten ökonomischen Entwicklung in einem an Profitmaximierung ausgerichteten Wirtschaftssystem.

Wenn die Münchner Entwicklung der Stadtentwicklungspolitik als eine Gewichtsverlagerung von der reformerischen Phase zu einer eher konservativen Phase verstanden werden muß, kann aus ihr nicht länger der Schluß gezogen werden, daß die kritische, progressive Stadtentwicklungspolitik gescheitert ist. Die Aufgabe, die Lebensbedingungen der Menschen in den Städten zu verbessern, bleibt bestehen und stellt sich umso schärfer, je länger sie unzureichend gelost bleibt. Eine Planung mit überwiegend konservativer Orientierung ist zur Lösung dieser Aufgaben nicht in der Lage, weil sie sich gegen eine Beteiligung der Bürger an der Planung sperrt und eine Umverteilung der Investitionsmittel zugunsten der Arbeitnehmer verhindert. Nachdem die Planung seit Ende der sechziger Jahre die Reproduktionsinteressen der Arbeitnehmer als einen Teil ihrer Aufgaben aufnehmen mußte, kann sie zwar versuchen, sie zu unterdrücken, aber nicht mehr völlig von sich abstreifen. Die weitere Entwicklung der Stadtentwicklungsplanung wird davon geprägt sein, wie sie die eventuell wieder verstärkt artikulierten Reproduktionsinteressen der Arbeitnehmer im Planungsverständnis verarbeitet.

Die Geschichte der Münchner Stadtentwicklungsplanung ist nach diesem Ansatz dadurch charakterisiert, daß die wechselnden Anforderungen an die Planung in den zurückliegenden Hochkonjunktur- und Rezessionsperioden sehr ausgeprägt im Planungsverständnis artikuliert wurden. Es gilt die Umstände aufzuzeigen, die dazu geführt haben. Es muß dargestellt werden, welche Rolle dabei einzelne Personen gespielt haben, ob die Kommune in München durch die Aktivität der Bürgerinitiativen frühzeitiger und stärker unter Legitimationszwang geriet und inwieweit der Niedergang der Entwicklungsplanung auch Ausdruck des Scheiterns der Reformpolitik der sozialliberalen Koalition ist.

Der Anspruch einer abschließenden Beurteilung der Münchner Erfahrungen kann im Rahmen einer Diplomarbeit allerdings nicht erfüllt werden. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich deshalb darauf, Aufstieg und Niedergang der Münchner Stadtentwicklungsplanung anhand der jeweiligen Planungskonzeptionen und ihrer Konfrontation mit ausgewählten Beispielen der praktischen Stadtentwicklungspolitik zu charakterisieren. Dabei steht die Dokumentation von z.T. sonst kaum zugänglichem Material im Vordergrund.

Die allgemeinen Rahmenbedingungen der kommunalen Planung, wie die Indienstnahme der Kommunen durch Konjunktur- und Wachstumspolitik, die Zentralisierung von Kompetenzen und Ressourcen und die Krise der kommunalen Haushalte sollen hier nicht noch einmal mit Ausführlichkeit behandelt werden,da es in der Literatur dazu bereits ausreichende Untersuchungen gibt. [4]

Nach einem „Rückblick“ auf die Stadtplanung vor Etablierung der „Stadtentwicklungsplanung im eigentlichen Sinne“, der zum Verständnis von Form und Inhalt der ersten Phase der Münchner Stadtentwicklungsplanung nötig ist (Teil A) werden die Charakteristika der beiden Phasen anhand der jeweiligen Planungskonzeptionen und einzelner, beispielhafter Planungsaktionen dargestellt (Teil B und C) In einem abschließenden theoretischen Teil werden vier Erklärungsansätze für die Münchner Entwicklung der Stadtentwicklungsplanung vorgestellt (Teil D).

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A.   DER STADTENTWICKLUNGSPLAN VON 1963

Stadtentwicklungsplanung beginnt in München nicht erst Ende der sechziger Jahre, wie in den meisten anderen Großstädten der BRD, sondern bereits zu Beginn der sechziger Jahre.

Bei den Stadtratswahlen 1960 setzt die Münchner SPD unter ihrem OB – Kandidaten Vogel das Thema Stadtplanung an die erste Stelle ihres Wahlprogramms. Noch vor der Wahl beschließt der Stadtrat: „Es ist ein Stadtentwicklungsplan auszuarbeiten, der die in den nächsten 30 Jahren anzustrebende städtebauliche und verkehrsmäßige Ordnung der Stadt darstellt. [5] Drei Jahre später, im Sommer 1963 wurde dann der erste Münchner Stadtentwicklungsplan verabschiedet und war Grundlage der Kommunalpolitik der sechziger Jahre. [Stadtentwicklungsplan 1963 – Text, Stadtentwicklungsplan 1963 – Pläne I, Stadtentwicklungsplan 1963 – Pläne II in Dokumente der Stadtentwicklungsplanung]

Dieser Stadtentwicklungsplan unterscheidet sich in vielen wesentlichen Merkmalen von der „Stadtentwicklungsplanung im eigentlichen Sinne“, wie sie sich, nicht nur in München, gegen Ende der sechziger Jahre herausbildete. Er nimmt eine Zwischenposition ein zwischen der traditionellen, rein flächenbezogenen, von den übrigen Fachplanungen isolierten Stadtplanung und der integrierten Gesamtplanung, die hier als die „Stadtentwicklungsplanung im eigentlichen Sinne“ bezeichnet wird.

Die politische Bedeutung des Stadtentwicklungsplans 63, sein vergleichsweise hoher Anspruch und vor allem seine Auswirkung auf die Stadtentwicklung der sechziger Jahre, spielen für die spezifische Form der Stadtentwicklungsplanung, wie sie sich ab 1968 herausbildete, eine nicht unwesentliche Rolle.

Aus diesem Grunde soll auf den 63 – Plan hier unter drei Aspekten kurz eingegangen werden:

    1. Mit welchen Problemen setzte sich der Plan vorrangig auseinander?
    2. Welches Planungsverständnis lag ihm zugrunde?
    3. Welche wesentlichen Auswirkungen hatte dieser Plan auf die Münchner Stadtentwicklung?

1. Zum Planungsgegenstand

Das rapide Wachstum der Stadt München in den fünfziger und am Anfang der sechziger Jahre [6] stellte die Stadtplanung vor große Probleme.

Die Bevölkerung nahm von 1950 bis 1961 um über eine Viertelmillion zu.

Die Arbeitsplätze erhöhten sich im gleichen Zeitraum um über die Hälfte. Die Zahl der Kraftfahrzeuge hat sich fast verfünffacht. [7]

a. Verkehrsausbau

Das Verkehrsproblem stand im Vordergrund des 63 – Planes. [8] „In Zeiten des Spitzenverkehrs ist die Grenze der Aufnahmefähigkeit des Straßennetzes der Innenstadt wohl heute schon erreicht. [9]

Aber auch die öffentlichen Verkehrsmittel, insbesondere die Straßenbahn (der ÖNV hatte 1962 noch einen Anteil am Gesamtverkehr von 41%) sind an die Grenzen ihrer Beförderungsleistung gestoßen. „Der Einsatz zusätzlicher Wagenzüge kann kaum mehr eine Erleichterung bringen, weil die Zwangspunkte der Innenstadt, insbesondere der Karlsplatz, keine Leistungsreserven mehr besitzen. Die Belastungsgrenze des gesamten Straßenbahnnetzes ist durch den Hauptknoten Stachus (Karlsplatz) mit 314 Wagenzügen je Stunde bedingt, da sich heute dort fast alle Linien konzentrieren.“ [10]

Insbesondere die Verkehrssituation signalisiert zu dieser Zeit einen Wendepunkt in der Stadtentwicklung der Nachkriegsgeschichte. Rautenstrauch spricht in diesem Zusammenhang davon, daß neben den „Stadterweiterungsmaßnahmen zunehmend die sehr viel teureren und komplizierteren Stadtumbaumaßnahmen“ [11] notwendig werden.

Die Verkehrsprobleme in München konnten mit „Flickschustermethoden“, wie sie die Planung bisher anwandte, nicht mehr bewältigt werden. Die rein quantitative Erhöhung der Beförderungsleistung der bestehenden Verkehrsnetze (von Straße und Schiene) in Form von Straßenverbreiterungen und zusätzlichen Trambahnwagen und Streckenverlängerungen war an die Grenze gestoßen, wie sie sich aus der inneren Struktur der Verkehrsnetze selbst ergab. Zum Charakter dieser Struktur schreibt Rautenstrauch: „Seit etwa 1957/58 war der Wiederaufbau der kriegszerstörten Gebiete in den Städten und Gemeinden der Bundesrepublik im großen und ganzen abgeschlossen. Dieser Wiederaufbau hatte sich im wesentlichen an dem in seiner Substanz erhaltenen Netz der technischen Erschließung und auch an dem ursprünglichen Nutzungsmuster orientiert. Begleitet war dieser Wiederaufbau durch ein stürmisches Wachstum der Wirtschaft, dies nicht zuletzt, weil die vergleichsweise geringen Investitionen zur Wiederinstandsetzung der Anlagen hohe Wachstumsraten ermöglichten.“ [12] Diese allgemeine Beschreibung trifft für die Münchner Situation in ganz besonderer Weise zu.

Da der Plan davon ausging, daß sich die stürmische Entwicklung Münchens in den folgenden Jahren fortsetzen würde, stand die Stadtplanung vor dem Problem, die Struktur der Verkehrsnetze von Grund auf zu verändern.

b. Wohnungsbau

Einen zweiten Problemschwerpunkt bildete die Wohnraumversorgung der Zuwanderer in einer Größenordnung von 20 bis 30 Tausend pro Jahr und der Menschen, die noch immer in Behelfswohnungen leben mußten.

Bis etwa 1960 wurden neue Wohnungen durch das „Auffüllen“ der Baulücken und -ruinen im Innenstadtbereich, durch Erweiterungen in erschlossenen Außengebieten und in wenigen Fällen durch die Erschließung neuer Gebiete geschaffen. Darüberhinaus ging der Zustrom auf Kosten der am meisten unten privilegierten Schichten der Bevölkerung, die in unzureichenden Behausungen wohnen mußten, 1960 fehlten in der Stadt etwa 50 000 Wohnungen. 12 000 Wohnparteien wohnten in „ausgesprochenen Not- und Elendswohnungen, so in Lagern, Baracken, Kellern, Speichern und dergleichen“. [13]

Die erforderlichen Großsiedlungen konnten, insbesondere in Kenntnis der Verkehrsmisere, nicht mehr wie bisher mehr oder weniger „willkürlich“ im Stadtgebiet verteilt werden, sondern verlangten nach einem Siedlungskonzept, das als Grundlage für die Flächennutzungsplanung dienen konnte.

In seiner Rede zum Haushalt 1961 schreibt dazu OB Vogel:
„Um die Neubauzahlen zu steigern, zum Teil aber schon um die bisherigen Zahlen zu halten, brauchen wir dreierlei: Neue Siedlungsflächen, billiges Geld und eine größere Baukapazität. Innerhalb der Grenzen unserer Stadt wird das Bauland immer teurer und knapper. Theoretisch würde es noch für über 100 000 Wohnungen reichen. Praktisch ist aber die Grenze viel enger gezogen, weil die Grundstückspreise unablässig steigen und die Stadt sich mit der Bereitstellung ihres Besitzes in Fürstenried und am Hasenbergl von ihren letzten größeren zusammenhängenden Flächen entblößt hat. Wir müssen deshalb schon aus diesen Gesichtspunkten den Sprung über die Burgfriedensgrenze wagen und gemeinsam mit unseren Nachbargemeinden neue Siedlungsflächen im Außenraum erschließen.“ [14]

c. Flächenbedarf der Wirtschaft

Einen dritten Problemschwerpunkt bildet der Flächenbedarf der Wirtschaft, der in seiner Dimension durch das Arbeitskräftewachstum bereits angedeutet wurde. Auch hier wurde davon ausgegangen, daß „die Zahl der Arbeitsplätze in München … bis 1975 weiterhin annähernd linear und dann stärker anteigen“ wird. [15]

Der Flächenbedarf geht hierbei vor allem von den „industriellen Großbetrieben, den größeren privaten Dienstleistungs- und Verwaltungsbetrieben, namentlich auch großer Industrieverwaltungen, sowie den größeren Betrieben des Einzel- und Großhandels“ aus, deren Zuwachsrate „ein Vielfaches des allgemeinen Bevölkerungs- und Arbeitsplatzanstiegs“ betragen. [16] Die industriellen Großbetriebe aber auch Teile des Großhandels und großen Einzelhandels sind wegen ihres hohen Flächenbedarfs pro Betriebseinheit auf Stadtteile mit niedrigen Bodenpreisen und Bodenreserven orientiert und treten damit direkt in Konkurrenz mit den Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus um die wenigen noch verfügbaren Stadtbereiche. Auch unter diesem Aspekt schien ein langfristiges Konzept der Flächennutzung dringend notwendig.

Die Betriebe des sog. tertiären Sektors dagegen suchen in den Innenstadt- und Innenstadtrandgebieten nach Ansiedlungsoder Ausdehnungsmöglichkeiten. „Der Wachstumsdruck der Wirtschaft richtet sich zunehmend auf bereits bebaute, aber unter privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht optimal genutzte Gebiete.“ [17] Diesem Wachstumsdruck sollte durch Maßnahmen des Stadtumbaus, die neben der Veränderung der Nutzungsmöglichkeit auch eine neue Verkehrskonzeption einschließen, entsprochen werden.

Diese kurze Skizze der Problemsituation in München Anfang der sechziger Jahre zeigt, daß der Stadtentwicklungsplan von 1963 die Reaktion auf eine Akkumulation tiefgreifender Strukturveränderungen der Stadtentwicklung darstellt.

2.   Zum Problemverständnis des Stadtentwicklungsplans 63

„Als wichtigste Bestimmungsgröße der Stadtentwicklung wurden drei Faktoren angesehen, die … durch Planungsmaßnahmen nicht global, sondern nur in ihrer räumlichen Auswirkung“ [18] als steuerbar angesehen wurden:

    • das Bevölkerungswachstum in der Stadt und in der Region
    • die wachsende Zahl und die sich verändernde Struktur der Arbeitsplätze
    • die durch die zunehmende Motorisierung bestimmte Entwicklung des Verkehrs.

„Der Stadtentwicklungsplan sollte diesen – in ihrer Tendenz zutreffend – vorausgesagten Prozessen Raum schaffen, d.h. einen Rahmen bilden, innerhalb dessen die genannten Veränderungsprozesse geordnet ablaufen konnten.“ [19]

Gerade diese Zielvorstellung unterscheidet den 63 – Plan wesentlich von der Stadtentwicklungsplanung gegen Ende der der sechziger Jahre. Die Stadt „geht bei der Beurteilung dieser Kräfte davon aus, daß von der öffentlichen Hand nur die Steuerungsfunktionen ausgeübt werden, welche Verfassung und allgemeine Rechtsordnung zulassen. Erfahrungsgemäß können diese Maßnahmen, welche namentlich die Grundrechte der Freizügigkeit und der freien Entfaltung der Person zu beachten haben, nicht hoch zu Buche schlagen und das geradezu stürmische Wachstum der Stadt, das bisherige Planungsziele einfach überholt hat, nicht eindämmen.“ [20]

Nun führte aber die Inanspruchnähme dieser Grundrechte durch die politisch und ökonomisch bestimmenden Kräfte der Gesellschaft nicht nur zum faktischen Ausschluß unterprivilegierter Schichten von diesen Rechten (z.B. der Obdachlosen) sondern gerade zu eben den Problemen, mit denen sich die Stadtplanung zu beschäftigen hatte. [21] OB Vogel betonte deshalb, daß Planungsprobleme „mit einem laisser faire aller nicht mehr zu bewältigen sind“. [22]

Die Selbstbeschränkung der Stadtentwicklungsplanung rührt m. E. weniger aus bestimmten Interpretation des Grundgesetzes, das in Artikel 14 mit der Möglichkeit der Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit sehr weitgehende Einschränkungen der „freien Entfaltung der Persönlichkeit“ erlaubt, als von dem Stand der Diskussion über die Planung der Wirtschaft und Gesellschaft im allgemeinen. In Abgrenzung zur faschistischen Zwangswirtschaft und der sozialistischen Planwirtschaft sollte der Staat nach der damals regierungsoffiziellen neo-liberalen Wirtschaftsideologie lediglich für das Funktionieren des Marktmechanismus punktuell fördernd eingreifen und die nötigen Rahmenbedingungen in Form öffentlicher Einrichtungen schaffen. Aus diesem Grunde wurde auch das auf diese Zwecke abgestimmte Planungsinstrumentarium der Kommune nicht infrage gestellt oder dessen Ausbau angestrebt. Aus diesem Grunde war der Stadtentwicklungsplan gezwungen, seine Ziele zur Steuerung der Stadtentwicklung auf die räumlichen Auswirkungen der Entwicklungsfaktoren zu beschränken.

Gegenüber der bisherigen Planungspraxis bedeutete jedoch die Ableitung städtebaulicher Veränderungen aus gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen einen wesentlichen Fortschritt. Damit war ein erster Ansatz für eine systematische Erforschung von Stadtentwicklungsprozessen bzw. eine Verwissenschaftlichung der Stadtplanung geschaffen. „Nun haben wir einen Plan. Er baut sich auf Untersuchungen auf, wie sie in dieser wissenschaftlichen Gründlichkeit über die Zukunft Münchens nie zuvor angestellt wurden. [23] „Ungenauigkeit“, mit der diese Untersuchungen trotz alledem damals behaftet waren, wenn man sie mit heutigen Analyse – Ansprüchen vergleicht, rührt sicher auch daher, daß die für wesentlich gehaltenen Bestimmungsgrößen durch kommunale Planung für unveränderbar gehalten wurden. „Ausgangspunkt aller Planungen war im allgemeinen die Frage, welche Flächen und baulichen Einrichtungen im Stadtgebiet gebraucht würden. Im Hinblick auf diese Frage wurden Bedürfnisse und Anforderungen erforscht und die Ressourcen überprüft.

Dabei – und dies ist ein weiteres wichtiges Merkmal dieses Planungsverständnisses – begnügte man sich im allgemeinen mit einem relativ bescheidenen Standard, was die Präzision, die Differenzierung, vor allem aber auch die Begründung der Annahmen angeht …“ [24]

So wurden im Stadtentwicklungsplan 63 die Zusammenhänge und Konflikte zwischen den drei Bestimmungsgrößen der Stadtentwicklung nicht untersucht. Bei der Berechnung zukünftiger Flächenbedarfe stützte sich der Plan auf Prognosen, die lediglich eine Trendverlängerung der bisherigen Entwicklung darstellten.

Ein zweites Merkmal unterscheidet den Stadtentwicklungsplan 63 von der bisherigen Münchner Stadtplanung: der sog. „Leitgedanke“. „Wir brauchen wieder ein Leitbild, eine Idee, wie unsere Stadt in Zukunft aussehen soll und wir brauchen innerhalb der Stadtverwaltung ein mit starker Autorität ausgestattetes Stadtplanungsamt, das dieses Leitbild erarbeitet und dafür sorgt, daß alle Einzelmaßnahmen sich auf dieses Leitbild ausrichten.“ [25] Wenn auch die Unterordnung der Stadtplanung unter ein „Leitbild“ für München etwas Neues war, so wurde hier doch nur eine sehr alte Planungstradition aufgenommen, die zurückreicht bis zu den feudalen Städtebauern, deren „geniale“ Entwürfe das Repräsentationsbedürfnis der absolutistischen Herrscher zum Leitgedanken hatte. Diese Tradition setzte sich dann, nachdem die allgemeine Baufreiheit als bürgerliche Errungenschaft des 19. Jahrhunderts zu sehr zweifelhaftem Fortschritt geführt hat, Anfang des 20. Jahrhunderts in der Gartenstadtidee ebenso fort wie in der Charta von Athen oder den Stadtentwürfen der utopischen Sozialisten.

In dieser Tradition liegt auch der idealistische Charakter von Leitgedanken der Stadtplanung, der sich in abstrakten, biologischen oder geometrischen Modellvorstellungen ausdrück:
„Leitgedanke dieser Planung ist die auf ein hoch entwickeltes Zentrum hin orientierte, entlang den Strecken des Massenverkehrsmittels sternförmig in eine Vielzahl von Stadtteilen mit eigenen Nebenzentren gegliederte und mit ihrem natürlichen Umland organisch verbundene Metropole mit Weltstadtcharakter.“ [26]


STADTENTWICKLUNGSPLAN 1963

Quelle: Stadtentwicklungsplan 1963

Dieser Leitgedanke steht völlig isoliert der ansatzweisen Analyse des Münchner Wachstumsprozesses gegenüber, wobei gerade die „Einfachheit“ der Analysen diese abstrakte, mit den realen Planungsmöglichkeiten kaum in Einklang zu bringende, Zielvorstellung erst ermöglicht. Denn nur eine ungenaue, lückenhafte Beschreibung der Problemlage läßt Raum für das Vertrauen, „daß die natürliche Entwicklung harmonisch verläuft“ [27] und daß sie auf ein ebenso harmonisches Leitbild hin lenkbar sei und das auch nur durch die Steuerung ihrer räumlichen Auswirkungen.

Der Leitgedanke des Stadtenwicklungsplans 63 wurde in folgenden Hauptzielen konkretisiert:

‒      „Die Innenstadt bleibt wirtschaftlicher, politischer und kultureller Mittelpunkt der Stadt, Ort höchster baulicher Dichte und der Konzentration der zentralen Funktionen von Wirtschaft, Handel und Verwaltung;

‒      in den Außengebieten wird die Wohnbebauung entlang den Linien der schienengebundenen Massenverkehrsmittel konzentriert: eine „Ballung der Wohnfunktion“ als Gegenpol zur Ballung der tertiären Arbeitsstätten in der Innenstadt;

‒      im gewerblichen und industriellen Sektor wird die erkennbare Tendenz der Wanderung in die Außengebiete und ins Umland unterstützt, die grundsätzliche Trennung des Wohnens von den Industriefunktionen und deren Konzentration hauptsächlich im Norden und Osten der Stadt angestrebt;

‒      der Generalverkehrsplan sieht ein radiales Netz z.T. unterirdisch geführter Massenverkehrslinien vor, um die Wohnbereiche in der Region und im Außenraum an die Innenstadt anzuschließen, die wegen ihrer baulichen Dichte für eine Oberflächenerschließung nicht genügend Verkehrsraum aufweist.


VERKEHRSENTWICKLUNGSPLAN
SCHINENGEBUNDENE MASSENVERKEHRSMITTEL

Quelle: Stadtentwicklungsplan 1963

‒      Für den Individualverkehr ist vorgesehen, das vorherrschende radiale Straßennetz durch mehrere Tangentensysteme, die sich zu Ringen zusammenschließen, zu ergänzen, wobei der Individualverkehr innerhalb des Mittleren Ringes mäßigen, innerhalb der Innenstadt starken Restriktionen unterworfen werden sollte.“ [28]


VERKEHRSENTWICKLUNGSPLAN STRASSEN

Quelle: Stadtentwicklungsplan 1963

„Leitgedanke bei der Auswahl der Bauflächen ist neben vielen anderen Gesichtspunkten, wie der öffentlichen Versorgung, der Entwässerung, der Bodenverhältnisse, des Grundwasserstandes, des Baulandangebotes, der Grünflächen, um nur einige der maßgeblichsten Gesichtspunkte aus der Fülle herauszugreifen, derjenige der Verkehrserschließung. Dieser Gedanke hat gegenwärtig für die Erhaltung großstädtischen Lebens gravierende Bedeutung wegen der Wechselbeziehungen zwischen Wohn- und Arbeitsstätte und zwischen Baudichte und Verkehrsart.“ [29]

Hier wird angedeutet, auf welche Weise die qualitativ neue Problemlage zu Beginn der sechziger Jahre bewältigt werden soll. Der Versuch der Koordination der Flächenplanung mit der Verkehrsplanung bedeutet gegenüber der bisherigen Planung einen ganz wesentlichen Fortschritt.

So wurde auch in einer Stellungnahme zur bisherigen städtischen Planung durch eine Gutachtergruppe neben einer „ungenügenden Zukunftsorientierung“ vor allem die „mangelnde Koordination zwischen der Verkehrsplanung und der übrigen Stadtplanung“ kritisiert. [30]

Gleichwohl kann beim Stadtentwicklungsplan von 1963 noch nicht von einem integrierten Gesamtentwicklungsplan, wie er etwa von der KGSt in ihrem Gutachten von 1972 empfohlen wird, gesprochen werden. [31] Der Koordinationsanspruch des 63 – Planes beschränkt sich auf die traditionellen Bereiche kommunaler Planungstätigkeit. Unberücksichtigt bleiben die sozialen Implikationen von Planung ebenso wie die Einbeziehung anderer Bereiche der Kommunalpolitik wie der Bildungs- und Freizeitplanung oder der Sozialfürsorge.

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1. Zu den Auswirkungen des Stadtentwicklungsplans von 1963

Der Stadtentwicklungsplan von 1963 blieb für die Münchner Stadtentwicklung keineswegs folgenlos, auch wenn man nicht davon sprechen kann, daß er sie nach seinem Leitbild gestaltete.

Zur Durchsetzung der Ziele des Stadtentwicklungsplans wurde das Stadtplanungsamt mit mehr „Autorität“ ausgestattet, was seinen organisatorischen Niederschlag in seiner Verlegung vom damaligen Hochbaureferat in das direkt dem OB unterstehende Direktorium fand. Innerhalb von drei Jahren wurde es auf das Vierfache seines Personalstandes von 1960 ausgebaut. [32]

Die Auswirkungen des 63 – Planes auf die Münchner Stadtentwicklung soll an drei Problembereichen skizziert werden:

    1. dem Stadtumbau im Innenstadt- und Innenstadtrandbereich
    2. der Konzeption für den Individual- und Massenverkehr
    3. den Großsiedlungen am Stadtrand

a. Der Stadtumbau

Die Raumansprüche des mit überproportional hohem Wachstum prognostizierten sog. „teriären Sektors“ sollten nach den Vorstellungen des Stadtentwicklungsplanes durch eine Ausweitung der City befriedigt werden. Die Vergrößerung der City entsprach zugleich dem „Leitgedanken“, Münchens Metropolcharakter zu fördern.

Diesem Ziel trug der 1965 verabschiedete Flächennutzungsplan durch die Ausweisung weiter Flächen des Innenstadtrandgebietes (Lehel, Maxvorstadt, Schwabing, Haidhausen, Westend) als Kerngebiet Rechnung. Durch das damals schon bestehende hohe Baurecht in diesen Gebieten hatte bereits ein Umstrukturierungsprozess in früheren Jahren begonnen. [33] Der Flächennutzungsplan beschleunigte den „naturwüchsigen“ Umstrukturierungsprozess.

Während große Flächen in den betreffenden Stadtvierteln ihrer bisherigen Nutzung nach, in den Kategorien der BauNVO ausgedrückt, als reine oder allgemeine Wohngebiete einzustufen waren, hätte die totale Verwirklichung des FNP die restlose Vertreibung der Wohnbevölkerung aus diesen Gebieten bedeutet, da in Kerngebieten, insbesondere nach der seinerzeit üblichen Interpretation von MK nach Baunutzungsverordnung [34] , nur noch ein kleiner Prozentsatz Wohnungen zugelassen ist.

Tatsächlich verringerte sich im innenstadtnahen Bereich die Wohnbevölkerung von 1961 bis 1970 um 32 500. [35] Überlagert wurde dieser Prozess durch eine soziale Umstrukturierung der verbliebenen Bevölkerung. Während ältere Menschen zurückblieben, traten an die Stelle junger kinderreicher Familien vor allem Ausländer aber auch deutsche Familien, die auf die relativ billigen Altbauwohnungen angewiesen sind. [36]

Die räumliche Polarisierung von Wohnstätten und Arbeitsplätzen erhöhte das Verkehrsaufkommen.

Die Bodenpreissteigerungen, die für diesen Prozess ursächlich sind und durch ihn weiter beschleunigt werden, verteuerten für die Stadt den Bau von Gemeinbedarfseinrichtungen und Straßen.

b) Die Verkehrskonzeption

Kern der Straßenverkehrskonzeption des gleichzeitig mit dem Stadtentwicklungsplan verabschiedeten Generalverkehrsplanes ist, neben einem Ausbau der traditionellen Radialstruktur, deren Überlagerung durch eine Ring- und Tangentenkonzeption. Letztere wurde durch den Bau von Mittlerem- und Altstadtring in wesentlichen Teilen verwirklicht.

Die Folge dieser z.T. gravierenden Eingriffe in die bestehende Stadtstruktur waren: Abriß von Wohnungen, Beeinträchtigung der anliegenden Bewohner durch Lärm und Abgasentwicklung, die stellenweise das Zehnfache der erlaubten Höchstwerte erreichen, Trennung ganzer Stadtteile und die finanzielle Überlastung des städtischen Haushalts.

Die damit bewirkte Verminderung der Wohnqualität innerstädtischer Quartiere verstärkte den oben beschriebenen Verdrängungsprozess und damit indirekt auch das Verkehrsaufkommen selbst.

Der durch die Olympiade beschleunigte Bau des geplanten schienengebundenen Massenverkehrsmittels U- und S-Bahn brachte tatsächlich eine nicht unwesentliche Entlastung des Stadtgebietes vor allem der Innenstadt vom Autoverkehr, ermöglichte die Schaffung der Fußgängerzone im Zentrum und eine Verkehrsberuhigung in Teilen der Innenstadt.

Die sternförmige Struktur des S – Bahnnetzes und seine Verknüpfung mit der bislang noch einzigen U – Bahnlinie im Zentrum der Innenstadt erhöhte jedoch die Monozentralität der Gesamtstadt und beschleunigte durch die Schaffung von neuen Zonen hoher Erreichbarkeit in den innenstadtnahen Bereichen den Verdrängungs- und Umstrukturierungsprozess in diesen Gebieten.

Die Auflassung einzelner Straßenbahnlinien verschlechterte nicht nur die Versorgung mit ÖNV [37] , sondern verschärfte zudem die hohe Erreichbarkeit der wenigen von U – und S – Bahn unmittelbar erschlossenen Bereiche.

a)   Die Großsiedlungen am Stadtrand

Zur Unterbringung der enorm hohen Zahl von Zuwanderern und der noch immer großen Zahl Wohnungssuchender waren im Stadtentwicklungsplan 63 drei Großsiedlungen geplant, von denen eine sogar außerhalb der Stadtgrenze entstehen sollte.

Bereits bei der Beschlußfassung über den Flächennutzungsplan 1965, wurde dieses hochgesteckte Ziel korrigiert und nur noch Perlach rechtsverbindlich ausgewiesen. [Großsiedlung Perlach – Teil 1, Teil 2 und Teil 3 in Dokumente der Stadtentwicklungsplanung]

Beim Bau der Entlastungsstadt Perlach (Baubeginn 1967; Einwohnerzahl 1972: ca. 20 000) traten gravierende Probleme bei der Versorgung der Bewohner mit öffentlichen wie privaten Einrichtungen der Daseinsvorsorge auf. Die Stadt konnte nicht die Mittel für die notwendigen Schulen, Kindergärten etc. aufbringen, nachdem diese zu spät geplant und in Angriff genommen wurden. Das schnelle Wachstum dieser Großsiedlung, das nicht zuletzt im Interesse der Neuen Heimat als Maßnahmenträger der Siedlung lag und von ihr forciert wurde und die weit über dem Durchschnitt liegende Kinderzahl verschärfte vor allem die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage nach Schul- und Kindergartenplätzen.

Die auf den Endausbau hin geplanten privaten Dienstleistungseinrichtungen versprachen bei der anfänglichen noch geringen Nachfrage nicht den erforderlichen Gewinn, als daß sich privates Kapital schon bei der Fertigstellung der ersten Wohnkomplexe für ihre Errichtung interessiert hätte. So fehlten neben der öffentlichen Infrastruktur auch die elementaren Einrichtungen für Konsum und Dienstleistungen. [38] Die monotone Architektur, das für neue Siedlungen dieses Ausmaßes typische Fehlen eines sozialen Zusammenhaltes und die Isolation von der gewachsenen Stadt sind weitere Merkmale, welche die hohen Erwartungen an diese Siedlungen schon sehr bald gründlich relativierten.

d)   Allgemeine Auswirkungen

Neben diesen ganz konkreten Auswirkungen auf die Münchner Stadtentwicklung brachte der Stadtentwicklungsplan von 1963 aber auch allgemeine Veränderungen der Kommunalpolitik mit sich.

Zum ersten Mal übernahm der Stadtrat die Verantwortung für die Stadtentwicklung als Ganzer. Auch wenn nur die räumlichen Auswirkungen der verschiedenen Entwicklungskräfte gesteuert werden sollten, so wurde doch gleichzeitig unterstellt, damit die Gesamtentwicklung in „geordneten Bahnen“ halten zu können. Mit diesem hohen Anspruch der Kommunalpolitik wurde die Stadtplanung, bisher Thema von ästhetisch-technischen Diskussionen der „Fachleute“, zum Gegenstand der allgemeinen lokalpolitischen Auseinandersetzung.

Der Stadtentwicklungsplan selbst wurde in einem bis dahin nicht bekannten Maße in der Öffentlichkeit diskutiert. [39] „Eine Reihe der im Stadtentwicklungsplan 63 formulierten Forderungen hat entscheidend dazu beigetragen, heute allgemein verbindliche Ziele zu einer menschengerechten Stadt im Bewußtsein der Öffentlichkeit zu verankern. Dies gilt auch für die Notwendigkeit der Entwicklungsplanung selbst.“ [40]

Auch wenn viele dieser Forderungen idealistischen Charakter hatten und größtenteils nicht realisiert wurden, so spielten sie bei den ersten öffentlichen Auseinandersetzungen um städtische Planungsmaßnahmen ganz sicherlich keine Wirtschaftsförderungspolitik, die zu eben diesen Entwicklungsproblemen geführt hatte. Die nunmehr systematisch und konzentriert eingesetzten technokratischen Planungsmaßnahmen – wie z.B. der Bau des Altstadtrings Nord-Ost – mußten damit zu einer Verschärfung der einseitigen Belastung weiter Teile der Bevölkerung und ihrer individuellen Reproduktionsverhältnisse führen. Auf die Dauer waren die betroffenen Bürger nicht bereit, die ihnen zugemuteten Beeinträchtigungen ihrer Lebensbedingungen widerspruchslos hinzunehmen. Sie begannen unwesentliche Rolle und zwar in dem Sinne, daß sich Planungsbetroffene in ihrer Argumentation gegenüber der Stadt auf Ziele des Stadtentwicklungsplans berufen und damit nicht nur größere Überzeugungskraft, sondern auch, in politischer Selbstbehauptung meist noch ungeübt, größere Sicherheit gewinnen konnten.

Die frühzeitige Propagierung der Notwendigkeit der Entwicklungsplanung erlangte ihre Bedeutung dadurch, daß der Widerstand der traditionellen Verwaltung gegenüber Koordinationsbestrebungen und verwaltungsübergreifender Planungskontrolle, wenn überhaupt, nur langsam abgebaut werden konnte.

e) Zusammenfassung

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß der Stadtentwicklungsplan 63 die Probleme, zu deren Bewältigung er erstellt worden war, nicht lösen konnte, sondern sie nur auf eine andere Ebene, an eine andere Stelle oder/und auf eine andere Bevölkerungsgruppe verlagert hat. Die Erarbeitung des Stadtentwicklungsplanes 63 war notwendig gewesen, um die negativen Auswirkungen und Fehlentwicklungen auszuräumen, die von dem naturwüchsigen enormen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums Münchens verursacht worden waren und eine erhebliche Verschlechterung der allgemeinen Lebens- und Arbeitsbedingungen zur Folge hatten. Doch die im Stadtentwicklungsplan 63 vorgeschlagenen Maßnahmen waren ebenso ein- seitig an den Erfordernissen der Kapitalverwertung und des Wirtschaftswachstums orientiert, wie die vorausgegangene Fachplanung in den einzelnen Ressorts. Erst als die Bürger sich zur Wehr zu setzen und schufen eine politische Situation, die ein Umdenken in der Stadtentwicklungspolitik erzwang. Im Folgenden soll dargestellt werden, wie die politische Führung der Stadt und die planende Verwaltung auf diese neuartige Situation reagierte.

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B. Das „Münchner Modell“ der Stadtentwicklungplanung

I. Einleitung

Die oben beschriebenen Probleme, durch den Stadtentwicklungsplan 63 verschärft oder hervorgebracht, erreichten in den Jahren 1966/67 einen gewissen Höhepunkt. Dazu entstanden eine Reihe neuer Probleme bzw. traten durch ihr konflikthaftes Zusammentreffen mit anderen zum ersten Mal verstärkt ins Bewußtsein der Öffentlichkeit und der politischen Führung in München.

Stellvertretend für die Fülle von Problemen, seien hier zwei kurz beschrieben:

1. Der Fall Prinz-Carl-Palais

Der Konflikt zwischen der Cityerweiterung und der dafür erforderlichen verkehrlichen Erschließung von Innenstadt und Innenstadtrandgebieten einerseits und den Lebensinteressen der in diesen Gebieten z.T. seit mehreren Generationen lebenden Wohnbevölkerung andererseits brach zum ersten Mal, wenn auch nur indirekt, bei der Auseinandersetzung um die Führung des Altstadtringes in seinem nord-östlichen Abschnitt offen auf.

Zunächst beschränkte sich die Kontroverse auf ein Tunnelbauwerk, das vor dem Haus der Kunst eine Rampe zu einer Unterführung vorsah, die den Verkehr unter dem Prinz-Carl-Palais , einem klassizistischen Bau, hindurchführen sollte. „Im Kern ging es wieder um die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Individualverkehr und der überkommenen Stadtsubstanz .“ [41] In dieser Auseinandersetzung traten zunächst nicht die Bewohner der angrenzenden Wohngebiete als Gegner der Planung auf, sondern in erster Linie Architekten, die an einem Wettbewerbsverfahren zu diesem Projekt teilnahmen, und Angehörige „traditioneller Münchner Familien“, die sich für die Bewahrung des „königlichen Münchens“ einsetzten.

Das besondere an dieser Auseinandersetzung war ihre Schärfe einerseits und ihre Publizität andererseits. Die Münchner Tageszeitungen schlossen sich der geäußerten Kritik teilweise an. „Zum ersten Mai hatte hier so etwas wie eine offene Planung stattgefunde Bürger hatten sich nicht nur zu Wort gemeldet, sondern selbst Pläne ausgearbeitet.“ [42]

Entscheidend war, und das geht u.a. auch aus der Bemerkung Vogels hervor, daß die Stadtverwaltung und der Stadtrat erheblich verunsichert waren. Die rigide Durchsetzung der ursprünglichen Pläne gegen jede Kritik vermittelt zwar den Eindruck einer gewissen Stärke der Verwaltung zu diesem Zeitpunkt, doch sie offenbart auch das Unvermögen, mit Protesten umzugehen, auf sie flexibel zu reagieren, d.h. sie zu einem Bestandteil der Planung selbst zu machen, indem man sie integriert. Die vermeintliche Stärke wurde jedoch durch zunehmende Widersprüche innerhalb der Verwaltung und auch im Stadtrat erkauft. [43] Die Kritik von außen wurde durch Teile der Verwaltung übernommen und führte in der Folge dazu, daß die Verwaltung als Ganzes, zumindest was die rigide Durchsetzung von Planungsentscheidungen gegen Widerstände in der Öffentlichkeit angeht, geschwächt war.

2. Zur kommunalen Infrastrukturpolitik

Ein zweiter Problembereich, der erst in dieser Zeit stärker in das Bewußtsein von Verwaltung und Stadtrat drang, bestand in der wachsenden Schere zwischen der Notwendigkeit vermehrter Infrastrukturleistungen der Kommunen und den schwindenden finanziellen Möglichkeiten der Stadt.

War z.B. das Problem des Schulhausbaus im Stadtentwicklungsplan von 1963 noch nicht einmal erwähnt, so wurde im ersten Schulentwicklungsplan von 1965 der Umfang des Problems deutlich, als ein Bedarf von 138 Bauobjekten bis 1975 festgestellt wurde, der Mittel in Höhe von 578 Mio DM erforderte (damalige Schätzung). [44]

Der durch den Stadtentwicklungsplan von 1963 forcierte Straßen- und Massenverkehrsausbau erforderte neue Dimensionen an Investitionsmitteln. So erhöhte sich das Investitionsvolumen für den Straßenbau von 55 Mio 1960 auf 128 Mio 1964. Der 1965 begonnene U- und S-Bahnbau schlug gleich in den ersten Jahren mit ca. 100 Mio DM jährlich zu Buche. (Der Neu- und Wiederaufbau der Landeshauptstadt München in den Haushaltsjahren 1948 – 1973, Tab. 2).

Gleichzeitig blieben aber die Investitionsmittel weit hinter diesen Anforderungen zurück. Während sich in den fünfziger Jahren der Anteil der Investitionen an den Gesamtausgaben kontinuierlich erhöhte, nahm er von 1960 an ab. Absolut sind die Investitionsausgaben zwar immer noch gestiegen, doch blieben diese Steigerungen weit hinter der inflationären Entwicklung im Baugewerbe, der Preisexplosion auf dem Bodenmarkt und nicht zuletzt hinter den wachsenden Aufgaben im Bereich des Infrastrukturausbaus zurück.

In seiner Haushaltsrede für 1967 geht OB Vogel auf diese Situation ein: „… sind die öffentlichen Finanzen im allgemeinen und die kommunalen Finanzen im besonderen in eine offenkundige Krise geraten. Diese Krise hat auch vor unserer Stadt nicht halt gemacht und läßt die Aufstellung und Verabschiedung des Haushalts 1967 zu einer Aufgabe werden, die an Schwierigkeit die Aufstellung und Verabschiedung aller bisherigen Haushaltspläne seit der Währungsreform weit übertrifft.“ [45]

Diese Situation bildet den Hintergrund für das Entstehen der Form von Stadtentwicklungsplanung, die hier als „Münchner Modell“ [46] bezeichnet werden soll, weil sie gegenüber der in anderen Städten, wo sie meist erst später entstand, einige besondere Merkmale aufweist. Im Rahmen der Münchner Entwicklung bedeutete diese neue Form der Stadtentwicklungsplanung gleichzeitig eine grundlegende Veränderung gegenüber der Stadtentwicklungsplanung, wie sie sich im Stadtentwicklungsplan 1963 ausdrückte.

„Das herkömmliche Konzept der Stadtentwicklung erschien mir plötzlich fragwürdig, das heißt des Infragestellens, des grundsätzlichen Überdenkens würdig … Einen ersten Ansatzpunkt für eine generelle Kurskorrektur sah ich in der Stadtforschung. Wir wußten einfach zu wenig über die Stadt, über die Menschen die in ihr leben und über die längerfristigen Wirkungen dessen, was wir taten.“ [47]

Das, was hier vom Chef der Münchner Verwaltung als individueller Lernprozess dargestellt wird, ist nichts anderes als die Reaktion auf die oben beschriebene Zuspitzung der kommunalpolitischen Probleme.

Die Stadtforschung als erster Ansatzpunkt für eine generelle Kurskorrektur spielt in der Entwicklung des „Münchner Modells“ in der Tat eine zentrale Rolle.

Im Stadtentwicklungsplan von 1963 wurden komplexe Probleme, wie das der Veränderung der Stadtstruktur und der Verkehrsentwicklung, selektiv und nur in ihrer oberflächlichen Erscheinungsform wahrgenommen. Die Problemsicht orientierte sich an Planungsinstrumenten der traditionellen Flächen- und Verkehrsplanung und erkannte in gesellschaftlichen Problemen nur die Aspekte, die technisch lösbar erschienen. Das Problem der Nutzungsdifferenzierung wurde am jeweils akuten Symptom angegangen: Dem wachsenden tertiären Sektor wurde die Ausdehnung in den Innenstadtrand durch die Kerngebietsausweisung erleichtert, der Wohnbevölkerung wurden am Stadtrand Großsiedlungen gebaut und die „Verkehrsströme“ erhielten breitere Straßen bzw. ein neues Verkehrsmittel in Form von U- und S-Bahn. Die Realisierung dieser an den Symptomen ansetzenden Planung hatte aber Nebeneffekte, die zuvor nicht berücksichtigt waren.

Die Verkehrsplanung drohte das „historisch und organisch entstandene Gefüge der Stadt und des Umlandes“ zu zerstören, dessen Erhaltung ausdrückliches Ziel des 63er Planes war. Die erzwungene Abwanderung der Wohnbevölkerung aus der Innenstadt erhöhte den Berufsverkehr vom Stadtrand in die City u.s.w.

Der Widerspruch zwischen dem Anspruch des Planes nach bewußter Steuerung der städtischen Gesamtentwicklung in ihrer räumlichen Dimension und der Wirkung der Planungsmaßnahmen, die faktisch nur an Teilbereichen ansetzte, wurde offenbar.

Die Erfahrung, daß Planungsmaßnahmen nicht eindimensional ein erkanntes Symptom beheben, sondern mehrdimensional auf sehr viele Bereiche der Stadtentwicklung wirken, führte zu der Erkenntnis, daß die bisher isoliert betrachteten Teilprobleme untereinander in Zusammenhang stehen, ohne daß Ausmaß und Wirkungsweise der Zusammenhänge bekannt gewesen wären.

Diese Erkenntnis war in München aus der Sicht der Planung ein wesentlicher Anlaß für die Etablierung der Stadtforschung und einer neuen Form der Stadtentwicklungsplanung innerhalb der städtischen Verwaltung.

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II. Die Konzeption von Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung

1. Die Stadt als sozioökonomisches System

„Die Entwicklung einer modernen Stadt wird durch eine fast unübersehbare Fülle von Faktoren bestimmt. Diese Faktoren sind sowohl in ihrer Existenz wie in ihrer Verflechtung und gegenseitigen Abhängigkeit nur schwer durchschaubar. Das in weiten Kreisen geäußerte Unbehagen an der Entwicklung der Gesellschaft im allgemeinen und der Städte im besonderen ist von diesem Mangel an Durchschaubarkeit bestimmt. Gleichzeitig ergeben sich hieraus Zweifel an der Richtigkeit und am Erfolg entwicklungssteuernder Maßnahmen.“ [48]

Vor dem Hintergrund der allgemeinen Aufgabe „Struktur- und Entwicklungsdaten“ zur Entscheidungsvorbereitung zu „sammeln“ [49] geht es bei der Stadtforschung um das Problem, auf welche Weise reale Verhältnisse dazustellen sind, um Planungsmaßnahmen gezielt und kontrolliert durchführen zu können. Da die realen Verhältnisse der Stadtentwicklung nicht mehr wie 1963 als technische, sondern als soziale d.h. gesellschaftliche gesehen wurden, gibt die Art der Rezeption städtischer Problembereiche zugleich einen Hinweis auf das Gesellschaftsverständnis der Münchner Stadtforschung.

Die Münchner Stadtforschung setzte sich zur Aufgabe, alle „gesellschaftlichen Zusammenhänge“ zu erkennen, indem eine „differenzierte Analyse der gesellschaftlichen Bezüge, ihrer Wechsel-, Quer- und Rückbezüglichkeit“ angestellt wird. [50] Dieser Aufgabenstellung liegt die Vorstellung zu Grunde, daß die Gesellschaft ein „sozioökonomisches System“ [51] darstellt, dessen einzelne Elemente untereinander gesetzmäßigen Zusammenhängen unterliegen.

a. Städtisches Globalmodell und Entwicklungstheorie der Stadt

Dieses System sollte mit einem „städtischen Gesamtmodell“ simuliert werden. „Dieses Modell müßte es erlauben, die Kräfte und Tendenzen der Entwicklung in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit und Beeinflußbarkeit zu erkennen. Es muß ferner erlauben, zur Prüfung alternativer Vorstellungen einzelne Faktoren zu verändern, um die sich auf Grund dieser Veränderungen ergebenden Auswirkungen auf die Gesamtentwicklung und ihre einzelnen Bestandteile nach zu urteilen (Simulationsmodell ).“ [52]

Dieses Modell setzt eine „Entwicklungstheorie der Stadt“ (Neubeck) voraus, die die Gesetzmäßigkeiten von Entwicklungsprozessen bestimmen kann und diese damit erst prognostizierbar macht. Werden nun städtische Erscheinungen als eine spezielle Ausprägungsform gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen gesehen, wie das bei der Münchner Stadtforschung der Fall ist, so steht hier die Frage nach einer Theorie der heutigen Gesellschaft. An diesem Punkt wird der politische Stellenwert von Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung deutlich. Komplexe und langfristige Planungsaufgaben verlangen nämlich Einheitlichkeit und Kontinuität einer solchen Theorie. Stützt sich die Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung auf eine derartige Theorie, dann stellt sie die Ideologie der pluralistischen Gesellschaft in Frage, die „die Wirklichkeit als aus vielen selbständigen Wesenheiten bestehend auffaßt, die keine durchgehende Einheit bilden“. [53]

Dieser Widerspruch bildet den politischen Hintergrund für die Schwierigkeiten der Erarbeitung einer einheitlichen Stadtentwicklungstheorie und einem davon abgeleiteten „Globalmodell“, wie sie in München schon sehr bald auftreten. Die „Zusammenhänge zwischen den wichtigsten Größen der Stadtentwicklung“ sollten nur noch qualitativ bestimmt werden und eine «Simulation nur in Teilbereichen“ angestrebt werden. [54] Die Probleme der Quantifizierung bei der Aufstellung des Simulationsmodells und der Integration von Teilmodellen zu einem Gesamtmodell haben zwar eine objektive Grundlage in der Komplexität und Unerforschtheit gesellschaftlicher Prozesse, [55] werden jedoch als Vorwand genommen, diesem oben beschriebenen Widerspruch aus dem Wege zu gehen. Der Anspruch an die Planungstheorie wird soweit reduziert, daß er nicht unmittelbar mit der herrschenden pluralistischen Auffassung von Staat und Gesellschaft in Konflikt gerät.

Die Erforschung der Zusammenhänge städtischer Entwicklungsprobleme unterscheidet sich von der bislang üblichen isolierten Untersuchung einzelner Probleme dadurch, daß sie sehr viel schneller und fast notgedrungen auf die besonderen Strukturen und Gesetzmäßigkeiten der Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Problemen d.h. auf ihre Gesellschaftsbedingtheit stößt.

Der Anspruch, keinen Nebeneffekt irgendeiner Entwicklung oder irgendeiner Planungsmaßnahme unberücksichtigt zu lassen, zwingt die Stadtforschung die Ursachen von Entwicklungen genau zu erkennen. Zur Erklärung des kommunalen Verkehrsproblems reicht es dann z.B. nicht mehr aus, die zunehmende Motorisierung als Ursache zunehmenden Individualverkehrs zu nennen.

Es muß nach der Ursache der Motorisierung selbst gefragt werden, da sonst gar nicht beurteilbar ist, auf welche Weise z.B. Maßnahmen zur Verkehrsverflüssigung dem Problem überhaupt gerecht wird, bzw. wie und mit welchen Folgen für andere Bereiche der Stadtentwicklung sich der Verkehr angesichts besserer Verkehrswege weiterentwickelt.

Die Untersuchung der Ursachen der Motorisierung führt aber zu den Interessen von Mineralöl-, Automobil- und Tiefbauindustrie, fuhrt zu der unausgewogenen Stadtstruktur, die ihrerseits verursacht ist durch das private Verfügungsrecht über Grund und Boden.

Das bedeutet einerseits, daß mit den bisherigen Instrumenten der Kommunalpolitik das Verkehrsproblem allein nicht angegangen werden kann, und andererseits, daß die nun erkannte vielschichtige Dimension des Verkehrsproblems die ganze Palette möglicher staatlicher Regulierungsmaßnahmen erst anwendbar macht, deren koordinierter Einsatz eine bessere Lösung erwarten ließe.

Staatliche Maßnahmen zur Regulierung der Automobilproduktion, zur Zurückdrängung des Einflusses der Ölkonzerne oder zur Einschränkung der freien Verfügung über städtischen Boden werfen jedoch grundsätzliche Fragen der Staatstätigkeit und der politisch-ökonomischen Verfassung unserer Gesellschaft auf. Der von der Stadtentwicklungsplanung gesetzte Zwang zu detaillierter und breiter Analyse städtischer Entwicklungsprobleme führt also auch unter diesem Aspekt zur permanenten Infragestellung grundlegender Positionen dieser Gesellschaftsordnung.

b. Die Integration der Planung und die Ressortgliederung der Verwaltung

Auf Verwaltungsebene gerät der hohe Anspruch, ein „Globalmodell“ als Integrationsinstrument aller städtischen Planungen zu benutzen, in Konflikt mit der traditionellen Ressortgliederung, die das „selbstverantwortliche“ Agieren vieler gleichrangiger Referate vorsieht. Das jeweilige Aushandeln von unterschiedlichen „Ressortinteressen“ ist mit dem Rationalitätsanspruch eines „Globalmodells“ aber nicht vereinbar. Ein „Globalmodell“ beinhaltet eine bestimmte Interpretation des städtischen Entwicklungsprozesses, auf die sich dann nicht nur die zuständige Abteilung für Stadtentwicklungsplanung und der Stadtrat, sondern die ganze Verwaltung einigen müssen.

An diesem Punkt muß die Frage nach Gründen der traditionellen Verwaltungsgliederung und ihrer heutigen Funktion gestellt werden, will man beurteilen, auf welche Weise und unter welchen Bedingungen Stadtentwicklungsplanung in der Lage ist, die kommunale Verwaltung in ihrer Funktionsweise zu verändern. [56]

c. Stadtentwicklungsplanung als indirekte Planung

Kommunale Planung bezieht sich in erster Linie auf die sog. „Infrastruktur“. Private Produktions- und Distributionsanlagen sind nur in ihrer räumlichen Verteilung in bestimmten Grenzen beeinflußbar. Produktions- und Infrastrukturbereich sind aber auf das engste miteinander verknüpft.

Eine zentrale These der Stadtentwicklungsplanung, wie sie zunächst auch in München vertreten wurde, ist, daß gerade diese Abhängigkeit von Produktions- und Infrastruktur es erlauben, den städtischen Gesamtentwicklungsprozess auch dann zu steuern, wenn nur der Infrastrukturbereich (dazu gehört auch die FNP, die auch nicht unmittelbar die Dispositionsfreiheit der privaten Produzenten tangiert) mit kommunaler, Landes- und Bundesplanung gesteuert wird, wobei die entsprechenden Instrumente und eine gute Koordination als ausreichende Bedingung angeführt werden.

Solange es um einzelne Infrastrukturbereiche geht, lassen sich die Zusammenhänge zum Produktionsbereich noch relativ einfach erfassen und als Grundlage für die Planung verwenden. Die Bedeutung des Baus einer Straße für die Standortentscheidung bzw. für die Produktionsentwicklung eines bestimmten Betriebes ist für den Planer auch dann grob beurteilbar oder sogar meßbar, wenn er keine Informationen des Betriebes als Planungsgrundlage hat. Planungsabsprachen zwischen öffentlichen und privaten Entscheidungsträgern sind in solchen Fällen relativ leicht möglich.

Nun geht es der Stadtentwicklungsplanung aber nicht um die indirekte Steuerung einzelner isolierter Prozesse, sondern um die Steuerung des Gesamtzusammenhangs. Es geht also darum, alle (relevanten) Auswirkungen, nicht nur der Planungsmaßnahmen, sondern auch der durch sie hervorgerufenen Planungen und Aktivitäten von privaten Entscheidungsträgern, mit in die Planungsüberlegungen einzubeziehen, sie zu simulieren.

Die Entscheidungen der Privaten orientieren sich jedoch nicht an einem „Globalmodell“ bzw. an gesamtstädtischen Planungszielen, sondern an den jeweiligen Einzelinteressen und können den Stadtentwicklungszielen direkt zuwiderlaufen. Sie sind jedoch schwer prognostizierbar, da die Informationsgrundlagen, nach denen z.B. private Kapitalunternehmen entscheiden, dem Planer nicht bekannt sind.

Auf diese Weise entsteht ein „Wirkungsgeflecht“, das von bekannten und unbekannten Größen bestimmt wird. Die Komplexität des Wirkungsgeflechts“, die sich in der Summe der sog. „Nebeneffekte“ von Planungen ausdrückt, läßt sich nicht mehr simulieren, wenn die „Unbekannten“ eine so große Rolle spielen, wie das bei den Entscheidungen privater Unternehmen z.B. der Fall ist.

Der Anspruch nach einer Steuerung des Gesamtzusammenhangs der Stadtentwicklung mit Hilfe eines Simulationsmodells steht also im Widerspruch zur Dispositionsfreiheit privater Produzenten und damit zu grundlegenden Merkmalen der „freien Marktwirtschaft“. Wie schon weiter oben angedeutet, reagierte die Stadtentwicklungsplanung darauf mit der vorläufigen Zurücknahme ihres weitgesteckten Anspruchs.

Der neue Stadtentwicklungsplan wird „nur aus Teilen städtischer Problemdarstellungen und Lösungen bestehen…, keinesfalls aber schon den Gesamtzusammenhang der Stadt- besser Regionsentwicklung als ein komplexes organisches Ganzes erfassen“ können. [57] Der Anspruch als solcher blieb aber erhalten. Das Forschungsprogramm sollte sich mit der „modellhaften Durchleuchtung der Darstellung und Analyse sowie Prognose einzelner Fragenkomplexe“ befassen. „Die Teilbefunde sollen sodann zu einem Gesamtentwicklungsmodell für die Stadt und Region zusammengefügt werden.“ [58]

Die Gründe, warum der hohe Anspruch der Stadtentwicklungsplanung nur vorläufig zurückgestellt und nicht gleich völlig aufgegeben wurde, liegen zum einen Teil in den Erfahrungen mit dem 63er Plan, bei dem die Konsequenzen einer auf Teilbereiche bezogenen Planung nur allzu deutlich geworden waren. Zum anderen Teil glaubte man aber, daß sich auf Grund der sich verschlimmernden Situation der Städte die gesellschaftlichen Bedingungen für Planung notgedrungen ändern müßten. Stadtentwicklungsplanung wurde als „Vorreiter in der allgemeinen Entwicklung zur umfassenderen Planung gerade auch sozialer Bereiche“ gesehen. [59]

Die politische Perspektive, mit der Stadtentwicklungsplanung betrieben werden sollte, ist damit angedeutet. An anderer Stelle schreibt Neubeck zum gleichen Problem: „Da langfristige Zielvorstellungen zur Stadtentwicklung in die sozialen Verhältnisse eingreifen, können sie im Grunde nur dann wirksam durchgesetzt werden, wenn sie in einen Plan der gesellschaftlichen Entwicklung eingebettet werden.“ [60]

d. Quantitative und qualitative Ausdehnung des Planungsanspruchs

Wenn man die Entwicklung der Stadtentwicklungsplanung von 1963 bis Anfang der 70er Jahre betrachtet, so fällt zunächst auf, daß sich der Planungsanspruch der Kommune quantitativ ausgedehnt hat. Die langfristige Planung und Abstimmung des gesamten Verwaltungshandelns ist das Ziel. Diese quantitative Ausdehnung ist umso bedeutsamer, als die Kommune prinzipiell nur einen Bereich, nämlich den der Infrastruktur, steuern kann. Sinn dieser quantitativen Erweiterung der Planmäßigkeit ist es, die sog. „Nebeneffekte“ von geplanten öffentlichen und ungeplanten privaten Maßnahmen „abzufangen“. Ohne „Globalmodell“ muß sich die Kommune dabei allerdings jeweils auf sog. „flankierende Maßnahmen“ beschränken.

In dem Maße, wie durch die Stadtforschung die „Nebeneffekte“ zumindest in groben Zügen überschaubar wurden, wurde erkannt, daß der Umfang der notwendigen „flankierenden Maßnahmen“ die‘ Finanzkraft der Stadt bei weitem übersteigt.

Die unterschiedliche Rationalität von Entscheidungen öffentlicher Planungsträger und solchen privater Unternehmer hat zur Folge, daß entweder die öffentliche Planung der Rationalität der privaten Entscheidungen angepaßt wird, und damit die Widersprüche in Form einer ungleichen Stadtstruktur etc. nur noch vergrößert werden, oder aber versucht wird, die öffentliche Planungsrationalität durchzusetzen, indem die privaten Entscheidungsträger mit einer Fülle von „flankierenden Maßnahmen“ quasi in die Zange genommen werden, wobei die Zugriffsfähigkeit dann von den finanziellen und gesetzlichen Mitteln wesentlich abhängt. In welcher Richtung die Münchner Stadtentwicklungsplanung dieses Dilemma zu lösen versuchte, zeigt die Wachstumsdiskussion Anfang der 70er Jahre.

Der Leiter der Abteilung Stadtforschung im StER, Karolus Heil, sagte in einem Vortrag beim Münchner Forum zu diesem Problem: „Als Alternative zur zweischneidigen Verbesserung der gemeindlichen Finanzausstattung zum Zwecke der Verbesserung der Infrastruktur und der Sanierung der Wachstumsprobleme verbleibt die Steuerung des Wachstums nach Verlauf- und Struktur.“ [61]

Motor von Wachstumsprozessen sind in erster Linie die privaten Unternehmen. „Steuerung des Wachstums“ bedeutet also dann eine qualitative Ausdehnung des Planungsanspruchs, bei dem über den Infrastrukturbereich hinaus, der privatwirtschaftliche Bereich direkt gesteuert werden soll. [62] Auch hierfür wäre ein „Plan der gesellschaftlichen Entwicklung“ die Voraussetzung.

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2. Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung als Gesellschaftspolitik

a. Der sozialwissenschaftliche Forschungsansatz

„Die wachsende gesellschaftliche Bedeutung der Stadtforschung ergibt sich letztlich daraus, daß immer mehr soziale Fragen sich als Konflikte zwischen den räumlichen Auswirkungen von privaten und kommunalen Investitionen und den Bedürfnissen der von diesen Investitionen direkt oder indirekt betroffenen Bürger darstellen.“ [63] Diese Beurteilung bezieht sich direkt auf die Erfahrungen bei der Durchführung des 63-Planes.

Probleme, wie das Verkehrschaos Anfang der 60er Jahre, die als technische Probleme betrachtet und auch als „technisch lösbar“ angesehen wurden, stellten sich in dem Augenblick als soziale Probleme dar, als z.B. beim Bau des Altstadtringes Hunderte von Mietern ihr angestammtes Wohngebiet verlassen sollten und im Falle des Lehel-Konlfikts nicht mehr ohne Widerstand hinnahmen. Der beim 63-Plan völlig fehlende soziale Aspekt von Stadtplanung trat nun bei der neuen Stadtentwicklungsplanung in besonderer Weise in den Vordergrund.

Die unmittelbaren Erfahrungen der Stadtverwaltung mit protestierenden und auf ihre sozialen Rechte pochenden Mietern, fiel zusammen mit den ersten sozialwissenschaftlichen Untersuchungen über städtische Probleme. Wegen ihrer Aktualität für die Münchner Verhältnisse fanden diese Untersuchungen (auch wenn es nur erste Bausteine einer sozialwissenschaftlichen Forschung Uber die Stadt waren) raschen Eingang in die Konzeption des Forschungsprogramms. Vogel nennt in seinem Buch eine Reihe von Autoren, die sicher nicht nur, wie er schreibt, ihn persönlich beeinflußt haben, sondern auch die mit der Stadtforschung beschäftigten Planer: John Kenneth Galbraith’s „Gesellschaft im Überfluß“ und „Die neue Industriegesellschaft“, Jean Fourastie, Paul Barth, Lewis Mumford, Alexander Mitscherlich, Jane Jakobs. [64]

In den ersten Papieren zur Konzeption der Stadtforschung in München war noch nicht von „Stadtforschung“, sondern von „Kommunalsoziologie“ die Rede. [65]

Die Sozialwissenschaften hatten also bei der Münchner Stadtforschung einen besonderen Stellenwert. Ihren organisatorischen Niederschlag fand diese Tatsache in der Benennung eines Soziologen zum Leiter der Abteilung Stadtforschung innerhalb des 1970 gegründeten Referates für Stadtforschung und Stadtentwicklung.

Die Erkenntnis, daß Probleme der Stadtplanung als soziale Fragen gesehen werden müssen, führte von einem weiteren Gesichtspunkt aus zu der Gesellschaftsbedingtheit städtischer Konflikte, wie sie sich schon aus der Sicht der Stadt als einem „sozioökonomischen System“ ergeben hat.

„Jede Änderung in dem dynamischen Expansionsfeld ‚Stadt‘ führt zu einer Störung der sozialen Beziehungsmuster und Verhaltensgewohnheiten, die in einer bestimmten baulichen Gestalt mitsamt ihrer Infrastruktur Ausdruck gefunden haben. Diese Konflikte müssen in ihrem symptomatischen Charakter für die Struktur- und Entwicklungsgesetze der Gesellschaft entschlüsselt werden. Solange die Erhaltung eines stabilen Wachstums und die Dispositionsfreiheit unternehmerischer Investitionsentscheidungen absolute Priorität hat, sind Investitionen, auf jenen Gebieten, die zur Vermeidung von Wachstumsrisiken der Wirtschaft nicht von Belang sind, strukturell benachteiligt.“ Dies „trifft insbesonderer die kommunale Daseinsvorsorge auf den Gebiete des Städtebaus, des Massenverkehrs, des Schulbaus, der Sozialeinrichtungen, des Umweltschutzes usw.“ [66]

b. Stadtentwicklungsplanung und Gesellschaftsreform

Soll Stadtentwicklungsplanung nicht in erster Linie technische, sondern soziale Fragen lösen und stellen diese besondere kommunale Ausprägungsformen der allgemeinen „Struktur- und Entwicklungsgesetze der Gesellschaft“ dar, dann steht Stadtentwicklungsplanung „inmitten der politischen Diskussion um die möglichen Voraussetzungen besserer Lebens- Verhältnisse“. [67] Vogel kommt in seinem Buch zu dem Schluß, „daß unsere Städte einer Katastrophe zusteuern könnten, wenn wir unser Gesellschaftssystem nicht in wichtigen Punkten reformieren.“ [68]

Die Infragestellung des gesellschaftlichen Systems der BRD und die Forderung seiner Veränderung als Voraussetzung für die Durchsetzung lebenswichtiger Maßnahmen der Stadtentwicklung waren in München damit fester Bestandteil der Stadtentwicklungsplanung. Gleichzeitig wurde deutlich gemacht, „daß eine Beeinflussung der Umwelt im gemeindlichen Rahmen gar nicht, wenn es gut geht nur in Teilen, möglich ist.“ [69] „Hierzu ist die Offenlegung der Beschränkungen kommunaler Planungen, der hinter diesen stehenden Interessen und der aus der gegebenen Situation fließenden Folgewirkungen unentbehrlich.“ [70] „Das Ziel (der Stadtforschung, d. Verf.) ist das Problembewußtsein über die restriktiven Bedingungen kommunalpolitischen Handelns und der Kritik daran.“ [71]

Bedeutsam an dieser Auffassung über die Planungsmöglichkeiten der Kommune ist weniger die Einsicht in ihre Beschränktheit, als die Schlußfolgerung, diese Beschränktheit nicht zu vernebeln, um den Glauben an die Machbarkeit der Entwicklung durch Planung nicht zu erschüttern, sondern sie zum Anknüpfungspunkt einer politischen Aufklärung zu machen, die Voraussetzung ist zur Schaffung der erforderlichen Rahmenbedingungen für die dringend notwendige, bewußte Steuerung der gesellschaftlichen und städtischen Entwicklung. Die Notwendigkeit der Steuerung soll durch den „Hinweis auf sozial erforderliche Initiativen und Aktivitäten“ konkretisiert und anschaulich gemacht werden. [72]

Dies hat sehr weitreichende Konsequenzen nicht nur für den Inhalt von Stadtforschung, der damit seinen Schwerpunkt bei der Analyse von Problemfeldern und nicht der Verfeinerung der Planungsmethoden erhält, sondern auch für die praktische Entwicklungsplanung.

An dieser Stelle müßte auf die Ergebnisse der Stadtforschung, die sog. Problemstudien, eingegangen werden. Diese Problemstudien sind jedoch von sehr unterschiedlichem Charakter und müßten deshalb einzeln untersucht werden, was den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen würde. Wie noch in Abschnitt C dieser Arbeit gezeigt wird, fanden die Inhalte dieser Studien auch keinen Eingang in den Stadtentwicklungsplan von 1975. Ihre Wirksamkeit für die Stadtentwicklungspolitik blieb, sofern sie überhaupt veröffentlicht wurden und nicht wie ein Teil von ihnen bis heute in der Schublade liegen, daher sehr begrenzt. [73]

3. Stadtentwicklungsplanung als Mittel zur politischen Bewußtseinsbildung

Der sozialwissenschaftliche Forschungsansatz war von der Erkenntnis getragen, daß die Stadtbewohner durch Veränderungsprozesse ungleich betroffen sind, daß es immer die gleiche Schicht ist, die auf dem Wohnungsmarkt keine angemessene Wohnung finden kann, die besonders auf die viel zu wenigen Sozialeinrichtungen angewiesen sind, für die sich überfüllte Schulklassen und mangelnde Durchlässigkeit des Bildungssystems am schärfsten auswirken. [74]

Die Überzeugung von einer systembedingten ungleichen Betroffenheit der Bürger von Stadtentwicklungsprozessen, seien sie nun durch öffentliche oder private Investitionen bzw. Maßnahmen verursacht, machte „wertfreie“ Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung im Interesse eines sog. „Gemeinwohls“ unmöglich. „Stadtforschende Tätigkeit und Stadtentwicklungsplanung müssen schon im Ausgang ihrer Tätigkeit von einem politischen … Selbstverständnis ausgehen. Ihr Ansatz ist ein kritischer, kein solcher konservierender Art.“ [75]

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a. Betroffenenbeteiligung

Daß dieser kritische Ansatz in der Tendenz die Parteinahme der Stadtentwicklungsplanung für die Interessen der systematisch Unterprivilegierten beinhaltet, geht indirekt aus den Vorstellungen zur Demokratisierung der Planung hervor.

Es wird festgestellt, daß Stadtforschung, Stadtenwicklungs- planung Gefahr laufen könnten, „sich im System der Interessen einseitig auf die artikulationsfähigen, also auf die im herkömmlichen Sinne schon vertretenen – und daher privilegierten – Interessen (Lobby!) zu begrenzen. Will man das aufgrund der gewonnenen sozialen-gesellschaftlichen Erkenntnisse nicht, muß man nicht nur das Verständnis der Verwaltung und Politik, sondern auch das der Bevölkerung – und zwar jeder Gruppe wecken.“ [76] In einer Studie des Stadtentwicklungsreferates über Gerneinwesenarbeit [77] wird auf dieses Problem näher eingegangen. Die Gemeinwesenarbeit soll danach im wesentlichen dazu beitragen, die Artikulationsunfähigkeit der am meisten unterprivilegierten Schichten zu überwinden und zwar durch die „Weckung eines Problembewußtseins bei den Betroffenen durch Aufzeigen der Konsequenzen, Konflikte usf., die spezifische Maßnahmen nach sich ziehen“, „Weckung des Bewußtseins des Betroffenseins“,“Herstellung von Kommunikation zwischen den Betroffenen“,“Provokation, Sicherung der objektiven Möglichkeiten eines Meinungsbildungsprozeßes“, und durch Verunsicherung der Partner in den „autoritär strukturierten Institutionen“, als wichtige Voraussetzung für die Veränderung der eingefahrenen Entscheidungsmuster. [78] Die Aktivierung benachteiligter Interessensgruppen als Bestandteil von Stadtentwicklungspolitik, kommt, angesichts der bestehenden Strukturen, einer indirekten Parteinahme für diese Gruppen sehr nahe.

Die „Bewußtseinsbildung“ soll nicht ein Anhängsel einer technokratischen Planung sein, sondern soll versuchen, gesellschaftliche Probleme „über eine kritische Analyse der gegenwärtigen Situation aufzulösen, indem ein neues, besseres Verständnis der sozialen und politischen Situation das Bewußtsein“ der Handelnden „und damit auch die Bedingungen des Handelns ändert.“ [79] Abreß setzt sich gleichzeitig von einem Planungsverständnis ab, das die Neigung hat, „solche Probleme und Konflikte einfach zu quantifizieren, also als solche von Zahl, Maß und Gewicht zu verstehen und folgerichtig mit rein technokratischen, bürokratischen Mitteln, – wenn Sie so wollen, bei nicht aufgelösten Problemlagen gleichsam in der Wirkung, am Symptom – zu harmonisieren.“ [80]

„Öffentlichkeit des Planungsprozesses“ und „Aktivierung bürgerschaftlicher Teilhabe“, kurz das, was gemeinhin mit „Partizipation“ bezeichnet wird, haben bei der Konzeption der Münchner Stadtentwicklungsplanung ihre Wurzel in einem Planungsverständnis, das in Kenntnis der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und beschränkter Handlungsmöglichkeiten der Kommune nicht auf das „Wursteln unter erschwerten Bedingungen“ [81] orientiert, sondern versucht, im Konflikt zwischen übergeordneten Interessen einerseits und berechtigten Interessen der Stadtbewohner andererseits die Seite der Betroffenen zu vertreten.

Als Ziel der Stadtforschung nennt Neubeck gleichrangig neben der „Bestimmung des Handlungsspielraums der Verwaltung“ die „Unterstützung der Bevölkerungsgruppen mit mangelnden Artikulationschancen ihrer Bedürfnisse.“ [82]

b. Die Klientelbeziehung der Stadtentwicklungsplanung

Offene Planung und direkte Unterstützung bestimmter Bevölkerungsschichten gewinnen noch von einem anderen Gesichtspunkt für die Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung Bedeutung. Die Stadtentwicklungsplanung gerät mit ihren neuen Inhalten und Ansprüchen in Konkurrenz mit den traditionellen Inhalten und Ansprüchen, wie sie von den einzelnen Referaten vertreten werden. Diese Referate haben bei ihrer Politik die Unterstützung bestimmter, meist lokal organisierter Interessensgruppen. [83] Will nun die Stadtentwicklungsplanung neue Inhalte oder gar ein gänzlich neues Verständnis von Planung beim Gemeindeparlament und der übrigen Verwaltung durchsetzen, genügt es nicht, allein mit Sachverstand und wissenschaftlichen Analysen zu argumentieren. Sie braucht eine interessensmäßige Verankerung bei Bevölkerungsgruppen, die nicht schon von anderen Ressorts „vertreten“ werden und gleichzeitig einen bestimmten politischen Druck auszuüben in der Lage sind. Die Stadtentwicklungsplanung muß also eine „Klientelbeziehung“, wie die anderen Ressorts sie mehr oder weniger ausgeprägt haben, neu aufbauen. [84]

Offene Planung, Bürgerbeteiligung und Unterstützung von Bevölkerungsschichten mit mangelnden Artikulationschancen hatten daher zugleich die Funktion, diese Klientelbeziehung aufzubauen. Das Problem dabei war, „die Öffentlichkeit zu einem artikulationsfähigen Partner des Entscheidungsträgers“ zu machen, [85] denn die Stadtentwicklungsplanung wollte sich nicht einseitig auf die „artikulationsfähigen, also auf die im herkömmlichen Sinne schon vertretenen – und daher privilegierten – … Interessen“ stützen. [86] Diese Interessen wurden ohnehin von den übrigen Ressorts „vertreten“. Die unterprivilegierten Interessen bedurften aber einer Organisationsform, die ihre Artikulation erst möglich macht. [87] Zwei solcher Organisationsformen wurden mit der Unterstützung des Stadtentwicklungsreferates geschaffen: der „Verein zur Förderung der Gemeinwesenarbeit e.V.“ (GWA) und das „Münchner Forum für Entwicklungsfragen“. Auf die Aufgabenbestimmung der GWA wurde oben schon eingegangen. [88]

Das Münchner Forum sollte Sprachrohr und Organisationshilfe für „engagierte Bürger“ sein. Die politische Führung von München versprach sich vom Forum zwar, Bürgeraktionen wie die im Zusammenhang mit dem Prinz-Carl-Palais einen geordneten Rahmen zu geben und sie kontrollierbar zu machen. Auf der anderen Seite bot das Forum aber auch die Möglichkeit, Planungsbetroffenen eine Plattform zu sein, auf der sie ihre Forderungen wirksamer vertreten und öffentlich machen konnten. Gerade diese Funktion des Forums wurde vom Stadtentwicklungsreferat besonders gefördert.

Die Klientelbeziehung zu den „unterprivilegierten Interessen“, zu Planungsbetroffenen und im Münchner Forum organisierten Bürgern bedeutete aber nicht, daß sich die Stadtentwicklungsplanung deren Interessen unmittelbar zu eigen gemacht und durchgesetzt hätte, sondern daß sie diese Interessen für die Durchsetzung der Ziele, wie sie vom Stadtentwicklungsressort verfolgt wurden, gegenüber dem Stadtrat und der Verwaltung funktionalisierte, wobei es da auch Interessensgleichheit mit diesen Interessen gab. „Das Plazet eines Bürgerforums, die Akklamation auf einer öffentlichen Versammlung können der Verwaltung ein quasi plebiszitäres Mandat gegenüber Parlament und lokalen Parteiorganisationen verschaffen.“ [89] Abreß sprach in diesem Zusammenhang vom „permanenten Wahlkampf“, den die Stadtentwicklungsplanung provozieren sollte. [90]

Die Darstellung der Funktionalisierung der „Bürgerbeteiligung “ für die Durchsetzung der Ziele der Stadtentwicklungsplanung soll nicht etwa die vermeintlich „heeren“ Ideen von Partizipation relativieren, sondern die objektiven Bedingungen der Etablierung von Stadtentwicklungsplanung und deren Konsequenzen deutlich machen. Es sind gerade die objektiven Notwendigkeiten, die der Partizipation ein solches Gewicht in der öffentlichen Diskussion um Planungsfragen verleiht und nicht irgendwelche „hartnäckigen Ideale“ von Planungsbehörden.

Auch die „laufende Beobachtung, Analyse und Prognose und Diagnose der sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und technologischen Prozesse in Verdichtungsräumen vor dem Hintergrund der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung“ [91] ist „vor allem auf die Erforschung der Bedürfnisse bzw. den Wandel von Bedürfnissen gerichtet.“ [92]

„Unaufgeklärte, weil über mögliche Veränderungen nicht informierte Interessen, latente Bedürfnisse, die Muster der Reaktionen auf geänderte Bedingungen und zukünftige Verhaltensweisen können nur schwer erfaßt werden.“ [93] Hier spielt die „Öffnung der Beteiligungsverfahren“ (Rautenstrauch) eine wichtige Rolle. „Durch frühzeitige Information über die Interessen und über mögliche Reaktionen auf geplante Maßnahmen“ soll „die Effizienz der Planung gesteigert werden.“ [94] In dem objektiven Konflikt zwischen dem Aufbau einer Klientelbeziehung und der Erhöhung der „Effizienz“ von Planung versucht die Münchner Stadtentwicklungsplanung angesichts der Verengung des Handlungsspielraumes, zumindest von ihrer Konzeption her, Öffentlichkeitsarbeit nicht als Mittel zur Durchsetzung „diskriminierender Prioritäten“ (Rautenstrauch) sondern als Mittel zur Bewußtseinsveränderung gerade über die Hintergründe der Verengung des Handlungsspielraumes zu benutzen.

So soll das Ziel der Gemeinwesenarbeit sein, „einmal gegebene Verhältnisse, einen einmal gegebenen äußeren Rahmen und dessen derzeitige Struktur nicht als unabänderlich“ hinzunehmen, sondern auf „Verbesserung dieses größeren Rahmens“ hinzuwirken. „Kritische Gemeinwesenarbeit muß an beide Ebenen adressiert sein: das lokale Problem, den lokalen Gestaltungsprozeß und die übergreifenden gesamtgesellschaftlichen Bedingungen, durch die die lokalen Gegebenheiten und Probleme entscheidend mitbestimmt werden.“ [95]

Die „Thematisierung gesellschaftlicher Machtverhältnisse“ (Siebel) bleibt damit nicht eine mögliche, unbeabsichtigte Konsequenz von Beteiligungsverfahren, wie sie von Siebei angesprochen wird, sondern ist bewußt vorprogrammiert.

Daß die Stadtentwicklungsplanung mit einer solchen Orientierung auf Widerstand stoßen würde, war den Initiatoren bekannt: „Strebt die Stadtforschung und die umsetzende Stadtentwicklungsplanung damit Bewußtseinsbildung und Engagement des Bürgers in den ihn berührenden Dingen an, … geraten sie in Widerspruch (Konflikt) mit dem System und einer system- entsprechenden Haltung in Politik und Verwaltung.“ [96] Die Bedingungen allerdings, die notwendig sind, damit in diesem Konflikt nicht die „systementsprechende Haltung“ obsiegt, wurden nicht genannt.

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4. Zur Organisation der Stadtentwicklungsplanung und Demokratisierung der Planungsverwaltung

Für die Realisierung der oben beschriebenen Konzeption der Münchner Stadtentwicklungsplanung ist die Art der organisatorischen Verankerung von Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung in der kommunalen Verwaltung von nicht unerheblicher Bedeutung.

In der ersten Phase der Münchner Stadtentwicklungsplanung (1968 bis 1973) muß man dabei zwei Organisationsformen unterscheiden:

  • den Planungsstab, angesiedelt bei der politischen Führung (1968 – 70) und
  • das Referat für Stadtforschung und Stadtentwicklung, das parallel zu den übrigen Ressorts fungiert, (ab 1970)

a. Der Planungsstab

Dem besonderen Stellenwert der Stadtforschung entsprechend wurde keine umfassende Organisationsform für die Stadtentwicklungsplanung angestrebt, sondern zunächst nur die Stadtforschung organisatorisch abgesichert. Neben der überörtlichen Forschung an den Universitäten und anderen Institutionen, sollte Stadtforschung innerhalb der Verwaltung auf zwei Ebenen stattfinden. Eine spezielle Abteilung im Referat des Oberbürgermeisters (dem sog. Direktorium) sollte „grundsätzliche und ressortübergreifende Fragen“ untersuchen. [97]

Da die Stadtentwicklung „die gesamte Breite kommunaler Betätigung“ umfasst [98] wurde die „zentrale Stadtforschung“ nicht einem Fachreferat, also einem Referat unter mehreren, ohne die Möglichkeit der Koordination gegenüber den anderen Referaten“ übertragen [99] . Auf der anderen Seite sollten „spezifische Fragestellungen, die in den einzelnen Fachreferaten anfallen, … innerhalb der Referate erforscht werden. Es wäre falsch, diese Funktion von der laufenden Arbeit der Referate zu abstrahieren. [100]

Die Abteilung für die „zentrale Stadtforschung“ gliedert sich ihrerseits in „Fachrichtungen“. „Die Fachrichtung arbeitet im Team, das sich jeweils nach konkreten Aufgaben und gegebenenfalls auch unter Heranziehung fremder Kräfte bildet“ [101]

„Entscheidender Wert wird auf die zahlenmäßig geringe Besetzung des Arbeitsbereiches der Stadtforschung zu legen sein. Allein so ist auch die Beschränkung der Tätigkeit auf Grundsatzfragen dokumentiert und sichergestellt.“ [102]

Ebenfalls auf zentraler Ebene wurde bereits zwei Jahre vor der Abteilung für Stadtforschung das Investitionsplanungs- und Olympiaamt gegründet, das neben den Olympiaangelegenheiten die Koordination kommunalen Handelns auf der Vollzugsebene in Form vierjähriger Investitionsprogramme vornehmen sollte. [103]

Es gab also keine spezielle Organisationsform für die Entwicklungsplanung, die im Planungsprozess zwischen Stadtforschung und Investitionsplanung anzusiedeln ist. Konzeption en der Stadtentwicklung, auf der Grundlage der Stadtforschung und als Voraussetzung der Investitionsplanung, sollten ganz offensichtlich über die selbständige Koordination der Fachplanungen erstellt werden.

In groben Zügen entspricht diese Organisationsform den heute noch gültigen Vorstellungen, wie sie z.B. vom Dt. Städtetag und der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung in ihren Empfehlungen vertreten werden. [104]

b. Das Stadtentwicklungsreferat

Mit der Gründung eines Referates für Stadtforschung und Stadtentwicklung, parallel zu den übrigen Ressorts wurde die ursprüngliche Organisationsform in ihrer spezifischen Struktur (Stabscharakter, Stadtforschung auf zwei Ebenen, kleine Besetzung) völlig verändert.

Entgegen der in der Denkschrift vertretenen Auffassung, „daß die Aufgabe der Stadtforschung nicht einem Fachreferat, also Endstadium ihres Ausbaus zehn Mitarbeiter im höheren Dienst beschäftigen: Einen Verwaltungs- und Rechtsexperten Politologen, Sozialgeographen, Entwicklungsplaner, Nationalökonomen, Systemanalytiker und Wirtschaftsrat, zwei Sozialwissenschaftler und zwei Verwaltungsoberinspektoren einem Referat unter mehreren, … übertragen werden kann“, wurde dies nun doch gemacht.

Als Hauptargumente für die Neuorganisation von Stadtforschung und Stadtentwicklung werden in dem Bericht einer vom Stadtrat beauftragten Kommission genannt, daß „der Referatsstatus … dem Stadtrat in der Person des Referenten neben dem Oberbürgermeister einen eigenen Diskussionspartner“ gibt da „nicht jede Auseinandersetzung über Stadtentwicklungsfragen … sogleich mit dem Oberbürgermeister geführt werden“ muß. „Auch im Verwaltungsbereich (stehe) der Meinungsaustausch zwischen dem Bereich Stadtentwicklung und den übrigen Referaten nicht von vornherein im Zeichen eines Gespräches mit der Verwaltungsspitze.“ [105]

Diese Argumente sind nur vor dem Hintergrund der hierarchischen Verwaltungsstruktur verständlich, die horizontale Kontakte und Kooperation von Ressort zu Ressort bislang nur Uber die Referatsspitze zuließ. Bei der bisherigen Organisationsform der Stadtentwicklungsplanung bedeutete diese Verfahrensweise natürlich eine Überlastung des Oberbürgermeisters als dem Leiter des Direktoriums. Anstatt die überkommenen Verwaltungsregelungen zu durchbrechen, wie das z.B. m vielen anderen Städten mit referatsübergreifenden Arbeitsgruppen praktiziert wurde, wurden sie erhalten und die Stadtforschung entsprechend der „Logik“ der hierarchisch organisierten Verwaltung „aufgewertet“, was nur durch ihre referatsmäßige Organisation möglich war.

Die Stadtforschung und Stadtentwicklung war damit den anderen Referaten zwar gleichgestellt, ihre Koordinationsfunktion, um deren Willen man sie ursprünglich in unmittelbarer Nahe des OB ansiedelte, wurde jedoch untergraben, weil Kontakte und Kooperationsbestrebungen mit anderen Referaten durch die übliche Ressortkonkurrenz behindert wurden und nicht mehr, vermittelt durch die größere Autorität der Verwaltungsspitze, quasi von oben durchgesetzt werden konnten, auch dann, wenn es dem einen oder anderen Referat gerade nicht besonders passte.

Andererseits ist die verwaltungsmäßige Koordination aller Fachplanungen solange Illusion, als sich in den Fachplanungen die unterschiedlichen und meist widersprüchlichen Interessen der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen darstellen, die zunächst im politischen Bereich ausgekämpft werden müßten, bevor eine einheitliche Planung möglich wird.

Es ist gerade die Aufgabe der unterschiedlichen und gegensätzlichen Fachplanungen, widersprüchliche gesellschaftliche Interessen wenigstens vorübergehend zu befriedigen, um die Auseinandersetzungen zwischen den Interessengruppen nicht zum systemgefährdenden Zündstoff werden zu lassen. [106]

Obwohl der illusionäre Charakter des Koordinationsanspruchs der Stadtentwicklungsplanung zur damaligen Zeit sicher nicht bewußt war, bedeutet die neue Organisation der Stadtentwicklungsplanung doch, daß der Realität des über die Verwaltungsressorts ausgetragenen Interessenskampfes Rechnung getragen wurde. Aus diesem Grunde wurde die diskutierte Zusammenfassung des Baureferates und des Investitions- und Olympiaamtes zu einem Stadtentwicklungs- und Baureferat abgelehnt. „Die Durchsichtigkeit der Prozesse und die objektive Chance für alternative Vorschläge“ 58) würde dadurch gemindert. Anders ausgedrückt: Die Interessen sehr unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen würden durch nur ein Referat vertreten, was bedeuten würde, daß sich in der Politik dieses Referates jeweils nur die mächtigeren Interessen durchsetzen, die anderen Interessen noch nicht einmal zur Sprache kommen würden mit der Gefahr, daß die unbefriedigt bleibenden Gruppen zum Motor einer politischen Krise werden könnten. Dieser Aspekt erlangt seine Bedeutung insbesondere dadurch, daß die Stadtentwicklungsplanung sich gerade der nicht in mächtigen Interessensverbänden organisierten Gruppen „wie zum Beispiel Mieter, alte Menschen, Fußgänger, Einkaufende usw.“ annehmen wollte. [107]

Die Berücksichtigung der Probleme der Stadtentwicklung über die normale Vertretung durch den Referenten hinaus war zunächst noch durch Vogels besonderes Interesse an Fragen der Stadtentwicklung, durch die besondere Autorität Vogels in Stadtrat und Verwaltung und nicht zuletzt durch die enge Beziehung zwischen Vogel und Abreß [108] immer dann möglich, wenn Vogel selbst sich für ein besonderes Problem engagierte.

Die Referatsgründung hatte aber auch eine personalpolitische Komponente. Die Vergrößerung des Einflusses von Abreß innerhalb der Verwaltung und eine damit einhergehende Höhergruppierung war ohne die Neugründung eines Referates zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich. Grauhan/Linder sehen bei der Referatsgründung einen Zusammenhang zu Vogels möglichem Übertritt in die Landespolitik, „so daß es für ihn (Vogel, d. Verf.) darum ging, für die Zeit nach Ablauf seiner Amtsperiode 1972 vorzusorgen, das heißt, das bisherige noch an die Olympiavorbereitungen geknüpfte Stabsamt auf eigene organisatorische Füße zu stellen.“ [109]

Die referatsmäßige Organisation von Stadtforschung und Stadtentwicklung hatte zur Folge, daß auch die Konzeption einer geringen Besetzung aufgegeben wurde, auf die zuvor noch „entscheidender Wert“ gelegt wurde. Dort, wo bisher vorübergehende Teams unter „Herbeiziehung fremder Kräfte“ [110] arbeiteten, entstanden Abteilungen eines Referates, die jeweils einen festen Mitarbeiterstamm beschäftigten. An Stelle der zehn Mitarbeiter im höheren Dienst war es bald die drei- und vierfache Anzahl. Damit wurde die Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung nicht nur zu einem „teuren Unternehmen“, sondern die Größe des Apparates bewirkte zudem eine tendenzielle Verselbständigung der verschiedenen Teams, der zunächst zwar durch regelmäßige Teamleiterbesprechungen versucht wurde entgegenzuwirken, sie im Endeffekt jedoch nicht verhindern konnte. Die Überschaubarkeit der Arbeit durch jeden Mitarbeiter, ein dichtes informelles Kommunikationsnetz, die Möglichkeit von ad-hoc-Besprechungen und die damit einhergehende „natürliche“ Koordination der verschiedenen Projekte mußten in einem Apparat mit ca. siebzig Leuten (Anfang 1973) auf die Dauer verlorengehen. Durch die in den Anfangsjahren des Referates parallel laufenden Vorbereitungsarbeiten für die Olympischen Spiele konzentrierte sich zudem die organisierte Koordination innerhalb des Referates im wesentlichen auf die „olympiabedeutsamen“ Tätigkeiten, während Grundlagenforschung zu allgemeinen Problemen der Stadtentwicklung ein nahezu isoliertes „Eigenleben“ führten.

c. Demokratisierung der Planungsverwaltung

Ungeachtet der oben beschriebenen organisatorischen Veränderungen beinhaltete das „Münchner Modell“ ein Konzept zur Demokratisierung der Planungsverwaltung, zumindest soweit es die für Stadtforschung und die Stadtentwicklungsplanung zuständigen Verwaltungseinheiten betraf. Ausgehend von der Analyse Grauhans, daß bei der kommunalen Entwicklungsplanung „die eigentlichen politischen Wertentscheidungen, die ein Wählen unter alternativen Handlungszielen erfordern, in der Ebene der „Ausführung“ von Planungsgrundsätzen auftauchen …“ [111] kommt die Münchner Stadtentwicklungsplanung zu dem Schluß, daß die Verwaltung „damit Politik im Sinne politischer Konfliktentscheidung“ betreibt und „überall dort, wo sie Ziele erst zu finden hat, zur politischen Verwaltung“ wird. [112] Das bedeutet aber, daß „der für die Eingriffs- und Dienstleistungsverwaltung, für die echte und reine Vollzugsverwaltung so effiziente und effektive Verwaltungsaufbau hierarchischer Art … im Bereich des Zielfindungsverfahrens, also der Planungs- und damit der politischen Verwaltung nicht mehr“ trägt. [113] „Sind der Verwaltung legitime unabweisbare Planungsaufgaben politischen Charakters zugeordnet, so muß der Funktionswandel auch einen Strukturwandel der Verwaltung soweit sie plant und nur insoweit wollen meine Ausführungen verstanden werden – zur Folge haben.“ [114]

Der Strukturwandel soll sich an dem Prinzip der „offenen Verwaltung“ orientieren. Das bedeutet, daß die Verwaltung bereit ist, „die Öffentlichkeit zunächst voll und umfassend zu informieren. Das setzt den Willen zur Information (und) zwar in verständlicher Weise und Sprache voraus, eine Informationstätigkeit, die mit der public-relations-Arbeit eines Press- und Informationsamtes nicht vergleichbar ist.“ [115]

In der Geschäftsordnung des Stadtentwicklungsreferats vom 4.6.1970 heißt es unter dem Stichwort „Informationsarbeit“: „Die Arbeit des Referats zeichnet sich durch weitestgehende Öffnung aus. Es obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen der Beteiligten, erforderlichenfalls die Referatsleitung über besondere Vorgänge zu unterrichten.“ „Der … Planungsprozess sollte zu einer Zusammenarbeit, also zu einer planungsbezogenen aktiveren und aufeinander bezogenen Handlungsweise von Öffentlichkeit und Verwaltung führen.“ [116] Die Möglichkeiten von Gemeindeverfassung und Geschäftsordnung des Stadtrates sollten zur besseren Kommunikation zwischen Verwaltung und Stadtrat ausgeschöpft werden.

Die Öffnung der Verwaltung nach außen erforderte aber auch Veränderungen in ihrer internen Funktionsweise. Hier sollte vor allem erreicht werden, »daß sich die hierarchische Führungsstruktur … auf dem Gebiet der Planungsverwaltung, und zwar hier in der Vorbereitungs- und Entscheidungsphase, in sog. Teamarbeit wandelt. Der Chef ist hier nicht mehr als. Teamleiter, der die erarbeiteten Informationsalternativen, auch die von ihm nicht gebilligten (!), der politischen Entscheidung zuzuführen hat.“ [117] ) Ziel dieses Verfahrens war die „Schaffung von Initiativzentren in allen Ressortbereichen, von denen Programmanstöße ausgehen“ und die „Institutionalisierung von Auseinandersetzungsprozessen auf dem Gebiet der planenden Verwaltung selbst.“ [118] Auch hier sind indirekt die „Klientelbeziehungen“ der einzelnen Ressorts angesprochen, die dazu führen, daß „mit der Entfaltung neuer Bedarfs- und Fachplanungen die Konflikte zwischen gesellschaftlichen Interessen auf der Ebene kommunaler Verwaltung organisiert werden“ [119] die durch eine „offene“ Verwaltung“ sichtbar gemacht und in „ausgewogenen Alternativen“ [120] zum Ausdruck gebracht werden sollen. [121]

Die „Auseinandersetzungsprozesse“ fanden in München hauptsächlich zwischen Stadtentwicklungs- und Baureferat statt. Die „Ausgewogenheit“ der Alternativen war deshalb nicht nur durch die unterschiedliche Stärke der durch diese beiden Referate vertretenen Klientel (z.B. Investoren bzw. Hausbesitzer gegen Mieter im Lehelkonflikt) beeinträchtigt, sondern auch dadurch, daß das Baureferat (z.B. im Bereich der Verkehrs- und Flächennutzungsplanung), obwohl formal der Anleitung durch die Stadtentwicklungsplanung unterliegend, faktisch in seiner Funktion als „Ausführorgan“ am „längeren Hebel“ saß. [122]

Als entscheidende Schwäche der Konzeption der „offenen Verwaltung“ stellte sich heraus, daß sie faktisch auf das Stadtentwicklungsreferat beschränkt blieb, da auf der einen Seite die unangefochtene Ressortkonkurrenz jeglicher Öffnung des Verwaltungshandelns bei den übrigen Referaten entgegenwirkte und auf der anderen Seite die planenden Teile der übrigen Ressorts, für die allein die Öffnung gedacht war, viel zu unterentwickelt blieben, als daß sie gegen die „Vollzugsabteilungen“ im eigenen Referat eine neue Verwaltungskonzeption hätten durchsetzen können.

Der Versuch, mit einer „Arbeitsgruppe der Planungsbeauftragten“ eine ressortübergreifende Institution zu schaffen, konnte sich nicht auf Dauer durchsetzen, da er vorwiegend mit Leuten besetzt war, die in ihren eigenen Ressorts keine besondere Durchsetzungskraft hatten. Im übrigen wurde diese Arbeitsgruppe von Anfang an vom Baureferat boykottiert, was dann schließlich auch zum Erfolg führte, als der neue OB Kronawitter nicht mehr die Autorität und die Kraft hatte, die einzelnen Ressorts politisch anzuleiten. Seit Anfang 1973 ist die AGP aufgelöst. Eine alle Aufgabenbereiche umfassende Kommunikation und Kooperation zwischen den Referaten kam dadurch nicht zustande. Auch die Isolation der Stadtentwicklungsplanung von den übrigen Teilen der Verwaltung konnte nicht abgebaut werden. Die inhaltliche und strukturelle Abkehr von der ursprünglichen Konzeption des „Münchner Modells“ Anfang der siebziger Jahre wurde durch diesen Umstand erleichtert.

Die weitgehende Realisierung der Konzeption der „offenen Verwaltung“ im Bereich des Stadtentwicklungsreferats hatte aber immerhin dazu geführt, daß dort ein kollegiales Arbeitsklima entstand, ohne das weder-die sozialpolitisch orientierte Konzeption des „Münchner Modells“, noch die weit über München hinaus bekannt gewordenen Forschungsarbeiten zustandegekommen wären.

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III. Die praktische Stadtentwicklungsplanung der ersten Phase [123]

Im Vergleich zu der sehr weitgehenden und detailliert angelegten Konzeption der Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung gibt es in der Zeit von 1968 bis 1973 nur wenige Bereiche, in denen die Stadtentwicklungsplanung über die Ausarbeitung von Problemstudien hinaus direkt auf die Planungspraxis der Stadt München Einfluß nahm. An dieser Stelle sollen vier Planungsfälle, bei denen das Stadtentwicklungsreferat eine größere Rolle spielte, dahingehend untersucht werden, inwieweit das „Münchner Modell“ auch in die Praxis umgesetzt wurde.

1. Die Investitionsplanung

Die Investitionsplanung hat ihren Ausgangspunkt bereits im 63-Plan. Hier war eine mehrjährige Investitionsplanung zur finanziellen Absicherung des Stadtentwicklungsplanes vorgesehen.

Die Langfristigkeit des im Plan vorgesehenen U-Bahnbaus spielte dabei eine wichtige Rolle. Tatsächlich fällt die Etablierung der Investitionsplanung und ihre organisatorische Absicherung im Jahre 1965 mit dem Beginn des U-Bahnbaus zusammen. Die Übernahme der Olympischen Spiele durch die Stadt München erforderte darüberhinaus einen genau geplanten Ablauf aller Baumaßnahmen. Dazu gehörten nicht nur die Sportstätten, sondern auch die ganze noch zu erstellende Infrastruktur für die Spiele, insbesondere der U- und S- Bahn- und Straßenbau.

Diese Umstände führten dazu, daß München im Jahre 1966 als erste Kommune der BRD ein mittelfristiges Finanz- und Investitionsprogramm verabschiedete. Das ursprüngliche Ansinnen, mit dem Investitionsprogramm die Ziele des 63-Plans zu verwirklichen, wurde nicht nur durch die stark verringerte Investitionsrate, sondern vor allem durch die Notwendigkeit, „alle Kräfte“ auf die Vorbereitung der olympischen Spiele zu konzentrieren, weitgehend relativiert, wenn auch ein Teil der Vorbereitungen in der Realisierung bestimmter Ziele des Stadtentwicklungsplans bestand.

Als sich die „Stadtentwicklungsplanung im eigentlichen Sinne“ gegen Ende der sechziger Jahre herausbildete, hatte die Investitionsplanung schon „Geschichte“ und es bestand die Chance, dieses Instrument von Anfang an für die Verwirklichung der sich aus der Stadtforschung ergebenden, in vielen Fällen gegenüber dem 63-Plan veränderten, Zielen zu verwenden.

Nun bestand jedoch fein Schwerpunkt der Arbeit der Stadtentwicklungsplanung zunächst in der ausführlichen Erarbeitung von Grundlagenmaterial in Form von Problemstudien, wie sie im oben beschriebenen Forschungsprogramm konzipiert sind.

Die Stadtentwicklungsplanung stand in dem Dilemma, auf der einen Seite die Ziele des 63-Plans aufgrund der zwischenzeitlichen Erfahrungen nicht mehr pauschal zur Grundlage mittelfristiger Investitionsplanung machen zu können, und auf der anderen Seite noch keine neuen Ziele an die Stelle der alten setzen zu können. Eine sinnvolle Instrumentierung der Investitionsplanung für die Stadtentwicklungsplanung setzt ein voll entwickeltes „Zielsystem“ und nicht nur Ziele für einzelne Problembereiche voraus, da die Prioritätenbestimmung nur in Kenntnis der Dringlichkeit und des Umfanges aller anstehender Planungsprobleme und ihrer Gewichtung möglich ist.

Die Stadtforschung orientierte, wie oben geschildert, zunächst nicht auf die Erarbeitung eines „Gesamtmodells“ der Stadt, das eine solche Gewichtung der Probleme und auch ihrer Interdependenzen darstellen sollte, sondern auf eine möglichst gründliche Erforschung der Entstehungsbedingungen und des Ausmaßes von einzelnen Problemfeldern.

Das Ergebnis war, daß Stadtforschung und Investitionsplanung im Prinzip nebeneinander herliefen, die Investitionsplanung also nicht integraler Bestandteil der Stadtentwicklungsplanung war. Die Prioritätensetzung für die Investitionen erfolgte in der traditionellen Form über die Ressortkonkurrenz und unterschied sich damit kaum von den bisherigen Beratungen über den jährlichen Haushalt. Prioritätensetzung über Ressortkonkurrenz bedeutete jedoch auch, daß die Stadtentwicklungsplanung als eigenes Ressort (ab 1970) in dem Maße ihrer politischen Durchsetzungsfähigkeit und entsprechend den vorläufigen Ergebnissen der Stadtforschung auf die Investitionsplanung Einfluß nehmen und so bei bestimmten Prioritätenverschiebungen mitwirken konnte. (z.B. Verschiebung der Investitionsprioritäten vom Straßen- a den Schulbau [124]

Beurteilt man dieses Verfahren nach den Maßstäben der heute aktuellen Diskussion um Investitionsplanung, so müßte man die fehlende Integration von Investitionsplanung und Stadtentwicklungsplanung negativ beurteilen. Doch der Anspruch nach einer vollständigen Integration von Investitionsplanung und Stadtentwicklungsplanung setzt ein technokratisches Verständnis von Stadtentwicklungsplanung, das mit dem politischen Konzept des „Münchner Modells“ nicht vereinbar ist, oder aber gesellschaftliche Bedingungen der Planung voraus, wie sie eine Gesellschaftsordnung, die durch antagonistische Interessen geprägt ist, nicht zuläßt.

Der Angelpunkt der Verknüpfung von Stadtentwicklungsplanung und Investitionsplanung ist das „Zielsystem“. Das Zielsystem, sektoral und räumlich gegliedert, soll in sich widerspruchsfrei sein und mit seiner Zielgewichtung das Raster für die Prioritätensetzung bei der Investitionsplanung abgeben. [125]

Ist das Zielsystem erst einmal aufgestellt, ist die Aufstellung eines Investitionsprogramms nur noch „Vollzugsarbeit“ deren methodische Probleme allein in der gegenseitigen Abhängigkeit von Investitionen, der Koordination der zur Verfügung stehenden Mittel und der Folgekostenberechnung liegen.

Der wunde Punkt liegt jedoch in dem widerspruchsfreien Zielsystem, das impliziert, daß sich gesellschaftliche Interesse] ohne Widersprüche koordinieren lassen. Nun liegen aber die entscheidenden Determinanten einer umfassenden Planung in unterschiedlichen und sich oft widersprechenden gesellschaftlichen Interessen, wie sie über die konkurrierenden Ressorts auf Verwaltungsebene vermittelt werden. Das „Münchner Modell“ geht von diesen unterschiedlichen Interessen aus und strebt deshalb auch kein in sich konsistentes Zielsystem an.

Eine Integration von Investitionsplanung und Stadtentwicklungsplanung, wie sie sich z.B. in den Empfehlungen des Deutschen Instituts für Urbanistik niederschlägt, wird der Münchner Konzeption deshalb nicht gerecht. Auf der anderen Seite wurde die Investitionsplanung in ihrer Bedeutung für die Stadtentwicklungsplanung durchaus unterschätzt und vernachlässigt. So findet sich in den programmatischen Äußerungen der Stadtentwicklungsplanung fast gar nichts zur mittelfristigen Investitionsplanung und deren Nutzbarmachung für die Ziele der Stadtentwicklungsplanung. Obwohl nicht verkannt wurde, „daß die Ernsthaftigkeit der Forderungen an Dritte um so nachdrücklicher und existenzieller sein wird, je konsequenter die im eigenen Raum möglichen Maßnahmen und Einflußmöglichkeiten wahrgenommen werden“ [126] , beschränkte sich das Stadtentwicklungsreferat auf „spontane“ Einsprüche gegen bestimmte Anmeldungen anderer Referate oder auf die Kritik an den Berechnungsgrundlagen für diese Anforderungen. (So wurden z.B. die Bevölkerungs- und Schülerprognosen des Schulreferates, auf die sich die Bedarfsberechnungen für Schulen und Kindergärten gründeten, in Frage gestellt und z.T. auch mit Erfolg korrigiert.)

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2. Zur Wachstumsdiskussion

Die Analyse des „Gesamtzusammenhangs“ städtischer Entwicklungsprozesse bzw. die Untersuchung der Ursachen und Entwicklungstendenzen der aktuellsten Probleme der Stadtplanung führten zu dem Ergebnis, daß praktisch alle Probleme in einem ursächlichen Zusammenhang, direkt oder indirekt, mit dem wirtschaftlichen Wachstum in seiner dem Kapitalismus eigenen Strukturform steht. Zwar gab es neben dem Wirtschaftswachstum noch andere Ursachen für Wohnungsnot, Verkehrschaos und die Verdrängung von Mietern aus der Innenstadt, doch der Motor für all diese Entwicklungen wurde in dem in München besonders schnellen Wirtschaftswachstum gesehen.

War nun die Stadtplanung (Stadtentwicklungsplan 63) zunächst darauf orientiert, die Rahmenbedingungen für ein weiterhin schnelles Wirtschaftswachstum möglichst ökonomisch durch koordinierte Planung bereitzustellen, so stellte sich doch bald heraus, daß der Wettlauf zwischen kommunaler Infrastruktur und privatwirtschaftlichem Wachstum angesichts der geringen und relativ immer weniger werdenden Haushaltsmittel von der Stadt nicht zu gewinnen war. [127]


Entwicklung der Beschäftigtenstruktur in München 1961-1970

Anteil in %
Abteilung 1961 1970
1 Landwirtschaft, Energiewirtschaft, Wasserversorgung, Bergbau 1,1 0,8
2 Verarbeitendes Gewerbe 33.7 34,9
3 Baugewerbe 8,9 9,2
4 Handel 17,8 14,7
5 Verkehr und Nachrichtenübermittlung 8,6 7,1
6 Kreditinstitute und Versicherungsgewerbe 4,5 5,7
7 sonstige Dienstleistungen 13,6 13,9
8 Organisationen ohne Erwerbscharakter 2 2,2
9 Gebietskörperschaften und Sozialversicherung 9,8 11,3

Quelle: Arbeitsstätten- und Volkszählungen 1961 und 1970

Die Beschäftigtenstruktur Münchens wies zwischen 1961 und 1970 eine für vergleichbare großstädte atypische Entwicklung auf. Während die Anteil von Bau und verarbeitendem Gewerbe noch anwuchsen, ging der Anteil des Handels deutlich zurück und stagniert der Anteil der sonstien Dienstleistungen. Parallel zur bundesdeutschen Entwicklung verlief hingegen die Vergrößerung der Anteile von Gebietskörperschften und Sozialversicherung, Organisationen ohne Erwerbscharakter sowie Kreditinstiuten und Versicherungsgewerbe.

Quelle: Arbeitsstätten- und Volkszählungen 1961 und 1970

Beschäftigtenentwicklung im Raum München 1961 – 1970

1961 1970 Diff.
Stadt München 656 483 729 979 73 496
LKr. München 36 567 64 195 27 628
LKr. Erding 28 830 28 736     – 94
LKr. Ebersberg 19 392 20 713 1 321
LKr. Starnberg 25 609 29 396 3 787
LKr. Landsberg/Lech 15 346 14 802  – 544
Stadt Landsberg/Lech 6 437 7 155   718
LKr. Fürstenfeldbruck 22 778 27 762 4 984
LKr. Dachau 24 547 24 692   145
LKr. Freising 21 250 24 174 2 924
Stadt Freising 11 009 12 158 11 149

Quelle: Arbeitsstätten- und Volkszählungen 1961 und 1970

Insgesamt hat die Zahl der Arbeitsplätze im Raum München um 157 071 zugenommen (11,1%). Davon entfallen 53 % auf die Umland Kreise, die insgesamt ein überproportionales Wachstum verzeichneten. Besonder deutlich wr diese Entwicklung im Landkreis München, wo sich die Zahl der Arbeitsplätze zwischen 1961 und 1970 um 75,6 % erhöht hat.



Die Bevölkerung nach Geburtsjahr und Geschlecht 1973

Wie weit die Kommunen der BRD in diesem Wettlauf zurückgeblieben waren, brachte der Städtetag auf seiner Tagung im Jahre 1971 nicht zuletzt durch eine eindringliche Rede des Münchner OB Vogels deutlich zum Ausdruck. [128] Doch neben der (schon alten) Forderung nach mehr Mitteln für die Kommunen, kam man in München zu der Auffassung, daß das Mißverhältnis zwischen den Anforderungen nach kommunalen Einrichtungen, Diensten und deren möglichen Befriedigung nicht allein über die Erhöhung der Haushaltsmittel zu lösen ist.

Zwei Einsichten spielten hier eine Rolle:

−      Der verstärkte Infrastrukturausbau dient nicht nur der Befriedigung der durch das Wirtschaftswachstum verursachten Nachfrage, sondern vergrößert gleichzeitig durch seine produktionsfördernde Wirkung wiederum das Wirtschaftswachstum und beschleunigt den Teufelskreis.

−      Eine ganze Reihe von „Folgeproblemen“ werden als reine Unkosten von der privaten Wirtschaft auf die Kommune abgewältzt, ohne daß damit irgendein positiver Effekt erzielt würde. Neue Wohnsiedlungen und Schulen dienen den Menschen einer Stadt zur Unterbringung und Bildung, doch Umweltschutzmaßnahmen oder aufwendige Verkehrsinfrastrukturen infolge einer Siedlungsstruktur, die aus der gewerblichen Ansiedlungsfreiheit und dem „freien Bodenmarkt“ resultiert, haben dagegen insofern keinen positiven Effekt für die Stadtbewohner, als sie nur den privatwirtschaftlich verursachten Schaden wiedergutmachen.

Aus den Äußerungen des Stadtentwicklungsreferats geht hervor, [129] daß über eine langfristige und koordinierte Planung aller kommunalen Aufgaben hinaus ein gesellschaftlicher Bereich gesteuert werden sollte, der der staatlichen und besonders der kommunalen Planung bislang entzogen war, nämlich der Bereich der privaten Produktion.

Zwar gab es schon immer, vor allem nach dem 2. Weltkrieg eine Industrieförderungspolitik der Gemeinden, die mit der Bereitstellung von Gewerbeflächen auf eine Sicherung der Steuereinnahmen orientiert war. Doch eine Steuerung des Wirtschaftswachstums über seine kleinräumige Verteilung hinaus nach Umfang und Struktur, stellt, wird sie in ihrem Anspruch ernstgenommen, einen erheblichen Eingriff in die „freie Unternehmerentscheidung“ dar. Anders ausgedrückt: Sollen die Probleme der Stadtentwicklung an ihren Ursachen angegangen werden, müssen die Prinzipien der „freien Marktwirtschaft“ in Frage gestellt werden.

Das Dilemma der Kommunen besteht darin, daß ihr jegliches Instrumentarium für eine auf die Steuerung des Wirtschaftswachstums gerichtete Politik fehlt. Sie ist gezwungen, durch indirekte Planung Einfluß auf private Investitionsentscheidungen zu nehmen.

Am Beispiel der Entlastungsstadt Freiham soll auf einen Versuch indirekter Wachstumssteuerung durch die Stadt näher eingegangen werden.

Neben Schleißheim und Perlach sah der Stadtentwicklungsplan 63 Freiham als dritte Entlastungsstadt am westlichen Stadtrand vor. Schleißheim scheiterte schon Mitte der sechziger Jahre an den erfolglosen Verhandlungen mit den damaligen Nutzern dieses Geländes. In Perlach wurde die Neue Heimat als Maßnahmenträger mit dem Grunderwerb, der Erschließung und der Planungskoordination beauftragt. Nach dem Scheitern der Verhandlungen über Schleißheim konzentrierten sich alle Anstrengungen auf Perlach, das im Endausbau eine Größe von 80 000 Einwohnern haben sollte.

Fast zur gleichen Zeit ging die Stadt auch daran, die Vorbereitungen für die Entlastungsstadt Freiham zu treffen. Hier verfolgte die Stadt allerdings eine andere Konzeption.

Im Gegensatz zu Perlach sollten in Freiham noch nicht sofort die Baumaßnahmen beginnen. Andererseits wollte die Stadt aber eine spekulative Bebauung durch private Bauträger verhindern und sich für später die Verfügung über das entsprechende Gelände sichern. Vogel schreibt dazu, „daß ein privater Erwerber auf die Stadt einen ständig wachsenden Druck mit dem Ziel ausüben würde, ihm die abschnittweise Bebauung zu erlauben. Damit würde sich das Wachstum der Stadt weiter beschleunigen“. [130] Als Verkaufsabsichten des bisherigen Eigentümers bekannt wurden, bildete die Stadt einen Zweckverband unter Beteiligung von Stadt, öffentlichen Körperschaften, gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften, Banken und Versicherungen, um den Ankauf des fraglichen Geländes finanzieren zu können. Das besondere an diesem Vorgehen ist nicht nur die Konstruktion des Zweckverbandes, (die der Stadt heute übrigens große Probleme bereitet) [131] sondern vor allem das Ziel, durch einen Grundstückskauf seitens eines städtisch beeinflußten Verbandes das weitere Bevölkerungswachstum (und damit indirekt das Wirtschaftswachstum) zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verlangsamen. „Jedenfalls hat sich die Stadt auf die Entwicklung von Freiham einen entscheidenden Einfluß gesichert und kann dieses Projekt zu dem Zeitpunkt in Angriff nehmen, zu dem die allgemeine Stadtentwicklung das sinnvoll erscheinen läßt.“ [132]

Stadtentwicklungsplanung soll nach diesem Verständnis nicht allein dafür sorgen, das naturwüchsige von der kommunalen Planung unbeeinflußte Wachstum zu ermöglichen, sondern das Wachstum soll an die Möglichkeiten der Stadtentwicklung angepaßt werden. Die Möglichkeiten der Stadtentwicklung bestimmen sich dabei im wesentlichen nach den Investitionsmöglichkeiten der Kommune im Bereich des Infrastrukturausbaus. [133] Nun war die Stadt in ihrer Entscheidung, wann sie das Projekt Freiham in Angriff nimmt, nicht so frei, wie es Vogel darstellt, denn die am Zweckverband beteiligten Gesellschaften drängten auf eine baldige Verwertung ihres eingesetzten Kapitals. Sie konnten zwar gegen den Willen der Stadt keine Bebauung beschließen, doch die Drohung mit Schadenersatzforderungen hatten indirekt den gleichen Effekt.

Auf diesen Druck reagierte die Stadtentwicklungsplanung mit dem Nachweis, daß die „allgemeine Stadtentwicklung“ eine Bebauung zum damaligen Zeitpunkt nicht als sinnvoll erscheinen läßt: Es wurden die Kosten berechnet die auf die Stadt in Form von Erschließungsaufwendungen und Baukosten für öffentliche Versorgungseinrichtungen zukommen würden. In Perlach waren in der Zwischenzeit ausreichende Erfahrungen gesammelt worden, um eine solche Berechnung anzustellen. Das Ergebnis war, daß die Stadt ca. 4 Milliarden DM hätte aufwenden müssen. Eine solche Summe lag aber weit außerhalb selbst der langfristigen finanziellen Möglichkeiten der Stadt.

Mit diesem anschaulichen Argument konnte eine Entscheidung zugunsten der Bebauung Freihams sogar gegen den anfänglichen Widerstand des Leiters des Stadtentwicklungsreferat , der als städt. Vertreter des Zweckverbandes Banken und Versicherungen ursprünglich mit viel Überredungskünsten und Verhandlungsgeschick in den Verband lotste und ihnen dadurch jetzt „verpflichtet“ war, verhindert werden. Es ist dies einer der wenigen Fälle gewesen, in denen aufgrund von wissenschaftlichen Analysen bestimmter Planungszusammenhänge eine Entscheidung gegen die Interessen mächtiger Gruppen gefällt wurde.

Es ist natürlich schwer einzuschätzen, welchen Effekt diese Entscheidung wirklich auf das Wachstum Münchens hatte. Wahrscheinlich wurde der Verzicht auf eine schlecht ausgestattete Siedlung des sozialen Wohnungsbaus mit einer Verknappung des Angebots an preiswerten Mietwohnungen, einem allgemeinen Mietanstieg, einer Verlagerung des Wohnungsbaus ins Umland und einer verstärkten Umstrukturierung der Stadtgebiete mit hohen Baurechtsreserven erkauft. Solange Stadtentwicklungspolitik keinen direkten Einfluß auf die Entwicklung der Arbeitsplätze, als dem Motor städtischen Wachstums, hat, sind alle Maßnahmen zur Wachstumsbeschränkung notwendigerweise gezwungen, „Löcher aufzureißen, um andere zu stopfen“. [134]

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3. „Offene Planung Lehel“

Im Lehelkonflikt spiegeln sich brennpunktartig die verschiedenen Phasen der Münchner Stadtentwicklungsplanung wieder. Er war nicht nur Anlaß für die Etablierung einer eigenen Verwaltungseinheit für die Stadtentwicklungsplanung [135] und Erfahrungshintergrund für die sozialpolitische Konzeption des „Münchner Modells“, sondern in seinem weiteren Verlauf auch praktische „Bewährungsprobe“ für den hochgesteckten Planungsanspruch.

Bei den Auseinandersetzungen um das Lehel muß man zwei Phasen unterscheiden:

In der ersten, in den Jahren 1966/67 ging es um die Auseinandersetzungen über die Zerstörung des „Königlichen Münchens“ durch die Planungen im Zusammenhang mit dem Altstadtring. Zum ersten Mal geriet hierbei die Stadtplanung in’s Schußfeld öffentlicher Kritik. Doch die Öffentlichkeit hatte noch eine sehr einseitige Struktur. Es handelte sich im Wesentlichen um Architekten, Intellektuelle und „traditionelle“ Münchner Familien, die sich um die Originalität und Attraktivität Münchens Sorgen machten. [136] Die Mieter in den benachbarten Wohnvierteln, durch den Abriß hunderter von Wohnungen direkt oder indirekt betroffen, rührten sich zu dieser Zeit noch nicht. Die öffentliche Verwaltung und der Stadtrat wurden relativ stark verunsichert und mußten ihre Planungsmaßnahmen zum ersten Mal in der Öffentlichkeit rechtfertigen. Die Stadträte waren unvorbereitet mit einem spontanen Protest konfrontiert, der wegen seiner relativen Breite (vermittelt durch die Presse) nicht einfach zu übergehen war.

Bürgerbeteiligung, von der Stadt initiiert

Die zweite Phase, ab 1970, unterschied sich in diesem Punkt erheblich von der ersten. Eine Chronik der Ereignisse [137] der sog. „Offenen Planung Altstadtring Nord-Ost und Lehel“ belegt, daß bereits ein Jahr, bevor Bürger aus dem Lehel sich zu Wort meldeten, auf Seiten der Stadt Vorbereitungen getroffen wurden, bei der weiteren Planung im Lehel die Öffentlichkeit möglichst rechtzeitig einzuschalten. [138]

Zwei Tage nach dem formellen Beschluß des Stadtrates, die Bevölkerung an der Planung zu beteiligen (Stadtratsbeschluß vom 4.3.1970), nimmt die Mieterbewegung ihren Anfang mit einem Flugblatt der Leheler SPD, der Partei also, die im Stadtrat die Planungspolitik zu verantworten hat. Drei Monate später erreichten die Aktionen mit Versammlungen, der Eröffnung eines Informations- und Diskussionszeltes der Stadt und einer von der DKP initiierten Demonstration mit etwa 400 Mietern einen sichtbaren Höhepunkt.

Im Vergleich zur ersten macht die zweite Phase geradezu einen geplanten Eindruck. Die Stadt, aus den Erfahrungen von 1966 klüger geworden, versuchte von vornherein die Öffentlichkeit miteinzubeziehen. Protestaktionen und Kritik der Lehelbewohner sollten dadurch in Kontrolle gehalten werden. Das Münchner Forum wurde als „Vermittler“ zur Öffentlichkeit eingeschaltet. Die verwaltungsinternen Reibungen wurden über eine „Projektgruppe“ zu eliminieren versucht. [139]

Im Vergleich zur ersten Phase ging es dieses Mal um Entscheidungen, die sich in einem relativ engen Planungsspielraum seitens der Stadt bewegten. Die zentrale Frage der zukünftigen Nutzung des Lehels lag im wesentlichen außerhalb der Planungsmöglichkeiten der Stadt, da das bestehende Baurecht und vorangegangene Planungen die weitere Entwicklung sehr stark determinierten. Letztlich ging es nur um ein mehr oder weniger an „Sozialhygiene“ und „Stadtbildpflege“, um die mehr oder weniger erfolgreiche Verlangsamung eines kaum steuerbaren Verdrängungsprozesses, dem die Mieter auf alle Fälle ausgesetzt waren. [140]

Der Stadt ging es nicht wie bei der Altstadtringplanung um die Durchsetzung einer eigenen, von ihr bestimmten Planung, die, eingebunden in ein größeres Verkehrskonzept, für sie von besonderer „Dringlichkeit“ war, sondern um Planungsentscheidungen, bei denen eine öffentliche Diskussion nicht viel verändern oder behindern konnte.

Der Spielraum für die offene Planung konnte daher „gefahrlos“ relativ groß gehalten werden.

b. Die Strategie des „politischen Transfers“

Der Stadt ging es bei der offenen Planung vor allem darum, die Unruhe in der Bürgerschaft, die sich im Lehel breit machte [141] und auch in den übrigen Innenstadtrandgebieten zu erwarten war, auf die überkommunale Ebene zu lenken. Das war jedoch ein zwiespältiges Unterfangen: Einerseits lagen die Barrieren für eine menschenfreundliche Entwicklung im Lehel tatsächlich im „freien Wohnungsmarkt“, im „geltenden Bodenrecht“ und der „freien Marktwirtschaft“ ganz allgemein begründet, wie es in der o.g. Broschüre des Baureferates heißt. [142]  Andererseits sollte aber die Stadt selbst aus dem Schußfeld der Kritik herausgehalten werden. [143]

Die in der Konzeption der Münchner Stadtentwicklungsplanung angelegte Strategie, durch einen offenen Planungsprozess „über den Ruf nach einer Reform der Binnenstruktur der staatlichen Verwaltung hinaus gesellschaftliche Machtverhältnisse“ zu thematisieren [144] und dazu beizutragen, daß der politische Druck zur Veränderung der Rahmenbedingungen kommunaler Planung organisiert wird, hat so auch die Funktion, die Lehelbewohner von einer Kritik an der städtischen Politik abzulenken.

In der Broschüre „Öffentliche Planung Lehel“ wird z.B. mit „keinem Wort das von der Stadt selbst durchgesetzte sternförmige Verkehrssystem, das alle Wege in die City führte und damit zur Aufwertung der City-Lagen und zum Renditedruck auf die Wohnhäuser der City entscheidend mit beigetragen hatte“ als Ursache der „Umstrukturierung“ benannt. „Die auf politischen Transfer zur Bundesebene (Bodenrecht) abzielende Argumentation des Stadtentwicklungsreferates in der Diskussion mit den Lehel-Betroffenen war also zugleich eine „Entpolitisierungsstrategie“ in Bezug auf die von der Administration durchgesetzte städtische Verkehrspolitik.“ [145]

c. Die Verselbständigung der Bürgerbeteiligung

Die Strategie der „Entpolitisierung“ wurde erforderlich, weil trotz der „planmäßigen“ Öffnung des Planungsprozesses Kritik und Protestaktionen der Lehel-Bewohner aus der „Kontrolle“ der Stadt gerieten. „Fast hat es den Anschein, als ob man nun die demokratischen Geister, die man rief, nicht mehr los würde, als ob die Bürger sich anschickten, auch unkanalisiert aktiv zu werden.“ [146]

Als Beispiel „unkanalisierter“ Aktivitäten soll hier die Leheler DKP erwähnt werden, die in den Auseinandersetzungen begonnen hatte „eine wichtige Rolle“ zu spielen. [147] Auf einen Demonstrationsaufruf der DKP reagierte die Stadt mit einem „hastig aufgesetzten Flugblatt“, das „von der Bevölkerung ausgesprochen ärgerlich aufgenommen wurde.“ „Die Stadt ist wie immer nur in der Defensive“, meinte dazu ein Leheler Bürger. [148]

Solch unkanalisierte Aktivitäten konnten jedoch auch für die SPD selbst zur „Gefahr“ werden, wenn lokale Vertreter der SPD und Jungsozialisten sich daran beteiligen. „In Bonn benutzte man die Münchner Vorgänge, um am 26. Februar im Parteivorstand und Parteirat den Abgrenzungsbeschluß gegenüber kommunistischen und anarchistischen Gruppen zu bekräftigen und zu präzisieren.“ [149]  Die „unkanalisierte“ Kritik der Leheler Mieter wandte sich aber nicht nur gegen die Stadt, sondern auch gegen die lokalen Interessenskontrahenten in Gestalt der privaten Investoren und großen Grundeigentümer. [150]

Die Orientierung an dem von Neubeck genannten Ziel der „Unterstützung der Bevölkerungsgruppen mit mangelnden Artikulationschancen ihrer Bedürfnisse“ [151] hätte in diesem Fall für das Stadtentwicklungsreferat bedeutet, sich in dem Konflikt zwischen Mietern und privaten Investoren auf die Seite der Mieter und damit gegen die Interessen z.B. der Münchner Rückversicherung zu stellen.

Doch als Vertreter des Bau- und Stadtentwicklungsreferats gemeinsam eine Broschüre zur Befragung der Leheler Bevölkerung erarbeiteten (gemeint ist die o.g. Broschüre „Öffentliche Planung Lehel“), wurde der Entwurf „vom Referatschef (des Stadtentwicklungsreferats, d. Verf.) total umgeschrieben, wobei er alle scharfen Formulierungen herausstreicht und durch verbindlich beschwichtigendes Amtsdeutsch ersetzt, denn, so lautet seine Begründung, ‚Es sei nicht Aufgabe der Verwaltung die Bevölkerung zu politisieren’“. [152]

Die Stadtentwicklungsplanung hatte damit ihren Anspruch, „Bewußtseinsbildung und Engagement des Bürgers in dem ihn betreffenden Dingen“ anzustreben [153] nicht nur aufgegeben, sondern sogar in sein Gegenteil verkehrt. Das ist insbesondere deshalb verwunderlich, als das Stadtentwicklungsreferat zu Beginn des Lehel-Konflikt die Politisierung der Bevölkerung durch die Propagierung der offenen Planung nicht nur gefördert, sondern durch das Aufzeigen der sozialen und ökonomischen Konsequenzen der Entwicklung des Lehels auch die Argumente für die politische Auseinandersetzung, so wie es die Konzeption des „Münchner Modells“ auch vorsah, geliefert hat. 106) „Die sozialpolitische Dimension der Planung des Altstadtrings Nord-Ost wurde erst vom Stadtentwicklungsreferat in die Diskussion gebracht“. [154] Das Stadtentwicklungsreferat hatte also ganz sicher einen erheblichen Anteil daran, daß der Lehel-Konflikt sich in einer solchen Breite und Schärfe entwickelt hat.

Mit einer „Interessensmatrix“, die als Planungsgrundlage veröffentlicht wurde, ging das Stadtentwicklungsreferat direkt auf die gesellschaftspolitische Dimension der Lehel-Planung ein: „Planung bedeutet immer eine Umverteilung von Privilegien. In den bisher geübten, vorwiegend intuitiven Planungsverfahren wurde es nicht hinreichend klar, wem die Vorteile und wem die Nachteile einer bestimmen Planungsmaßnahme dienen. Vor allen die benachteiligten Gruppen wurden nur selten beachtet.“ [155]

Die „Interessensmatrix“ soll die Fragen beantworten:

  • „Welche Interessensgruppen werden von eventuellen Planungsmaßnahmen betroffen?“
  • „Welche Interessen haben die einzelnen Interessensgruppen?“
  • „Welche Interessen liegen miteinander in Konflikt?“
  • „Welche Folgen treten als Nebenwirkung bestimmter Maßnahmen im Verkehr, in der städtischen Gestalt und in der Infrastruktur auf? [156]

Auch die vom Baureferat und Stadtentwicklungsreferat initiierte Befragung der Lehel-Bewohner zu drei Alternativen eines Flächennutzungsplans hatte trotz der o.g. Zensur der Broschüre mit den Befragungsunterlagen den Effekt, daß der Stadtrat, noch bevor er selbst eine Entscheidung getroffen hatte, durch das Bürgervotum politisch unter Druck gesetzt wurde, was schließlich dazu führte, daß er sich entgegen der ursprünglichen Empfehlung des Baureferats [157] in der „Tendenz“ für die von der Bevölkerung geforderte und durch die Befragung bestätigte Alternative entschied. [158]

d. Das Stadtentwicklungsreferat unter dem Druck der SPD-Rathausfraktion

Es gibt einige Hinweise dafür, daß die Abwendung des Stadtentwicklungsreferats von seiner ursprünglichen Konzeption keine „freiwillige“ Leistung war. Hatte das Stadtentwicklungsreferat bisher die weitgehende Unterstützung von OB Vogel, so gerieten sie in dem Moment in Konflikt, als die vom Stadtentwicklungsreferat forcierte offene Planung dazu führte, daß die Rathauspolitik und Vogel selbst scharf attackiert wurden. Die oben erwähnte „Defensivposition“ Vogels wurde darüberhinaus verstärkt durch die zur selben Zeit beginnende Fraktionierung innerhalb der SPD.

Nach Vogels eigener Einschätzung gab es in der Partei „bis 1969 nahezu keine Meinungsverschiedenheiten“. [159] Dann jedoch wurde die „Strategie zur inhaltlichen Veränderung der Münchner Sozialdemokratischen Politik im Grundsatz und Detail … immer deutlicher erkennbar. Dem wollten sich meine Freunde und ich nicht kampflos beugen.“ [160] „Der innerparteiliche Streit ging darum: … Ist die Partei eine Organisation, die Personen in Ämter bringt und sie prinzipiell unterstützt, im Amt hält und gegen Kritik von außen absichert … oder eine Organisation, die programmatische Ziele entwickelt und die Amtsträger daraufhin kontrolliert, daß sie sie einhalten?“ [161] „Die Strategie zur inhaltlichen Veränderung“ fand ihren sichtbaren Niederschlag in der Wahl eines neuen Unterbezirksvorstandes, der der Rathausfraktion kritisch gegenüberstand. [162]

Über den Zusammenhang zwischen inhaltlicher Kontroverse in der SPD und dem Lehel-Konflikt schreibt in einem Rückblick die Süddeutsche Zeitung vom 4.12.72: „Was in den Münchner Stadtvierteln geschah, das diktierte lange Jahre lang eine selbstgefällige Stadtverwaltung im Verein mit einem in Planungsfragen nur mäßig engagierten Stadtrat. Der Bürger, den die Entscheidungen am eigenen Leib betrafen, hatte seinen Mund zu halten – bis zu jenem Tag, an dem der Bogen überspannt wurde.

Der barbarische Prinz-Carl-Palais-Tunnel und die Zerstückelung der Maximilianstraße sowie ganzer gewachsener Wohnviertel, durch den Altstadtring waren das Signal, das den Bürger zum ersten Mal auf den Plan rief. Als die auf einer Fehlentscheidung des Stadtrats (Kerngebietsausweisung) beruhende schleichende Zerstörung des Stadtteils Lehel immer krassere Ausmaße annahm, schwoll der Ruf nach einer „Demokratisierung“ des städtischen Planungswesens zu einem unüberhörbaren Chor an … Unter dem Motto, die Gesellschaft müsse nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch im Wohnbereich verändert werden, ist der SPD-Parteitag (vom Dez. 1972, d. Verf.) zur Offensive gegen die eigenen Parteifreunde im Rathaus angetreten …“

In dem Maße, wie Vogel und die SPD-Stadtratsfraktion durch die Lehel-Bewohner und die innerparteiliche Opposition in die „Enge getrieben“ wurden, fehlte die für eine offene Planung notwendige Flexibilität und es wuchs der Druck auf die unmittelbar mit der Bevölkerung in Auseinandersetzung befindlichen Teile der Verwaltung. Das war der Grund für die oben beschriebene Abwendung des Stadtentwicklungsreferates von seiner ursprünglichen Konzeption. [163]

Als Beleg für die „Unfreiwilligkeit“, mit der das Stadtentwicklungsreferat seine eigene Konzeption verließ, mag die praktische Unterstützung des Münchner Forums und die Förderung der Gemeinwesenarbeit dienen, die nicht unmittelbar auf die Auseinandersetzung innerhalb der SPD Einfluß hatten und deshalb auch nicht so sehr dem politischen Druck durch Vogel und die SPD-Rathausfraktion unterlagen. In Gesprächen mit Vertretern des Münchner Forums und des „Vereins zur Förderung der Gemeinwesenarbeit“ wurde betont, daß sie seitens des Stadtentwicklungsreferates bis zum Referentenwechsel Anfang 1973 weitgehende fachliche und auch politische Unterstützung erhalten haben, soweit das Stadtentwicklungsreferat nicht selbst unter Druck geriet. [164]

e. Konflikt zwischen Stadtentwicklungs- und Baureferat

Das Stadtentwicklungsreferat stand aber nicht nur unter dem Druck von Vogel und seiner Parteifreunde, die sich „nicht kampflos beugen wollten“, sondern zusätzlich in Auseinandersetzung mit dem Baureferat, in der letzteres in dem Maße an Stärke gewann, wie die Rathausfraktion der SPD zur Sicherung ihrer politischen Überlebenschancen die Verwaltung, und hier speziell das Baureferat, vor Angriffen aus der Bevölkerung und der Partei in Schutz nahm, Kontroversen innerhalb der Verwaltung und speziell die Politisierungsstrategie des Stadtentwicklungsreferats unterdrückte. „Im August 1972 wurde bekannt, daß das Baureferat im Jahre 1971 über 400 Abbruchgenehmigungen erteilt hatte, und daß in letzter Zeit Häuser ohne Genehmigung abgebrochen wurden, ohne daß das Baureferat dagegen eingeschritten war.“ [165] Ganz entgegen der Absicht des Stadtentwicklungsreferats, durch ein „offenes Planungsverfahren“ eine demokratische Entscheidungsgrundlage für den Stadtrat zu schaffen, hatte das Baureferat als „Maßnahmeninstanz“ diese Entscheidung – noch dazu in aller Heimlichkeit – faktisch vorweggenommen.

Möglich war diese Praxis u.a. deshalb, weil bei der Etablierung der Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung, insbesondere in der Form des parallel zu den übrigen Ressorts angesiedelten Stadtentwicklungsreferates, die Ressortstruktur insgesamt unangetastet blieb, d.h. auf Ressortübergreifende Koordinations- und Kontrollorgane in der Praxis verzichtet wurde. Die ausdrückliche Beschränkung einer Strukturveränderung auf die planenden Teile der Verwaltung [166] zeigte hier ihre Schwäche. Im damaligen Verständnis gehörte die für Abbruchgenehmigungen zuständige Lokalbaukommission nicht zur „planenden Verwaltung“. Faktisch hatte sie jedoch auf die Entwicklung des Lehels mehr „planenden Einfluß“ als alle „planenden Teile“ der Verwaltung zusammengenommen.

Die Verfahrensweise des Baureferats läßt sich nicht allein mit dem Hinweis rechtfertigen, „daß das Planungsrecht, insbesondere das Boden- und Baurecht ihre (die der Lehelbewohner, d. Verf.) Interessen nicht deckt.“ [167] Denn es ging ja gerade darum, alle rechtlichen Möglichkeiten voll auszuschöpfen, um den „grundlegenden strukturellen Wandel“ aufzuhalten, denn „die Ernsthaftigkeit der Forderung an Dritte (wird) umso nachdrücklicher und existentieller sein …, je konsequenter die im eigenen Raum möglichen Maßnahmen und Einflußmöglichkeiten wahrgenommen werden“. [168]

Daß das Baureferat an einer extensiven Ausschöpfung rechtlicher Möglichkeiten zugunsten der Leheler nicht interessiert war, zeigt der Fall eines gesetzwidrigen Hausabbruches durch die Zentralkasse Bayrischer Volksbanken, der vom Baureferat mit einem „Zwangsgeld“ von DM 1.000,- bestraft wurde. In einem anderen Fall wird eine „Projektgruppe (aus Vertretern des Stadtentwicklungsreferats und des Baureferats zusammengesetzt) durch den Leiter der Gruppe Stadtplanung im Baureferat „zurückgepfiffen“, als sie versucht die Frage zu klären: „Wie ist es aus juristischer Sicht zu erreichen, Wohnen für einkommensschwache Mieter im Lehel möglich zu machen?“ [169]

Das Stadtentwicklungsreferat hätte im Falle der Abbruchgenehmigungen wie im Falle der Zensur der Projektgruppe in eine offensive Auseinandersetzung mit dem Baureferat treten müssen, wenn es ihm mit seiner Konzeption ernst gewesen wäre Wie wir oben gesehen haben, war das Stadtentwicklungsreferat aber selbst schon (gezwungenermaßen) zur Zensurinstanz geworden. Darüberhinaus war speziell das Baureferat und vor allem Stadtbaurat Zech (SPD) ins Schußfeld nicht nur der Kritik der Lehelbewohner, sondern auch seiner eigenen Partei geraten, was schließlich dazu führte, daß “die SPD-Sektion Lehel forderte, gegen den Stadtbaurat ein Parteiauschlußverfahren wegen parteischädigendem Verhalten einzuleiten, denn sein Verhalten stell einen ’schweren Verstoß gegen die kommunalpolitischen Grundsätze der Münchner SPD dar’“ [170]

In Bezug auf eine Auseinandersetzung mit dem Baureferat unterlag das Stadtentwicklungsreferat damit dem besonderen Druck der SPD-Rathausfrakkon, die „sich mit aller Entschiedenheit dafür einsetzte“, ‚daß man ihm (dem Stadtbaurat, d. Verf.) nicht aus der eigenen Partei heraus den Boden für seine schwierige Aufgabe als Stadtbaurat entzieht und damit die Partei dem Gelächter der Öffentlichkeit aussetzt’“. [171]

Der Versuch, Konzeptionen der Stadtentwicklungsplanung gegen „das System und eine systementsprechende Haltung in Politik und Verwaltung“ [172] durchzusetzen, scheiterte also bereits am Widerstand von Vogel und der SPD-Rathausfraktion, die ursprünglich die Protagonisten der Stadtentwicklungsplanung waren.

Am Lehelkonflikt zeigt sich, daß angesichts unversönlicher Interessensgegensätze zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, die sich dann auch in der SPD zeigten, notwendigerweise eine Planungsstrategie scheitern mußte, die davon ausging, daß die Rationalität bestimmter stadtentwicklungspolitischer Ziele und Verfahrensweisen das „Verständnis … jeder Gruppe“ [173] finden müsse.

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4. Der Rosa-Zonen-Plan

Mit dem sog. Rosa-Zonen-Plan [174] unternimmt die Münchner Stadtentwicklungsplanung zum ersten Mal den Schritt, Ergebnisse der Bestandsaufnahme und Analyse in eine Planungskonzeption umzusetzen. Es ist der Schritt von der Stadtforschung zur Stadtentwicklungsplanung.

Der Rosa-Zonen-Plan unterscheidet sich von bisherigen stadtentwicklungsplanerischen Aktivitäten des Stadtentwicklungsreferates durch seinen allgemeinen Charakter. Er bezieht sich nicht auf einen speziellen Planungsfall, sondern versucht eine stadtentwicklungspolitische Zielsetzung des Stadt- rates durch eine Planungskonzeption zu konkretisieren. In dieser Hinsicht ist der Rosa-Zonen-Plan die Vorwegnahme der Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes für einen Problemkomplex, der nach Ansicht des Stadtentwicklungsreferates einer vorrangigen Lösung bedurfte. [175] Im Sommer 1971 faßte der Stadtrat den Beschluß, „erhebliche Teile der Innenstadtrandgebiete für eine überwiegende Wohnnutzung“ vorzusehen. [176] Diese Zielsetzung wird durch den Rosa-Zonen-Plan „verdichtet und räumlich bezogen“. [177]

Anlaß für eine vorrangige Behandlung der Wohnungsprobleme in den Innenstadtrandgebieten war nicht zuletzt der Lehel- Konflikt, der durch seinen politischen Charakter die Allgemeinheit der dort sichtbar gewordenen Probleme deutlich machte.

Daß nicht nur die Lehel-Bewohner von der „Gefahr eines grundlegenden Wandels“ bedroht waren, brachte der Sternmarsch Münchner Mieter im Sommer 1971 zum Ausdruck, an dem sich Bürger aus allen Teilen der innenstadtnahen Wohngebiete beteiligten. Eine ganze Reihe von Bürgerinitiativen wurde gegründet (Darunter die „Aktion Maxvorstadt“, die weit über München bekannt wurde.), die sich gegen die Vertreibung der Bewohner durch Banken, Versicherungen oder durch die Universität zur Wehr setzten.

Untersuchungen der Stadtforschung über die kleinräumliche demographische Entwicklung und über den Wohnungsmarkt verdeutlichten in wissenschaftlicher Form die sozialpolitische Dimension des „grundlegenden Wandels“ der Innenstadtrandgebiete.

Der planerischen Umsetzung des o.g. Stadtratbeschlusses standen jedoch mächtige ökonomische Interessen von Haus- und Gründstücksbesitzern und Investoren entgegen [178] , die in dem hohen Baurecht [179] eine rechtliche Absicherung ihrer Durchsetzung haben.

Am Rosa-Zonen-Plan soll deshalb beispielhaft untersucht werden, inwieweit die Münchner Stadtentwicklungsplanung ihrem Anspruch gerecht wird, „die Interessen der Beteiligten offenzulegen, die Konsequenzen hierauf auf den Geschehensläufen abzuleiten und damit Ausgangspunkt und Ziel der Kritik in öffentlicher Auseinandersetzung zu unterziehen.“ [180]

Während die Planungsunterlagen des Baureferates für den Altstadtring Nord-Ost und das Lehel eine sog. Interessensmatrix enthielten, anhand derer einzelne Planungsalternativen hinsichtlich ihrer Auswirkungen für die einzelnen beteiligten Interessensgruppen beurteilt werden konnten [181] fehlt im Rosa-Zonen-Plan jeglicher Hinweis auf die Interessenslage der durch ihn tangierten gesellschaftlichen Gruppen. Die gesellschaftspolitischen Verwirklichungsbedingungen des Rosa-Zonen-Plan bleiben damit unangesprochen.

Der fehlenden Auseinandersetzung mit den beteiligten Interessengruppen entspricht die Verharmlosung der für die Stadt fast ausweglosen baurechtlichen Situation und die Überschätzung des anwendbaren kommunalen Planungsinstrumentariums.

a. Zur baurechtlichen Situation

Im Rosa-Zonen-Plan wird zunächst allgemein festgestellt, daß „bestehende rechtliche Schwierigkeiten – etwa aufgrund alten Baurechts – weder übersehen noch in ihrer Bedeutung unterschätzt“ werden. [182]

In der Anlage 2 zum Rosa-Zonen-Plan wird dann näher auf die baurechtliche Situation in den Innenstadtrandgebieten eingegangen. Dort heißt es, daß die in München geltende Staffelbauordnung „in der Regel keine Festlegungen über die zulässige Art der baulichen Nutzung (enthält), so daß die planungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben gemäß § 34 BBauG von der Unbedenklichkeit des Vorhabens aufgrund der vorhandenen Bebauung abhängt“. [183] Da in weiten Teilen der Innenstadtrandgebiete bereits andere als Wohnnutzungen im Zuge der schleichenden Umstrukturierung entstanden sind, können auch mit Hilfe des § 34 BBauG in Zukunft tertiäre Nutzungen, um die es hauptsächlich geht, nicht verhindert werden. Eine für die Bauwerber verbindliche Nutzungsfestlegung der rosa Zonen als Wohngebiete hätte zur Folge, daß grundsätzlich bei wertmindernder Einschränkung des Nutzungsrechts Entschädigungen nach § 44 BBauG gezahlt werden müßten, die bei Bodenpreisen von z.T. über 3 000 DM/qm in die Milliarden gingen; denn das vorhandene Baurecht übersteigt das nach BauNVO höchstzulässige Nutzungsmaß für Wohngebiete um z.T. mehr als das doppelte.

Wenn angesichts dieser baurechtlichen Situation der Rosa-Zonen-Plan dennoch „Grundlage für den baurechtlichen Vollzug“ [184] sein soll und festgestellt wird, daß der „Vollzug der neuen Zielvorstellungen für den Innenstadtrandbereich“ lediglich „im Einzelfall auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen“ wird, so wird die Bedeutung der rechtlichen Schwierigkeiten doch ganz erheblich unterschätzt.

b. Zum Planungsinstrumentarium

Der Unterschätzung der rechtlichen Schwierigkeiten entspricht auf der anderen Seite die Überschätzung der sog. Zweckentfremdungsverordnung (ZVO) als Instrument zur Durchsetzung des Rosa-Zonen-Plans. [185] „Die Durchsetzung des Globalziels „Wohnen“ im Innenstadtrandbereich wurde mit dem Inkrafttreten der sog. Zweckentfremdungsverordnung am 1. Januar 1972 auf der instrumentellen Seite erheblich erleichtert.“ [186] Wie dünn die rechtliche Basis für eine extensive Anwendung der ZVO, die vom Gesetzgeber als wohnungswirtschaftliches und nicht als entwicklungspolitisches Instrument gedacht war, in Wirklichkeit war, zeigte sich, als die ersten Bauwerber, denen die Stadt die Zweckentfremdung untersagt hatte, vor Gericht gingen. Im Januar 1975 entschied das Bayrische Oberlandesgericht als letzte Instanz in einem Bußgeldverfahren, daß „wer Wohnraum nicht vermietet oder ihn leerstehen läßt nicht gegen das Verbot der Zweckentfremdung verstößt“. [187]

Die Süddeutsche Zeitung schrieb dazu in einem Kommentar: Damit „kann der Versuch, die Münchner Innenstadtrandgebiete als Wohnviertel zu erhalten, als gescheitert gelten … Unverantwortliche Schönfärberei hat … die Stadt … betrieben, als sie der Öffentlichkeit immer wieder die Zweckentfremdungsverordnung als ein Mittel darstellte, mit dem man die Verödung der Wohngebiete in den Griff bekommen könne. Noch im Mai 1974, als sich bei den zuständigen Stellen längst das Chaos bei der Handhabung dieses Gesetzes abzeichnete, wertete Oberbürgermeister Kronawitter die Erfahrungen mit der Zweckentfremdungsverordnung als einen ’spürbaren Erfolg‘.“ [188]

Die Ausklammerung der sozialen und politischen Rahmenbedingungen und die Verschleierung der Durchsetzungsmöglichkeiten verhinderte auch, daß der Rosa-Zonen-Plan als „politische Normfestsetzung“ ein „weiteres Element zur Verstärkung der Durchsetzbarkeit der gewünschten Ziele“ darstellt; [189] denn eine politische Willensäußerung des Stadtrates kann erst durch ihren konkreten Bezug zu den Interessensauseinandersetzungen, wie sie in den Innenstadtrandgebieten stattfinden, Wirksamkeit erhalten, insbesondere dann, wenn die instrumentelle, verwaltungsmäßige Durchsetzung des Zieles derart begrenzt ist. Nur durch eine klare Stellungnahme der Stadt in diesen Interessensauseinandersetzungen würde deutlich gemacht, daß die Erhaltung des Wohnraums in den Innenstadtrandgebieten in erster Linie auf politischem Wege erreicht werden muß, „indem ein neues, besseres Verständnis der sozialen und politischen Situation das Bewußtsein der Handelnden und damit auch die Bedingungen des Handelns ändert“. [190]

Der technokratische Charakter des Rosa-Zonen-Plans („Die bisherige Praxis (berechtigt) zu dem vorsichtigen Optimismus, daß die hier zugrundeliegenden entwicklungspolitischen Zielvorstellungen ungeachtet dieser Schwierigkeiten durchsetzbar sind.“ [191] führte jedoch zu einer Entpolitisierung der angesprochenen Probleme und machte es dem Stadtrat möglich, ihn als Alibi für eine Politik zu benutzen, die sich letztlich doch an ökonomischen Interessen [192] bzw. am Prestigedenken der Stadt [193] orientierte.

Auch der Rosa-Zonen-Plan konnte so nicht verhindern, daß ca. 12 500 Mieter pro Jahr aus den innenstadtnahen Wohngebieten vertrieben werden. [194] Den Widerspruch zwischen Zielplanung und Maßnahmen erklären Grauhan/Linder (in Anlehnung an Offe) aus der „doppelten Abhängigkeit des staatlichen Apparats“ vom „ökonomischen System“ einerseits und dem „legitimatorischen System“ andererseits. Die „organisatorische Disjunktion“ von Ziel- und Maßnahmenplanung hat dabei die Funktion, auf der einen Seite „Massenloyalität“ herzustellen (Der Rosa-Zonen-Plan greift die Forderungen der Mieter auf) und auf der anderen Seite das Funktionieren des ökonomischen Systems zu gewährleisten, von dem der Staat fiskalisch abhängig ist (Die Stadt verkauft ein innerstädtisches Grundstück an eine Bank). [195]

Die Isolierung der Stadtentwicklungsplanung im Falle des Rosa-Zonen-Plans von der Maßnahmenplanung und ihre Funktionalisierung für die Legitimation einer an den ökonomischen Interessen orientierten Politik bedeutete nicht nur die Absage an die integrierte Gesamtplanung, sondern zerstörte zugleich den Anspruch einer sozialpolitisch orientierten Stadtentwicklungsplanung, wie er vom „Münchner Modell“ vertreten wurde.

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IV. Zusammenfassung

Das Münchner Modell von Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung stellt den Versuch dar, sich von dem traditionellen, technokratischen Planungsverständnis zu lösen und ansatzweise eine politische Planungskonzeption zu verwirklichen.

Es versucht nurch nur, die durch die vielfältigen Restriktionen kommunlen Handelns eingeschränkten Möglichkeiten zurückzugewinnen, sondern auch das „Wursteln unter erschwerten Bedingungen“ [196] und diese Bedingungen selbst zum Gegenstand einer politischen Auseinandersetzung zu machen, die zum Ziel hat, durch die Mobilisierung der am stärksten von der Krise der Städte Betroffenen eine Veränderung der restriktiven Bedingungen von Stadtentwicklungsplanung durchzusetzen.

Die konstitutiven Elemente des „Münchner Modells“ wie der Anspruch nach Steuerung des städtischen Gesamtzusammenhangs mit Hilfe eines Simulationsmodells, das Verständnis von Stadtentwicklungsplanung als Gesellschaftspolitik und das Prinzip der „offenen Planung“ geraten in ihrer konsequenten Anwendung in Widerspruch zu grundlegenden Merkmalen der Wirtschaftsordnung der BRD.

Dieser Widerspruch wurde zwar von den Initiatoren der Münchner Stadtentwicklungsplanung teilweise gesehen, doch in seiner politischen Tragweite unterschätzt oder auch bewußt negiert. Die Ursache dafür ist ein im Kern idealistisches Politikverständnis.

Die Überzeugung, daß die gesellschaftlichen Konflikte über die Einsicht aller Gruppen in die Notwendigkeit bestimmter stadtentwicklungspolitischer Maßnahmen beigelegt werden können, machte die Stadtentwicklungsplanung blind gegenüber denjenigen gesellschaftlichen Kräften, deren Interessen durch eine politische Konzeption von Planung beeinträchtigt wurden.

Das war möglich, weil die Forschungsarbeit des Referates lange Zeit von aktueller Planungspraxis und konkreten Planungskonflikten verhältnismäßig weitgehend abgeschirmt und auf längerfristige Konzeptionen und Strategien ausgerichtet war.

So konnte es geschehen, daß der Ende der sechziger Jahre politisch reale emanzipatorische Impuls von der planenden Verwaltung zwar richtig und flexibel aufgenommen wurde, dann jedoch erheblich weiter vorgetragen wurde, als dies durch die geänderte politische Situation, d.h. das geänderte Verhältnis der gesellschaftlichen Kräfte untereinander noch gedeckt war.

Im Folgenden soll dargestellt werden, auf welche Weise sich die Kräfte zunehmend durchsetzen konnten, die den emanzipatorischen Ansatz der ersten Phase der Münchner Stadtentwicklungsplanung eine Zeit lang haben hinnehmen müssen, nun aber dafür sorgten, daß die Stadtentwicklungsplanung die der gewandelten politischen Situation entsprechende Funktion wahrnimmt.

 

Anmerkung zu einigen Literaturtiteln

Bei der Darstellung des „Münchner Modells“ der Stadtentwicklungsplanung werden nicht nur offizielle Äußerungen der Leitung des Referates und offizielle Dokumente verwandt, sondern auch Äußerungen einzelner Mitarbeiter des Stadtentwicklungsreferates (Aufsatz von Neubeck und Vortrag von Heil beim Münchner Forum), die zwar nicht die offizielle Position des Stadtentwicklungsreferates wiedergeben, aber gleichwohl zum politischen und theoretischen Spektrum der Konzeption der Münchner Stadtentwicklungsplanung gehören.

Der Achatswies-Entwurf wird zur Charakterisierung des „Münchner Modells“ zitiert, obwohl er bereits in der Amtszeit von Marx erstellt wurde, denn er repräsentiert z.T., insbesondere in seinem Einführungskapitel, noch das bisherige Planungsverständnis.

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C TECHNOKRATISCHE „GEGENKONZEPTION“ UND PLANMÄßIGE ENTPOLITISIERUNG DER STADTENTWICKLUNGSPLANUNG

Die Stadtratswahl von 1972 brachte einige Veränderungen für das politische Kräfteverhältnis im Münchner Rathaus und damit auch Veränderungen der Entwicklungsbedingungen der Stadtentwicklungsplanung.

Vogel war nicht mehr Oberbürgermeister, die SPD verlor 6 % ihrer Stimmen und in der SPD-Fraktion saßen eine Reihe von Genossen, die zum linken,“administrationskritischen“ [197] , Flügel der Münchner SPD gehörten. Angesichts der knappen Mehrheit der SPD (52 %) im Rathaus, bedeutete das, daß die Gegner des „Münchner Modells“ innerhalb der SPD im Stadtrat nicht mehr über die absolute Mehrheit verfügten.

Die CSU wurde durch die Wahlen enorm gestärkt [198] und drängte auf größeren Einfluß in der Politik des Stadtrates.

Als nach dem Ausscheiden von Hubert Abreß Anfang 1973 ein neuer Stadtentwicklungsreferent gewählt werden mußte, gab es grob drei verschiedene Positionen im Stadtrat:

−      Die linken SPD – Stadträte und ein Großteil der Mitte (darunter Kronawitter) wollten im wesentlichen die im „Münchner Modell» angelegte Politik fortführen, die in weiten Teilen dem Wahlprogramm von 1972 entsprach. Sie unterstützten den Kandidaten Karolus Heil, den Leiter der Abteilung Stadtforschung im Stadtentwicklungsreferat.

−      Den rechten SPD-Stadträten und der FDP ging es um die Fortsetzung der jüngsten Politik des Stadtentwicklungsreferates in Richtung einer rein technokratischen Planung.

−      Die CSU, der integrierten Gesamtplanung und jeglichem politischen Planungsverständnis aus ideologischen Gründen von jeher feindlich gesinnt [199] , hatte an der Stadtentwicklungsplanung eigentlich gar kein Interesse. Da es nicht in der Macht der CSU stand, die Stadtentwicklungsplanung schon damals zu liquidieren, ging es ihr um einen Kompromiß, der ihren Vorstellungen möglichst nahe kam.

FDP und CSU einigten sich auf den Kandidaten Detlef Marx, der sich bei seinem Vorstellungsgespräch deutlich von dem Planungsverständnis, wie es im „Münchner Modell“ zum Ausdruck kommt, distanzierte [200] und Vorstellungen entwickelte, „die von der CSU im Grundsatz gebilligt werden“. [201]

Die SPD stand im Konflikt, einerseits politisch gespalten zu sein und andererseits nach außen hin ihre „Regierungsfähigkeit“ dokumentieren zu müssen. Um diesen Konflikt zugunsten der „Regierungsfähigkeit“ zu lösen, wurde der mit 2/3 – Mehrheit gefällte Fraktionsbeschluß, den Kandidaten Heil zu wählen, für alle Fraktionsmitglieder für verbindlich erklärt.

Bei der geheimen Abstimmung im Stadtrat stimmten jedoch neun SPD-Stadträte zusammen mit der CSU und der FDP für Marx und risikierten mit dieser „großen Koalition“ den Parteifrieden, der schon damals immer nur schwer hergestellt werden konnte. [202]  Durch diesen politischen Hintergrund war die politische Orientierung der zukünftigen Stadtentwicklungsplanung vorgezeichnet.

I. Erdnahe Stadtplanung

Bei der in Teil B „beschriebenen Stadtentwicklungsplanung der Jahre 1968 bis 1972 wurde unterschieden zwischen der Konzeption (“Münchner Modell“) und der praktischen Stadtentwicklungsplanung, die in zunehmenden Maße der Konzeption widersprach. Dem politischen Anspruch des „Münchner Modells“ stand die Entpolitisierung der Planungspraxis gegenüber.

Wie in Kapitel B III 3 beschrieben, wurde diese Entpolitisierung im wesentlichen von Vögel und der SPD-Stadtratsfraktion bewirkt, die die Stadtentwicklungsplanung zunehmend unter Druck setzten. Stadtentwicklungsreferent Abreß selbst distanzierte sich schließlich von dem ursprünglichen Forschungs- und Planungsansatz seines Referates, als er es Ende 1972 in einem Spiegelinterview als „vorrevolutionäre Spielwiese“ abkanzelte.

War Abreß bei der teils erzwungenen, teils freiwilligen Entpolitisierung der Stadtentwicklungsplanung immer noch an den ursprünglichen, von ihm selbst vertretenen Planungsanspruch, zumindest moralisch gebunden und deshalb daran gehindert, das „Münchner Modell“ gänzlich zu liquidieren, so konnte der neue Referent ohne solche Hindernisse eine Stadtentwicklungsplanung betreiben, die den politischen Vorstellungen von rechter SPD, FDP und, wie sich zeigte, besonders denen der CSU entsprach.

Die Popularität des „Münchner Modells“ bei Bürgerinitiativen Münchner Forum und weiten Teilen der Münchner SPD machte es allerdings erforderlich, daß die neue Richtung der Stadtentwicklungsplanung durch eine offensive ideologische Auseinandersetzung mit der bisherigen Politik des Stadtentwicklungsreferates gerechtfertigt wurde.

Der neue Stadtentwicklungsreferent, Marx, setzte dem „Münchner Modell“ eine technokratische „Gegenkonzeption“entgegen. Im Mittelpunkt des „Münchner Modells“ stand die Stadtforschung, d.h. Die Analyse der Zusammenhänge und Entwicklungsgesetze von Stadtentwicklung als Voraussetzung für steuernde Eingriffe staatlicher Planungsinstitutionen und als Mittel zur Bewußtseinsverändernng der Bürger. Dabei waren die beschränkten Möglichkeiten von Planungseingriffen sehr wohl bewußt, waren sogar selbst Objekt einer gesellschaftsverändernden Politik auf kommunaler Ebene.

Mit der „Gegenkonzeption“ wird nun nicht nur die Analyse als Bestandteil von Stadtentwicklungsplanung sehr stark reduziert, sondern auch der Anspruch, die restriktiven Rahmenbedingungen der Planung zu verändern. „Dem Bürger ist nicht gedient mit einer Verwaltung, die nur analysiert und protestiert, die Entwicklung aber dem Zufall überläßt.“ [203] „Es ist nicht Sinn eines   Stadtentwicklungsplanes, gesellschaftpolitische Mißstände anzuprangern und bloßzulegen, sondern er hat zu versuchen, unter den gegebenen gesellschaftspolitischen Verhätnissen Zielvorstellungen zu entwickeln, die sich mit den vorhandenen(!)Mitteln und Möglichkeiten verwirklassen lassen.“ [204]

Die Formulierung eines „Gegenkonzeptes“ zum „Münchner Modell“ kommt in diesen Zitaten sehr deutlich zum Ausdruck.

Letztlich wird wieder auf ein Planungsverständnis zurückgegriffen, mit dem sich die Stadtentwicklungsplanung zuvor bereits sehr detailliert auseinandergesetzt hatte und das, insbesondere aufgrund der Erfahrungen mit dem 63er Plan, zu überwinden versucht wurde.

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1. Die Trennung von Politik und Planung

„Der Stadtentwicklungsplan sollte weder eine Gedankenspielerei noch eine politische oder philosophische Studie sein, sondern Hilfsmittel für Stadtrat und Verwaltung. [205] Die Planungsentscheidungen des Stadtentwicklungsplans über Straßenführung, Schulbauinvestitionen, Nutzungsausweisungen usw. greifen jedoch ein in die Lebensverhältnisse der Menschen und zwar oft in sehr ungleicher, oft diskriminierender Weise. Die Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen werden berührt. Interessenskonflikte sind zudem Ausgangspunkt von Planungsmaßnahmen, sind die Ursache, daß ein ‚Planungsproblem1 überhaupt erst entsteht, mit dem sich die Verwaltung dann auseinanderzusetzen hat. Ausgangspunkt und Ergebnis von Stadtentwicklungsplanung sind also von Natur aus politisch. [206]

Notgedrungen mußte sich deshalb das Referat in dieser Beziehung in Widersprüche verwickeln. Auf die Frage, weshalb bestimmte Untersuchungen des Referates nicht veröffentlicht wurden [207] , antwortete der Referent, daß bestimmte Studien „es nicht wert seien, veröffentlicht zu werden … Das ist eine Entscheidung, die ich politisch zu vertreten habe und auch vertrete. [208] Wenn bereits die Entscheidung über die Veröffentlichung bestimmter Ergebnisse der Stadtforschung politisch ist, wie können dann Entscheidungen über stadtentwicklungsbedeutsame Maßnahmen und die Untersuchungen, auf deren Grundlage sie gefällt werden, unpolitisch sein? In der Beschlußvorlage zur Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes vom Sommer 1975 heißt es: „Der Stadtentwicklungsplan 1975 ist das Konzept der künftigen Stadtpolitik …“. Wie kann aber ein Stadtentwicklungsplan -“Konzept der künftigen Stadtpolitik“ aber keine „politische Studie“ sein? Ein unpolitisches Konzept für künftige Stadtpolitik?

Es geht also ganz offensichtlich nicht darum, der Stadtentwicklungsplanung generell ihren politischen Charakter abzusprechen, sondern um die Abgrenzung von einer bestimmten politischen Richtung, wie sie der bisherigen Konzeption der Münchner Stadtentwicklungsplanung immanent war. Es geht um die Ablehnung einer Konzeption, die das „Wursteln unter erschwerten Bedingungen“ auf politischem Wege zu überwinden versuchte.

Wenn „das Referat … künftig ‚erdnäher Arbeiten‘“ [209] soll, dann wird jedoch eben dieses „Wursteln unter erschwerten Bedingungen“ zur ausschließlichen Richtschnur. Denn „Erdnähe“ heißt, daß Stadtentwicklungsplanung nur noch „Probleme anpacken soll, bei denen reale Aussichten bestehen, sie zu lösen“. [210] Orientierungspunkte sind dabei die „gegebenen gesellschaftspolitischen Verhältnisse“.

Diese Verhältnisse sind jedoch geprägt durch fehlende gesetzliche Planungsinstrumente und einer Finanzmisere, die gemeindliche Investitionsvorhaben im günstigsten Fall auf die von übergeordneten Gesetzen vorgeschriebenen Maßnahmen beschränkt.

Schema der Arbeitsschritte zur Fortschreibung des Stadtentwicklungsplans der Landeshauptstadt München

Nimmt die Stadtentwicklungsplanung diese Verhältnisse zum Anhaltspunkt, dann ist sie notwendigerweise zur Konzeptionslosigkeit verurteilt, denn die in Bezug auf die konkrete lokale Problemsituation zufällige Subventions-, Verordnungs-und Gesetzgebungspolitik von Bund und Länder, der die Gemeinden praktisch völlig ausgeliefert sind, läßt sich nicht zu einem Konzept der koordinierten „zeit-, flächen- und finanzbezogenen“ (Marx) Stadtentwicklungsplanung zusammenfügen.

Die Summe aller Bedingungen, denen die westdeutschen Gemeinden generell unterliegen, besitzen keine innere Logik, was Entwicklungsplanung betrifft, noch nicht mal eine solche überlokaler Natur, denn ihre Bestimmungsgründe orientieren sich an den unterschiedlichsten fach- bzw. interessensbezogenen Überlegungen.

Die vermeintlich pragmatische Orientierung auf die „gegebenen Verhältnisse“ führt damit die Stadtentwicklungsplanung als solche ad absurdum, denn Hauptmerkmal der Stadtentwicklungsplanung, in Absetzung zur Fachplanung, ist ihr Integrationsanspruch. Die Einlösung dieses Anspruchs ist aber abhängig von der Möglichkeit eines einheitlichen Konzeptes, das als Bezugspunkt für alle Aspekte der Stadtentwicklungsplanung dient. Werden nun die Bindungen und Restriktionen durch übergeordnete staatliche Ebenen oder private Eigentumsrechte akzeptiert, kann ein solches Konzept nicht erstellt werden.

Diese Konzeptionslosigkeit fand beim Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 ihren Niederschlag in Formulierungen, die durch ihren hohen Allgemeinheitsgrad eine klare planerische Orientierung ausschließen. In den ‚Grundsätzen‘ dieses Entwurfes heißt es: „Stadtentwicklungsplanung hat die Interessen aller Bürger dieser Stadt zu berücksichtigen, d.h. Sie hat sowohl die Interessen der sozial Schwachen und der Mieter als auch in dem gebotenen Rahmen die der Grundstückseigentümer und der Unternehmer zu vertreten;, sie hat das Recht der Fußgänger ebenso zu gewährleisten,wie die der Kraftfahrzeughalter.“ [211]

„Anzustreben ist eine Stadt im Gleichgewicht, in der die Interessen aller Bürger ausreichend Berücksichtigung finden, in der die städtischen Funktionen sinnvoll und angemessen verteilt sind und die angestrebten Verbesserungen alle Bürger erreichen.“ Das alles soll erreicht werden, obwohl die Stadtentwicklungsplanung nur „Probleme anpacken soll, bei denen reale Aussichten bestehen, sie zu lösen“!

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2. Die Trennung von Theorie und Praxis

„Projekte der Grundlagenforschung sollen in geeignete außerstädtische Institute vergeben werden. Das Stadtentwicklungsreferat selbst wird seine Tätigkeit wesentlich stärker auf die Umsetzbarkeit von Studien konzentrieren“ [212] . Diese Äußerung zielt direkt gegen das Forschungsprogramm des Stadtentwicklungsreferates, so wie es vom Stadtrat 1969 zur Vorbereitung des Stadtentwicklungsplans beschlossen wurde.

München war die erste Großstadt, die damals eine systemmatische Grundlagenforschung angefangen hat und zwar nicht abstrakt, an akademischen Fragen orientiert, [213] sondern ausgehend von den konkreten Problemen, die zur Lösung durch die städtische Verwaltung anstanden.

Auch nach den damaligen Vorstellungen sollten Forschungsergebnisse überörtlicher Institutionen und Universitäten ausgewertet und gezielt Aufträge nach außen vergeben werden. [214] Zu den drängendsten Problemen, mit denen die Kommunalpolitik Ende der sechziger Jahre konfrontiert war, lagen jedoch kaum Ergebnisse der „Grundlagenforschung“ vor. Ein typisches Beispiel war die Ausländerproblematik. Die Münchner Stadtforschung mußte damals selbst Grundlagenforschung betreiben, um die ganze Breite dieses Problems richtig einschätzen zu können .Die „Ausländerstudie“ ist gerade aus diesem Grunde weit über München hinaus bekannt und zum Orientierungspunkt der Ausländerpolitik vieler Kommunen geworden.

Die inzwischen weit fortgeschrittene Forschung im Bereich der Stadt- und Regionalplanung und nicht zuletzt die Etablierung spezieller Institute zur Unterstützung der gemeindlichen Planungstätigkeit (difu, DATUM, KGST, Arbeitskreise des Städtetages etc.) lassen eine stärkere Arbeitsteilung im Bereich der Stadtforschung durchaus sinnvoll erscheinen.

Die Verfahrenspraxis des Stadtentwicklungsreferats seit dem Referentenwechsel zeigt jedoch, daß es nicht um eine Arbeitsteilung, sondern um die generelle Abkehr von einer an die Ursachen städtischer Probleme vordringenden Stadtforschung ging.

In den ganzen letzten drei Jahren wurde Grundlagenforschung weder an außerstädtische Institute vergeben, noch im Stadtentwicklungsreferat selbst vorangetrieben.

Als die CSU im Herbst 1975 den Antrag stellte, die Mitarbeit der Stadt am Deutschen Institut für Urbanistik einzustellen, erklärte das Stadtentwicklungsreferat auf Anfrage des Stadtrates Vogelgesang, „die von der Stadt gehegten Erwartungen hätten sich nicht erfüllt, noch könne von einer wesentlichen Bedeutung der Arbeiten dieses Instituts für die Stadt München die Rede sein.“ [215] inzwischen hat die Stadt ihren Beitrag an das difu von 93.560.- DM im Jahre 1975 auf 50.000.- DM im Jahre 1976 reduziert. Über diese an sich schon einschüchternde Geste hinaus soll Marx darauf gedrungen haben, daß ein bis zwei Mitarbeiter des Instituts ausschließlich für Münchner Belange tätig sind.

Damit wird aber das Konzept dieses Instituts ad absurdum geführt, weil es dann lediglich „Außenstelle“ der jeweiligen Gemeinden ist und der Vorteil einer Zusammenfassung der Kräfte zur Bearbeitung von allgemeinen Aufgaben .der Kommunen nicht realisiert werden kann. Es ist bezeichnend, daß gerade Marx, der die Vergabe von Grundlagenforschung an solche Institute zum Prinzip seiner Auffassung von Stadtforschung erhoben hat, die Argumente für die finanzielle und strukturelle Zerstörung dieses Institutes liefert.

An die Stelle der Grundlagenforschung trat die fast ausschließliche Orientierung auf die Tagespolitik. Das Stadtentwicklungsreferat nahm zu aktuellen Planungsentscheidungen Stellung, wobei die Argumentation den verbliebenen Resten vorangegangener Grundlagenstudien entnommen wurde.

Diese Politik lebte einerseits von der „Substanz“, da die Tagespolitik zu Zugeständnissen an die „gegebenen‘Verhältnisse“ zwang und allmählich die ursprüngliche ganzheitliche Konzeption aushöhlte, da nicht eine theoretisch fundierte Planungskonzeption, sondern die Anpassung an die „gegebenen Verhältnisse“ zur Richtlinie gemacht wurde und eine Fortentwicklung der theoretischen Konzeption durch Grundlagenforschung nicht stattfand.

Auf der anderen Seite führe diese Politik zu Doppelarbeit mit den Fachreferaten. Das „Hineinregieren“ in die anderen Ressorts, das mit dem „Rosa-Zonen-Plan“ schon seinen Anfang nahm,wurde jetzt auf die Spitze getrieben.

Mit einer Kompetenzausdehnung auf die der Stadtentwicklungsplanung nachgeordneten Planungsebenen der Fachressorts sollte nicht nur die Abkehr von der Grundlagenforschung kompensiert, sondern auch das Problem der Doppelarbeit „gelöst“ werden. Der Selbstbeschränkung nach „oben“ folgte die Expansion nach „unten“ [216] , deren organisatorische und personelle Voraussetzung durch die Referatsgründung und die Aufblähung des Apparats bereits in der ersten Phase geschaffen worden war. [217] „Soweit bis heute bekannt ist, werden organisatorische Konsequenzen vor allem auf die Zusammenlegung von Sachgebieten der Stadtverwaltung hinauslaufen, die sich mit Grundsatzfragen beschäftigen.“ [218] D.h. sämtliche Grundsatzabteilungen der Fachressorts, die z.T. erst in den letzten Jahren mit viel Mühe aufgebaut wurden, sollten dem Stadtentwicklungsreferat einverleibt werden. [219] Die Eingliederung der Grundsatzabteilung der Flächennutzungsplanung ist bereits beschlossene Sache. [220]

In der Stellungnahme einer Personalversammlung zu der vorgesehenen Eingliederung von Teilen der Gruppe Stadtplanung in das Stadtentwicklungsreferat heißt es [221] : „Die Zusammenlegungen von Stadtentwicklungsplanung und vorbereitender Bauleitplanung führt darüberhinaus zu einer sachfremden Schwerpunktverlagerung der Aufgaben der Stadtentwicklungsplanung auf Aspekte der räumlichen Planung, die zu Lasten der eigentlichen Aufgabe der Stadtentwicklungsplanung, der Koordination a l l e r kommunalen Planungs- und Steuerungsaktivitäten, gehen muß. Diese in der Vergangenheit bereits nur unzureichend wahrgenommene Aufgabe wird durch die vorgesehenen Maßnahmen dadurch erschwert, daß die bisherigen Konflikte und Reibungsverluste zwischen Stadtentwicklungsplanung und Stadtplanung künftig auf die Nahtstelle zwischen vorbereitender und verbindlicher Bauleitplanung verschoben werden, zwischen zwei Planungsbereichen also, die auf besonders reibungslose Zusammenarbeit angewiesen sind….

Als weitaus billigere und sachgerechtere Lösung böte sich nach Auffassung des Personals der Gruppe Stadtplanung an, Doppelarbeit an der Wurzel zu beseitigen, nämlich die Tätigkeit des Stadtentwicklungsreferates konsequent auf die Funktion der Koordination aller mit dem Vollzug des Stadtentwicklungsplans befassten Planungen zu konzentrieren. …

Die beabsichtigte Umorganisation führt zu einer bedenklichen Entwicklung der Planungssituation und des Planungsverständnisses, weil sie die Transparenz der Planung erschwert …

Stadtentwicklungsplanung hat stets widersprüchliche Interessen und Anforderungen der Bürger zu erfassen, abzuwägen und einer politischen Entscheidung zugänglich zu machen. Ein überdimensionales Planungsreferat, das alle der kommunalen Steuerung zugänglichen Aspekte selbst plant und Widersprüche verwaltungsintern abgleicht, entzieht dem Stadtrat wesentliche Kontrollmöglichkeiten und schwächt seine zentrale Funktion, gesellschaftliche Konflikte politisch zu lösen….

In Kenntnis der Gefahr einer solchen entpolitisierenden Tendenz integrierter Entwicklungsplanung wird in der Fachdiskussion zunehmend die Forderung nach Dezentralisierung der Planungsaufgaben bei gleichzeitigem Ausbau der Koordinationsaufgaben erhoben. Das Personal der Gruppe Stadtplanung verfolgt mit Besorgnis, daß mit der beabsichtigten Umorganisation ein schwerwiegender Schritt genau in die entgegengesetzte Richtung getan werden soll.“ [222]

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II.  Von der „offenen Planung“ zur „PR – Arbeit“

„Offene Planung“ und Beteiligung der Bürger am Planungsprozeß waren integraler Bestandteil des „Münchner Modells“. Am Beispiel des Lehel-Konflikts wurde gezeigt, daß der in der Konzeption vertretene hohe Anspruch anfangs auch noch in der Praxis realisiert wurde, danach aber im zunehmenden Maße dem Druck der SPD-Stadtratsfraktion zum Opfer fiel. Trotzdem blieb die Politik des Referates in dieser Hinsicht bis zum Referentenwechsel widersprüchlich, da der Anspruch als solcher aufrechterhalten wurde (Gemeinwesenarbeit und Münchner Forum wurden bis zuletzt unterstützt), seiner Verwirklichung aber meistens die veränderte politische Situation in der Stadt und vor allem in der SPD im Wege stand.

Die „Gegenkonzeption“ der neuen Referatsleitung ließ nun selbst den Anspruch nach einer Demokratisierung des Planungs- Prozesses fallen und „befreite“ so die Planungspraxis von dem „lästigen“ Ballast einer öffentlichen Kontrolle. (Be~ relts kurz nach Amtsantritt äußerte Marx, er könne „die krankhafte Sucht nach offener Planung“ nicht verstehen.) [223]

Die neue Politik bedeutete zwar im Grunde nur die „logische“ Fortführung der vorher schon begonnen Entwicklung, doch die Konsequenz, mit der die Öffentlichkeit in der Folgezeit von Planungsentscheidungen ausgeschlossen wurde, ließen sie als einen scharfen Bruch erscheinen. Dieser „Bruch“ soll im Folgenden an drei Beispielen dokumentiert werden.

1. Offenes Planungsverfahren Oskar-von-Mi11sr-Ring

Gegenstand des „offenen Planungsverfahrens“ ist ein im Besitz der Stadt befindliches, 1,5 ha großes Grundstück zwischen City und Innenstadtrandgebiet. Laut Beschluß des Stadtrates von 1969 sollte das Grundstück verkauft werden, um mit dem Erlös ein Kulturzentrum in einem anderen Stadtteil zu finanzieren. Als die Verkaufsabsichten Jahre später publik wurden, nahmen Bürgerversammlungen und Bezirksausschüsse gegen den Verkauf Stellung und machten alternative Nutzungsvorschläge. (Altenservice-Zentrum, Kindertagesstätte, Wohnungen etc.) Daraufhin beschloß der Stadtrat Ende 1972 ein „offenes Planungsverfahren“. Nach wie vor galt jedoch der Verkaufsbeschluß der vom Stadtrat nicht zurückgenommen wurde.

Im Verlaufe des Verfahrens äußerten die beteiligten Organisationen, Bürgerinitiativen, Bezirksausschüsse, örtlichen Parteigruppen und das Münchner Forum noch einmal die Vorschläge zur Verhinderung des Verkaufs und zur Nutzung des Geländes. Bis auf die IHK, die für einen Verkauf an eine schon im Gespräch befindliche Bank plädierte, und die CSU, die eine „überwiegend gewerbliche Nutzung“ als „sachgerecht“ [224] bezeichnete, aber immerhin auch 200 Wohnungen, davon die Hälfte im sozialen Wohnungsbau, forderte, sprachen sich alle Beteiligten gegen den Verkauf und für eine überwiegend sozial orientierte Nutzung aus.

Nach einer vom Münchner Forum veranstalteten Diskussionsveranstaltung wurde das „offene Planungsverfahren“ offiziell für beendet erklärt. Der mehrheitliche Beschluß der Anwesenden über die künftige Nutzung des Grundstückes, eine offiziell einberufene Bürgerversammlung [225] entscheiden zu lassen, wurde von den Vertretern des Stadtentwicklungsreferats abgelehnt.

In der Stellungnahme zu den Bürgervorschlägen kommt das Stadtentwicklungsreferat zu dem Schlug, daß „abgestellt auf den derzeitigen Charakter und auf die Funktion des engeren Umfeldes dem Gelände sicher Kernfunktion zukommt“, daß „im Hinblick auf investitionspolitische Dringlichkeiten bei einer baldigen Nutzung des Geländes nur eine überwiegende Kernnutzung realisierbar“ erscheint.“Der Vorschlag Sozialwohnungen zu errichten ist schon im Hinblick auf den Grundstückswert nicht realisierbar …“ [226] Die Entscheidung über ein Altenservice-Zentrum muß“zurückgestellt werden, bis die Ergebnisse der Standortanalyse im Rahmen der Vollzugsarbeiten zum städtischen Altenplan vorliegen.“ „Nach den gegebenen bevölkerungsstrukturellen Verhältnissen ist die Errichtung eines städtischen Kindergartens nicht erforderlich.“ Zusammenfassend kommt das Stadtentwicklungsreferat zu dem Schluß: „Auch die heutigen Erkenntnisse haben an der Beurteilung der Verwertungsmöglichkeiten im Grundsatz nichts geändert.“ [227]

Mit dieser Argumentation liefert das Stadtentwicklungsreferat die Argumentation, mit der der Stadtrat den Verkauf des Grundstücks gegenüber den Bürgern „rechtfertigen“ kann.

Die oben aufgeführten Erkenntnisse sind aber allesamt nicht Ergebnis der offenen Planung, sondern beruhen auf Untersuchungen, die das Stadtentwicklungsreferat und die übrige Verwaltung von sich aus anstellen konnten, denn die Bürgerwünsche waren durch Bürgerversammlungen und Bezirksausschüsse schon lange vorher bekannt. [228] Diese Erkenntnisse hätten also entweder zu Beginn des „offenen Planungsverfahrens“ als Stellungnahme des Stadtentwicklungsreferats mit in die Diskussion gegeben werden müssen, oder man hätte keine Bürgerbeteiligung machen dürfen, die unter dem Motto stand: „Die Bürger können entsprechend ihren Bedürfnissen alternative Ziele und Prioritäten festlegen helfen. Auf diese Weise wird Beteiligung nicht zum demokratischen Alibi, sondern zu echter Kontrolle des gesellschaftsbezogenen Handelns der Verwaltung.“ [229] Interessant ist aber, daß die Broschüre des Stadtentwicklungsreferates, die als Diskussionsgrundlage zu Beginn des Verfahrens an alle interessierte Gruppen und Bürger verteilt wurde, teilweise zu ganz entgegengesetzten Erkenntnissen kommt: So heißt es z.B. zum „engeren Umfeld des Geländes“, das angeblich die Kernfunktion begründen soll, daß aus der „tatsächlich festgestellten Nutzung hervorgeht, (daß) in den Straßenzügen der untersuchten Viertel jedoch überwiegend Wohnraum vorhanden“ ist. Hier „haben sich trotz der Konzentration von Kerngebietsfunktionen an der Brienner Straße ein hohes Maß an Wohnraum und an ergänzender Infrastruktur erhalten. Die starke Kerngebietsfunktion einerseits schließt jedoch die Wohngebietsfunktion nicht aus. Gerade durch das Angebot an Infrastruktur ist eine Verbindung beider Funktionen sinnvoll denkbar.“ „Überraschend war, daß sich (in der näheren Umgebung des Grundstücks) eine Reihe von Wohnungen befindet, die sich in einer hervorragenden (!) Wohnlage befinden (Citynähe, gute Verkehrsanbindung, kein Verkehrslärm).“ [230] Von einer ‚sicheren Kernfunktion‘ wurde also hier nicht gesprochen.

Daß sich hinter den Widersprüchen zwischen den Beurteilungen (als die oben zitierte Diskussionsgrundlage erarbeitet wurde, unterlag Marx noch seiner selbst auferlegten „50-tägigen Schweigepflicht“) auch die Konflikte innerhalb des Stadtentwicklungsreferats verbergen, sei hier nur kurz erwähnt. [231]

Kurze Zeit nach Abschluß des „offenen Planungsverfahrens“ wurde das Gelände an die Bayrische Gemeindebank [232] verkauft, die dort auf 45000 qm Geschoßfläche Büroräume schaffen will. Das „offene Planungsverfahren“ 0skapron-Miller-Ring hatte also weder die Funktion „Bewußtseinsbildung und Engagement des Bürgers in den ihn berührenden Dingen“ [233] zu fördern, noch die Funktion, die Planungen der Stadt gegenüber den Bürgern zu legitimieren, sondern diente im Gegenteil allein zur Demonstration der Ohnmacht bürgerschaftlicher Mitwirkung. Die „Aktion Maxvorstadt“ bezeichnete in ihrer Zeitung vom März 1974 das „offene Planungsverfahren“ als „offenen Planungsbetrug am Bürger“.

Nicht zuletzt diese Erfahrungen mit „offener Planung“ führten dazu, daß die Münchner Bürger „versammlungsmüde“ wurden. (“Das vor 2 Jahren rapid angeschwollene Interesse der Münchner an ihren Bürgerversammlungen läßt wieder deutlich nach.“ [234]  „Wenn die Maxvorstädter heute böse oder resigniert sind, dann deshalb, weil sie zu Wort gekommen sind, aber auf taube Ohren stießen“, schreibt dazu die o.g. Zeitung der „Aktion Maxvorstadt“.

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2. Stadtentwicklungsplan und Öffentlichkeit

Um eine Beteiligung der Öffentlichkeit am Prozeß der Stadtentwicklungsplanung zu ermöglichen, sollten die Ergebnisse der laufenden Untersuchungen des Stadtentwicklungsreferates kontinuierlich veröffentlicht werden und zwar auch dann, wenn der Stadtrat noch nicht darin enthaltene Programmvorschläge oder Maßnahmen beschlossen, sondern die Studien lediglich „zur Kenntnis genommen“ hat. Ein entsprechender Beschluß wurde auf Initiative des Stadtentwicklungsreferats im Jahre 1969 vom Stadtrat gefasst. In diesem Sinne wurden bis zum Wechsel der Referatsleitung 6 Studien veröffentlicht. [235] Sie waren seitdem Gegenstand von Auseinandersetzungen in Bürgergremien, Initiativen, Parteien etc. Dabei blieb es zwar der Initiative der einzelnen Gruppen überlassen, sich mit diesen Untersuchungen zu befassen,aber es bestand immerhin die Möglichkeit.

Seit der Amtsübernahme durch Herrn Marx (Anfang 1973) wurde bis zur Vorlage des Entwurfs des Stadtentwicklungsplans Anfang 1974 keine einzige Studie mehr veröffentlicht, obwohl in der Zwischenzeit 8 Untersuchungen im Entwurf fertiggestellt wurden bzw. schon fertig vorlagen. Die interessierte Öffentlichkeit hatte dadurch keine Gelegenheit sich laufend über die Untersuchungsergebnisse der Stadtforschung zu informieren und sich mit Lösungsvorschlägen auseinanderzusetzen.

Stattdessen wurden sie mit einem „geschlossenen Konzept“ [236] eines Stadtentwicklungsplanes konfrontiert, dessen Diskutierbarkeit bereits dadurch eingeschränkt war, daß es als ein verwaltungsintern abgestimmtes Programm dargestellt wurde. Kritische Anmerkungen mußten sich dann daran messen lassen, ob sie das „geschlossene Konzept“ nicht umwerfen bzw. den mühsamen verwaltungsinternen Kompromiß nicht gefährden.

Vor diesem Hintergrund ist das eigentliche „Konzept der Öffentlichkeitsarbeit in Zusammenhang mit dem Stadtentwicklungsplan ’74 zu sehen. Bereits auf der ersten Diskussionsveranstaltung des Münchner Forums, dem sog. ‚Stadtplanungstag‘ wurde vom Stadtentwicklungsreferenten Marx betont, daß die „Konzeption dieser Art von Öffentlichkeitsarbeit … keine offene Planung ist“. Die Bürger sollen also nicht beteiligt werden, sondern der Stadtentwicklungsplan soll nur gut verkauft werden. Bei einer verwaltungsinternen Diskussion zur Öffentlichkeitsarbeit wurde das auch offen ausgesprochen. Marx sprach hier nur von „PR-Arbeit“ [237] .

Nun war ungewiß, wie leicht dem Münchner Bürger dieser Plan zu verkaufen war und so diente die öffentliche Diskussion auch dazu, die „Unruhe im Volk“ zu messen. „Die Beteiligung der Öffentlichkeit hatte und konnte auch nur zum Ziel haben, die Entscheidungsgrundlage für den Stadtrat zu erweitern und zu diesem Zweck Meinungen, Argumente, Planungsalternativen und Interessensstandpunkte der Bürger zu sammeln“.(!) [238]

Die Süddeutsche Zeitung kam zu der Einschätzung, daß „in München Änderungen (am Entwurf des Stadtentwicklungsplanes d.Verf.) nur nach den Forderungen bestimmter Interessengruppen vorgenommen“ wurden. „Die Bewohner der Bayrischen Landeshauptstadt durften zwar den Stadtentwicklungsplanentwurf auf Stadtteilausstellungen anschauen und auch darüber diskutieren. Änderungswünsche aber wurden in der Regel abgeblockt.“ [239]

Im Einzelnen bestand die „Öffentlichkeitsarbeit“ aus drei Teilen:

    1. Druck und Verteilung des Entwurfs des Stadtentwicklungsplanes (Lang- und Kurzfassung, „Faltblätter“)
    2. Ausstellungen
    3. Diskussionsveranstaltungen

Ein Blick auf die Kostenübersicht bestätigt den Eindruck, daß es vorwiegend um „PR-Arbeit“ ging. Von den
346 000,- DM Gesamtkosten entfallen auf die Veranstaltungen lediglich 13 500,- DM, das sind 4%. [240]

Zur Diskutierbarkeit des Planes selbst merkt der DGB in seiner Stellungnahme an, daß er „viel zu abstrakt, zu wenig konkret (sei), was zur Folge hat, daß eine breite, öffentliche Diskussion zum gegenwärtigen Zeitpunkt gar nicht statt finden kann. Er bietet in der vorliegenden Form wenig greifbare und damit angreifbare Aussagen.“ [241]

Um den Stadtentwicklungsplan für den „Nichtfachmann“ durchschaubarer zu machen, wurde auf einer Versammlung von Vertretern der Bezirksausschüsse und Bürgerinitiativen die Erarbeitung von stadtteilbezogenen Entwicklungsplänen, die alle für einen Bezirk relevanten Aussagen zusammenfassen (ohne die eigentlich detaillierte Stadtteilentwicklungsplanung vorwegzunehmen), gefordert. Das Stadtentwicklungsreferat lehnte diese Forderung ab, weil „Aussagen für bestimmte Stadtteile wenn sie aus dem Zusammenhang/gerissen werden, durch das Fehlen detaillierter Angaben unverbindlich und bedeutungslos“ würden. [242] Unbewußt wird hier vom Stadtentwicklungsreferat die Undiskutierbarkeit des Stadtentwicklungsplanes, zumindest über einen Kreis von vorwiegend „theoretisch interessierten“ Architekten, Planern usw. hinaus, eingestanden, denn es ist eine bekannte Erfahrung, daß der einfache Bürger nicht an einer Diskussion über Globalkonzepte interessiert ist. [243]

Zur Unverbindlichkeit vermerkt der DGB: „Der Stadtentwicklungsplan kann also nicht einmal einen fundierten Eindruck vermitteln, ein wie großer Teil seiner Vorschläge überhaupt aufgrund der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel verwirklichbar ist.

Neben der Unverbindlichkeit und Abstraktheit des Stadtentwicklungsplans behinderten aber auch fehlende Alternativprogramme eine kontroverse und dadurch fruchtbare Diskussion.

„Soll ein Stadtentwicklungsplan als Diskussionsgrundlage dienen können, muß er alternative Handlungsmöglichkeiten und ihre Konsequenzen aufzeigen. Der Aussage, bei der Formulierung stadtentwicklungspolitischer Ziele muß deshalb stets darauf geachtet werden, daß sich die einzelnen Ziele nicht widersprechen‘ (A-10), kann nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Ziele stehen notwendigerweise in bestimmtem Umfang in Bezug auf ihre inhaltliche, zeitliche, finanzielle und räumliche Verwirklichung in einem Konfliktverhältnis zueinander.“ [244]

Noch in seinem Vorstellungsgespräch beim Münchner Forum betonte der Stadtentwicklungsreferent, daß es „Ziel der wichtigsten Aufgabe , der Stadtforschung (sei) … Alternativprogramme als Vorbereitung für die Entscheidung über politische Strategien“ zu erarbeiten. [245]

Als Begründung für den Mangel an Alternativen im Stadtentwicklungsplan führt das Stadtentwicklungsreferat dann aber aus, daß „zu den grundlegenden Vorstellungen des Entwurfs

des Stadtentwicklungsplans 74 … ernstzunehmende Alternative nicht greifbar“ seien. Sie seien auch „im Verlaufe der Diskussion nicht hervorgetreten“. [246] Als Beispiel dafür, daß sehr wohl Alternativen „hervorgetreten“ sind, sei hier nur das Alternativkonzept der FDP zum „Zentrenkonzept“(das immerhin als Kern des Stadtentwicklungsplanes bezeichnet wurde)genannt. [247]

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3. Hierarchisierung der Planungsverwaltung

Der Versuch einer faktischen Ausschaltung der Öffentlichkeit vom Planungsprozeß hatte seine Entsprechung in einer referatsinternen Reglementierung und Hierarchisierung. Gerade die Überzeugung von der Einheit der Struktur des Planungsprozesses mit der inneren Struktur der Planungsverwaltung war bei der Stadtentwicklungsplanung der ersten Phase Anlaß zu einigen Reformen in der Entscheidungsstruktur und Arbeitsweise des Stadtentwicklungsreferates, die unter dem Stichwort der „Demokratisierung der Planungsverwaltung“ zusammengefasst wurden.

Mit umgekehrten Vorzeichen wurde diese Einheit auch in der zweiten Phase wiederhergestellt. Die bis dahin relativ demokratische innere Struktur des Stadtentwicklungsreferates und das fachliche wie politische Engagement vieler Mitarbeiter, die das „Münchner Modell“ von Stadtentwicklungsplanung nicht nur mitgeschaffen haben, sondern auch nach dem Referentenwechsel noch zur Richtschnur ihrer Arbeit machten, bereitete der neuen Referatsleitung allerdings einige Schwierigkeiten, ihre politische Orientierung referatsintern durchzusetzen.

Dies war der Grund dafür, daß der Referent „Konfrontationen mit bestimmten Teilen bei der Zusammenarbeit mit dem Personalstamm seines Hauses“ auf sich zukommen sah. [248]

„Es habe in der Vergangenheit offenbar nur sehr geringe Vorstellungen darüber gegeben, welche Rechte und Pflichten ein Verwaltungsangestellter habe“, [249] meinte dazu der neugewählte Referatsleiter und gab damit 8 Wochen nach Amtsantritt das Signal für eine referatsinterne „Gegenreform“, wie sie die Münchner Stadtverwaltung seit dem Kriege nicht mehr erlebt hatte:

−      Erstes Referatsrundschreiben: Die Kompetenzen der Geschäftsleitung werden ausgeweitet. [250]

−      Zweites Referatsrundschreiben: Auskünfte, an Presse und an Dritte dürfen nur noch mit Genehmigung des Referenten erteilt Werden. Auskünfte dürfen nur von Dienstkräften erteilt werden, „die vom Referenten allgemein oder für den Einzelfall in einem von ihm bestimmten Rahmen (!) dazu ermächtigt sind“. [251] Dies widersprach der damals noch gültigen Geschäftsordnung des Referats, in der unter dem Stichwort „Informationsarbeit“ steht: „Die Arbeit des Referats zeichnet sich durch weitestgehende Öffnung aus. Es obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen der Beteiligten, erforderlichenfalls die Referatsleitung über besondere Vorgänge zu unterrichten.“ [252]

−      Die Referatsleitung verfügte, daß alle Postausgänge über ihren Schreibtisch zu laufen haben. Ein Nebeneffekt dieses Verfahrens: „Seitdem gilt … das dem Referat angeschlossene Amt für Statistik und Datenanalyse beim Statistischen Landesamt als müder Verein: Die angeforderten Daten versauern auf dem Schreibtisch der Referatsführung.“ [253]

−      Einer ganzen Reihe von Mitarbeitern des Referates wird im Laufe der „Fertigstellung“, des Stadtentwicklungsplanes (die in den meisten Fällen einer völligen Umarbeitung gleichkam), die Federführung für Untersuchungen entzogen, an denen sie zum Teil schon über 5 Jahre kontinuierlich gearbeitet hatten. So wurden z.B. die Studien zum Freizeitverhalten und Wohnungsbau einem Juristen (!) zur „Überarbeitung“ übertragen, der sich bis dahin nie mit diesen Gebieten beschäftigt hatte. Nach einem Jahr Marxscher Amtszeit haben über 10 z.T. Hochqualifizierte Mitarbeiter das Referat verlassen. Die meisten von ihnen waren unmittelbar an den Vorbereitungen zum Stadtentwicklungsplan beteiligt. [254]

−      Der Teamleiter des Teams „sozioökonomische Forschung“ im Arbeitsbereich I „Stadtforschung“ wird in das städtische Einziehungsamt (!) strafversetzt, weil er sich in der Öffentlichkeit kritisch über den Referenten und dessen Vorschläge zur Neuorganisation des Referates geäußert hatte.

−      Der Personalrat tritt aus Protest gegen die Amtsführung des Referenten zurück. Er kritisiert die Vorgehensweise der Referatsführung im Zusammenhang mit der Neuorganisation des Referates. So wurde „die vom Referat dem Personalreferat vorgeschlagene Neuorganisation mit ihren personellen Auswirkungen dem Personalrat … erst nach Auslauf zur Kenntnis gegeben“. „Da wiederholte.mündliche und schriftliche Angebote (zu einer Zusammenarbeit, d. Verf.) wohl bewußt ausgeschlagen wurden, sieht sich der Personalrat nunmehr endgültig außerstande, entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag die Interessen der Mitarbeiter zu vertreten.“ [255]

−      64 von 79 Mitarbeitern des Stadtentwicklungsreferates und alle anwesenden Bediensteten des dem Referat angeschlossenen Amtes für Statistik und Datenanalyse erklären sich mit dem Personalrat solidarisch. [256]

−      Die Referatsleitung bemerkt zu den Vorwürfen des Personalrates, daß „für eine umfangreiche und lang dauernde Diskussion der Neuorganisation mit den Mitarbeitern, deren Sinn und Zweck ohnehin sehr zweifelhaft wäre (!) … (wegen der „Dringlichkeit der Neuorganisation“, d. Verf.) ganz einfach keine Zeit war“. [257]

−      Die Referatsführung droht einem Mitarbeiter die Versetzung an, wenn seine Ehefrau (!) sich weiterhin innerhalb des Münchner Forums an der Diskussion des Stadtentwicklungsplans beteiligt. Obwohl daraufhin die Ehefrau die Leitung einer Arbeitsgruppe bei dem vom Forum veranstalteten“Stadtplanungstag „abgegeben hat, wurde ihr Mann „an einer Stelle eingesetzt, wo sich keine Überschneidungen“ (Marx) ergeben. [258] Diese „Stelle“ befindet sich im Arbeitsbereich eines Mitarbeiters, der schon vor Jahren den Personalrat zu der Empfehlung an das Personalreferat veranlasste, ihm keine Mitarbeiter mehr zuzuordnen, da die Arbeit mit ihm unverträglich sei.

Ihren Höhepunkt erreichte die „Gegenreform“ anlässlich des oben bereits erwähnten „Stadtplanungstages“ im April 1974. Das Münchner Forum beabsichtigte, mit dem „Stadtplanungstag“ die Diskussion, über den Entwurf des Stadtentwicklungsplanes frühzeitig unter Beteiligung eines möglichst großen Kreises von Planungsinteressierten schnell und breit in Gang zu bringen. [259] Zu diesem Zweck sollten in 6 Arbeitsgruppen zusammenhängende Problembereiche der Stadtentwicklung diskutiert werden. In jeder Arbeitsgruppe sollten die jeweiligen Sachbearbeiter des Stadtentwicklungsreferats als Diskussionspartner mitwirken. Das Forum bat die Referatsleitung, „den von uns in den nächsten Tagen angeschriebenen Mitarbeitern … zu genehmigen, in offizieller Eigenschaft, d.h. Als Bedienstete des Referates aufzutreten. Es muß ihnen ihm Rahmen einer offenen Planung auch gewährt werden, daß sie den Gegenstand problematisieren, da ansonsten diese Veranstaltung wie alle anderen wenig Sinn hätte.“ [260]

Dieses Ansinnen barg jedoch die „Gefahr“ in sich, daß der seit einem Jahr schwelende Konflikt zwischen Referatsleitung und der Mehrheit der wissenschaftlichen Mitarbeiter des Referates in aller Öffentlichkeit aufbricht. Um dieser Gefahr aus dem Wege zu gehen, vertrat „das Stadtentwicklungsreferat … die Auffassung, daß die Mitarbeiter die das Referat offiziell vertreten, von der Referatsleitung, nicht vom Münchner Forum ausgewählt werden und diese Mitarbeiter verpflichtet sind, die offizielle Meinung des Referates zu vertreten“. Das Stadtentwicklungsreferat „sieht keine Notwendigkeit dafür, daß die offiziellen Vertreter des Referates den Entwurf kritisieren oder etwa (!) Gesichtspunkte in die Diskussion einbringen, die nach den Erörterungen innerhalb der Stadtverwaltung oder im Referat aufgegeben wurden“ [261] Ganz offensichtlich gab es also auch innerhalb des Referates Alternativen zu dem Entwurf, was vom Referenten in einem anderen Zusammenhang bestritten wurde. [262]

Das Ergebnis war, daß für nur 2 von insgesamt 9 in den Arbeitsgruppen zu diskutierende Themen Mitarbeiter des Stadtentwicklungsreferats zugelassen wurden, die diese Themen auch bearbeitet hatten. Für die übrigen konnte die Referatsführung entweder gar niemanden oder aber nur solche Mitarbeiter auftreiben, die zwar die „offizielle Meinung des Referates „vertraten, für eine differenzierte Diskussion aber nicht kompetent waren . Auf diese Weise kam der oben beschriebene Konflikt innerhalb des Stadtentwicklungsreferates indirekt doch an die Öffentlichkeit.

Im Protokoll einer der Arbeitsgruppen wurde folgendes als Fazit festgehalten; „Die Diskussion war aufgrund ihrer Generalität ebenso unbefriedigend wie die Ausführungen von Prof. Marx; der in der abschließenden Resolution [263] geäußerte Wunsch, diese Diskussion mit dem zuständigen Referenten zu wiederholen, entspricht durchaus dem Wunsch der Arbeitsgruppe.“ [264]

Als in der abschließenden Plenumsdiskussion gefragt wurde, warum die eigentlichen Sachbearbeiter nicht gekommen seien, antwortete Marx: „Man kann schlechterdings von einem Mitarbeiter nicht verlangen, daß er eine Konzeption vertritt, die seinen eigenen Vorstellungen nicht entspricht. Ich bitte Sie aber zu berücksichtigen, daß wir in der Verwaltung eine andere Hierarchie und eine andere Struktur haben als in der Universität, meine Damen und Herren, wo ein Referent politisch verantwortlich ist dafür, was er dem Stadtrat als eine Entscheidungsgrundlage vorlegt. Das ist etwas anderes, ob ein Student oder ein wissenschaftlicher Mitarbeiter ein Papier schreibt, das ihm gerade so als zweckmäßig und richtig erscheint. Diese Dinge sollten Sie sich einmal überlegen und ich kann Ihnen in diesem Zusammenhang nur sagen, daß diese Art von Amtsführung, die ich habe, in der Verwaltung allgemein üblich ist.“ [265] Wird aber eine Konzeption von Stadtentwicklungsplanung nicht unglaubwürdig, wenn sie von ¾ der Sachbearbeiter nicht vertreten werden kann, weil sie ihren Vorstellungen nicht entspricht? Und wird nicht eine Amtsführung in dem Moment zweifelhaft, wo die öffentliche Diskussion eines referatseigenen Produkts durch einen „Maulkorberlaß“ abgesichert werden muß?

Daß eine Planungsverwaltung gerade nicht nach den „allgemein üblichen“ Prinzipien verfahren kann, ist inzwischen Allgemeingut geworden. Auf die entsprechenden Argumente soll hier nicht noch einmal eingegangen werden. [266] In einer Arbeitsgruppe des oben genannten Stadtplanungstages wurde dazu gesagt, „daß man hier ja den Anspruch zu berücksichtigen habe, der als ‚demokratische Stadtplanung‘ formuliert worden sei, während ja z.B. der ‚U-Bahn-Maulwurf‘ ‚nie habe demokratisch wühlen sollen‘. [267]

Was die „politische Verantwortung“ betrifft, so gilt sie einem Stadtrat, dessen Mehrheitsfraktion, die SPD, ein Programm für die Jahre 1972-78 verabschiedet hat, in dem zu lesen ist: „München braucht noch mehr Mitbestimmung und Bürgerinitiative, insbesondere in den Planungsverfahren.“ München braucht eine Verwaltung, die sich modernster Verfahren und Techniken bedient, dabei aber um Durchsichtigkeit und Bürgerbezogenheit bemüht ist. Hierarchische Strukturen müssen durch Projekt- und Arbeitsgruppen abgelöst werden. [268] Die Teilnehmer des „Stadtplanungstages“ gingen von einem ähnlichen Verständnis von Mitbestimmung und Verwaltungsstruktur aus, als sie eine Resolution verabschiedeten, in der das Stadtentwicklungsreferat aufgefordert wird, erst einmal die Voraussetzungen für eine sinnvolle öffentliche Diskussion zu schaffen. [269]

Die Hälfte der rd. 400 Teilnehmer fordert durch ihre Unterschrift darüberhinaus eine öffentliche Anhörung des Stadtentwicklungsreferenten, die Aufklärung über seine Amtsführung verschaffen sollte.

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4.   Der „Vergabeskandal“

Der sog. „Vergabeskandal“ (gemeint ist die Vergabepraxis des Stadtentwicklungsreferates bei Forschungsaufträgen an wissenschaftliche Institute und einzelne Auftragnehmer) hat durch seine Rolle im bayrischen Landtagswahlkampf von 1974 und durch die überregionale Presse weit über München hinaus Furore gemacht.

(In einer nordrheinwestfälischen Großstadt z.B. wurden Einschränkungen bei der Vergabe von Forschungsaufträgen bereits mit dem Münchner „Vergabeskandal“ begründet.)

Ursprünglich ging es um den Vorwurf, das Stadtentwicklungsreferat hätte während der Amtszeit von Hubert Abreß Forschungsaufträge dazu benutzt, „linksradikale Kräfte“ bewußt zu fördern, wobei vermutet wurde, daß damit u.a. linke Kritiker innerhalb der SPD an die „goldene Kette“ gelegt werden sollten. [270]

Zur Aufklärung dieser Vorwürfe wurde das städtische Revisionsamt eingeschaltet, in dessen erstem Bericht in erster Linie „erhebliche Mängel im Verhaltungsgebaren des Stadtentwicklungsreferates festgestellt“ wurden, der „Vorwurf, das Stadtentwicklungsreferat habe einseitig unter politischen Gesichtspunkten Aufträge vergeben“ aber nicht bestätigt wurde. [271]

Neben seiner (von den Initiatoren sicher unbeabsichtigten) Funktion als Wahlkampfmunition der CSU [272] seiner Funktion als Affront gegen die Linke innerhalb der SPD und seiner Funktion, „Mängel im Verwaltungsgebaren“ aufzudecken, spielte der „Vergabeskandal“ in der politisch-ideologischen Auseiandersetzung des neuen Stadtentwicklungsreferenten mit dem „Münchner Modell“ und der früheren Politik des Referates unter der Leitung von Abreß eine wichtige Rolle.

Stadtentwicklungsreferent Marx war in der Situation, mit seiner neuen Politik nicht nur bei den noch aus Abreß-Zeiten stammenden Mitarbeitern auf Widerstand, sondern auch in der Öffentlichkeit zunehmend auf Kritik zu stoßen. Marx mußte sich dabei an der bisherigen Politik des Stadtentwicklungsreferates messen lassen, die trotz der in Teil B beschriebenen Widersprüche im Vergleich zur Politik der übrigen Referate immer noch relativ bürgerfreundlich war. Stadtentwicklungsreferent Abreß selbst genoß bei vielen, vor allem engagierten Bürgern relativ großes Ansehen.

Dem neuen Stadtentwicklungsreferenten konnte daher nichts gelegener kommen, als eine öffentliche Anprangerung des „Verwaltungsgebarens“ des bisherigen Referenten und seiner Mitarbeiter, eine Anprangerung, die durch die Presseberichterstattung und die Attacken der CSU allerdings letztlich auf eine „Rufmordkampagne“ hinauslief. [273]

Es gibt einige Hinweise dafür, daß nicht die CSU, sondern Vertreter des rechten SPD-Flügels, also die politischen Kräte, die für die Wahl von Marx und die neue Politik des Referates verantwortlich sind, die Initiatoren des „Vergabeskandals“ sind. „Inzwischen glaubt von den Beteiligten niemand mehr, daß der Vorsitzende der CSU-Stadträte, Dr.Winfried Zehetmeier, von selbst auf die Idee gekommen ist, in einer Anfrage danach zu forschen, wer von wem und zu welchen Honorarvereinbarungen die Aufträge bekommen hat. Wie die SZ erfuhr, soll Zehetmeier sogar aus Kreisen des politischen Gegners informiert worden sein.“ [274]

Eine entscheidende Rolle spielte hier der Münchner Stadtanzeiger, Organ des rechten Flügels der SPD. Er war es, der am 4.Januar 1974, also ein Monat vor der Anfrage des CSU Fraktionsvorsitzenden unter der Rubrik „Notizen – Meinungen“ folgende Fragen stellte: „An welche Personen und Institutionen hat das Stadtentwicklungsreferat der Landeshauptstadt bis Feb. 1972 Aufträge außer Haus gegeben? Wer hat sie vergeben? Welche Arbeiten – detailliert – wurden geliefert? Was wurde dafür bezahlt? Befinden sich unter den Auftragnehmern auch Personen oder Institutionen, die weder aufgrund ihrer Vorbildung noch ihrer laufenden Tätigkeiten für solche Aufträge geeignet waren? Befinden sich darunter auch

Personen, die nach eigenen eingehenden schriftlichen Darlegungen unser demokratisches Staatswesen bekämpfen und unsere freiheitliche Verfassung beseitigen wollen? Der Oberbürgermeister, das Revisionsamt der Stadtverwaltung und .±e Regierungsaufsicht sollten sich mit dieser Angelegenheit befassen; die übrigens auch Münchens Stadträte interessieren müsste.“

Die Detailliertheit der Fragen, die hier vom Chef des Stadtanzeigers, Erich Hartstein, an Institutionen und Einzelpersönlichkeiten, die dann übrigens alle in seinem Sinne aktiv wurden, gerichtet wurden, läßt sich kaum anders erklären,als daß er direkt von der Referatsspitze, die allein Zugang zu den entsprechenden Unterlagen hatte, informiert wurde, bzw. selbst Einsicht in diese Unterlagen bekam.

Es war auch der Stadtanzeiger, der als erster aus dem vertraulichen Teil des Revisionsberichtes zitierte [275] , der nur bei der Leitung des Stadtentwicklungsreferates und dem zuständigen Stadtratsausschuß bekannt war.

Zur Rolle von Stadtentwicklungsreferent Marx beim „Vergabeskandal“ meinte Ellwein in einem Rundfunkkommentar: „Der Nach folger des zuständigen Referenten, Prof. Marx hat die Notwendigkeit so zahlreicher Aufträge … verneint. Daß es im Sinne der Amtskontinuität liegt, zunächst einmal für das Amt einzustehen und gegebenenfalls erst im zweiten Akt die persönliche Verantwortung herauszustellen, weiß er wohl noch nicht. Aber wenn schon der heutige Stadtentwicklungsreferent sich so abfällig äußert, darf man von der Boulevardpresse, zumal von der SPD-feindlichen, nicht mehr erwarten. [276]

Inhaltlich zielte die Äußerung Marx‘ zur Notwendigkeit der Aufträge darauf ab, die Abkehr der Stadtentwicklungsplanung von der Grundlagenforschung, d.h. Die generelle Abkehr von einer Stadtforschung, wie sie von Abreß verstanden wurde, zu rechtfertigen. Daß es sich dabei um ein „Mißverständnis von wissenschaftlicher Forschung, bei denen die es wissen müßten“ (Ellwein) handelt, wurde in Abschnitt C II bereits erläutert.

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III. Von den Problemstudien zum Stadtentwicklungsplan 1975 am Beispiel des Kapitels „Wohnen“

Mit dem Stadtentwicklungsplan 1975 ist die „Stadtentwicklungsplanung im eigentlichen Sinne“ (in Unterscheidung zum Stadtentwicklungsplan von 1963), die 1968 mit der Etablierung einer Abteilung der Stadtforschung im damaligen Direktorium-Investitionsplanungs- und Olympiaamt ihren Anfang nahm, zu einem vorläufigen Abschluß gekommen.

[Stadtentwicklungsplan 1975 in den Dokumenten der Stadtentwicklungsplanung – in 13 Teildokumenten unter: Stadtentwicklungsplan, 1975]

Den Wert dieser Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung muß sich letztlich an ihrem Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse für die Münchner Bevölkerung und zur Erhöhung des politischen Einflusses der Bürger auf die Gestaltung ihrer Umwelt messen lassen.

Obwohl eine solche Bewertung im Grunde erst nach Ablauf des mittelfristigen Realisierungszeitraumes von 10 bis 12 Jahren den der Stadtentwicklungsplan 1975 angibt, möglich wäre, könnte sie doch anhand der bisherigen Erfahrungen mit Stadtentwicklungsplanung in München und aufgrund der immanenten Widersprüche des Plans teilweise auch jetzt schon vorgenommen werden. Im Rahmen dieser Arbeit kann der Plan als Ganzer aber nicht behandelt werden. Um jedoch die wesentlichen Momente der Bewegung der Münchner Stadtentwicklungsplanung in den vergangenen acht Jahren und die zukünftige Tendenz der Entwicklung einschätzen zu können, ist es erforderlich, wenigstens am Beispiels eines Problembereichs auf den Plan einzugehen.

Dabei besteht die Möglichkeit, die Veränderungen der inhaltlichen Aussagen der Stadtentwicklungsplanung, welche im Zuge der allmählichen Durchsetzung der technokratischen Planungskonzeption durch die neue Referatsleitung in der Zeit von 1973 bis 75 vorgenommen wurden, anhand vier verschiedener „Entwicklungsstufen“ nachzuvollziehen:

    1. Die Problemstudien zu den einzelnen Sachgebieten, die Grundlage für die einzelnen Kapitel des Stadtentwicklungsplanes waren. (1973)
    2. Der sog. „Achatswies-Entwurf“, der Entwurf des Stadtentwicklungsplans für die verwaltungsinterne „Abgleichsdiskussion“ auf höchster Ebene. (Jan. 1974 – nicht veröffentlicht)
    3. Der Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74, der die Grundlage für die öffentliche Diskussion war. (April 1974)
    4. Der Stadtentwicklungsplan 1975, wie ihn der Stadtrat im Sommer ’75 beschlossen hat. [277]

Es wird hier der Problembereich „Wohnen“ ausgewählt, weil die entsprechende Problemstudie [278] am deutlichsten an der Konzeption des „Münchner Modells“ anknüpft. Die Veränderungen der Münchner Stadtentwicklungsplanung werden hier deshalb in ihrem vollen Ausmaß deutlich.

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1. Zur Einschätzung der Situation auf dem Wohnungsmarkt

a. Die Planungsmöglichkeiten der Kommune

Übereinstimmend wird auf allen Stufen sinngemäß festgestellt, daß „den Kommunen im Bereich der Wohnungswirtschaft nur eine sehr beschränkte Zuständigkeit eingeräumt ist und deshalb der Spielraum, in dem sie selbst aktiv zur Verbesserung der Wohnverhältnisse beitragen können, gering ist.“ (4, 3)

In der Problemstudie wurde daraus der Schluß gezogen, daß „das Gewicht einer Wohnungsmarktproblemstudie stärker auf der Analyse der realen Verhältnisse, die bisher eine Realisierung von Zielvorstellungen verhinderten,als auf der Ableitung von Zielvorstellungen liegen (muß). Aus diesen Gründen kann sich auch die Analyse nicht auf den Wohnungsmarkt in München beschränken.“ (1, 1/5) Der Vorrang der Analyse hängt dabei eng mit der politischen Funktion der Stadtentwicklungsplanung zusammen. [279]

Auf den nachfolgenden Stufen wird aus den geringen Handlungsmöglichkeiten der Kommune nur gefolgert, daß sich die Möglichkeiten „häufig in Forderungen an den jeweils zuständigen Gesetzgeber“ erschöpfen. (4, 3)

b. Die gesellschaftspolitische Dimension des Wohnungsbaus

„Der Wohnungsmarkt ist im starken Maße mit den übrigen sozialen und ökonomischen Bereichen der Gesellschaft verflochten und wird durch die politischen und ökonomischen Entwicklungstendenzen im Gesamtsystem entscheidend geprägt. Eine Analyse des Wohnungsmarktes muß deshalb zunächst mit der Stellung des Wohnungsmarktes im gegenwärtigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem beginnen.“ (1, III/1)

„Die Wohnungsversorgung wird von Faktoren bestimmt, die von ökonomischen Entwicklungen außerhalb des Wohnungsmarktes beeinflusst werden: Die Entwicklung der Arbeitsplätze, der Masseneinkommen, der Grundstückspreise und dem Zwang, einen mit dem in der Produktions― und Distributionsphäre vergleichbaren Gewinn zu erzielen. Aufgrund dieser Abhängigkeit ist ein Gleichgewicht zwischen Wohnungsangebot und Wohnungsbedarf prinzipiell ausgeschlossen. Die Investitionsbereitschaft ist an die zwei Voraussetzungen gebunden, daß erstens ein Nachfrageüberhang, also ein Wohnungsdefizit, vorhanden sein muß, damit eine ausreichende Gewinnerwartung bei relativ niedrigem Vermietungsrisiko entsteht, und daß zweitens der Bedarf mit einer marktwirksamen Kaufkraft ausgestattet sein muß. Zwischen beiden Voraussetzungen liegt der grundlegende soziale Widerspruch des Wohnungsmarktes, da das Wohnungsdefizit in den unteren und mittleren Einkommensgruppen zu finden ist, die marktwirksame Nachfrage aber bei den vorherrschenden Bau― und Grundstückspreisen nur von den oberen Einkommensgruppen aufgebracht werden kann. Dieser Widerspruch stellt die Funktionsfähigkeit des Angebots- und Nachfragemodells zur Herstellung eines ausgeglichenen Wohnungsmarktes in Zweifel und verlangt nach entscheidenden politischen Korrekturen. “ (1, III/17)

Im Achatswies-Entwurf wird die gesellschaftspolitische Dimension des Wohnungsbaus folgendermassen angesprochen: „Im Mechanismus der wohnungswirtschaftlichen Investitionsentscheidungen ist die Tendenz zu einer anhaltenden Unterversorgung der mittleren und unteren Einkommensempfänger angelegt.“ (2, 6)

Im Stadtentwicklungsplan-Entwurf 74 schließlich steht: „Der freifinanzierte Wohnungsbau wird auch künftig die Unterversorgung der mittleren und unteren Einkommensempfänger nicht beseitigen, weil privates Kapital nur dann in den Wohnungsbau fließt, wenn langfristig eine mit anderen Kapitalanlagen vergleichbare Rentabilität erwartet wird.“ (3, 8)

Im Stadtentwicklungsplan 1975 ist von einer Systembedingtheit der Unterversorgung auf dem Wohnungsmarkt nicht die Rede.

c. Sozialpolitische Bedeutung des Wohnens

Um den Druck auf den Gesetzgeber wirksam zu machen, ist es notwendig, sämtliche Dimensionen des Wohnungsproblems aufzuzeigen. Interessant ist deshalb, daß die Breite des Wohnungsproblems von Stufe zu Stufe immer stärker reduziert wird, obwohl auf allen Stufen die Forderungen an den Gesetzgeber im Vordergrund stehen.

Problemstudie und Achatswies-Entwurf führen folgende Punkte an:

−      Zu kleine Wohnungen behindern die intellektuelle und psychische Entfaltung.

−      Schlecht ausgestattete Wohnungen und fehlende Gemeinschaftseinrichtungen absorbieren einen großen Teil der Arbeitskraft und beeinträchtigen sogar die Gesundheit.

−      Unzureichend zur Außenwelt geschützte Wohnungen verletzen das mit der Zunahme entfremdeter, sinnentleerter Berufsarbeit bedeutsamer werdende Bedürfnis nach Geborgenheit im Privatbereich.

−      Hohe Mieten schränken entweder die Möglichkeit ein, eine angemessene Wohnung zu mieten oder erzwingen angesichts beschränkten Einkommens eine unangemessene Einschränkung des Konsums.

−      Die unzureichende rechtliche Sicherung der Mieter vor Kündigungen führt zu ständiger Lebensunsicherheit.

−      Der Mangel an familiengerechten Wohnungen zu tragbaren Preisen gerät häufig in Konflikt mit einer wünschenswerten Familienplanung und schafft belastende Mobilitätszwänge. (2, 1 u. 2)

Im Stadtentwicklungsplanentwurf ’74 wird auf die Probleme unzureichend zur Außenwelt geschützter Wohnungen und des Mangels an familiengerechter Wohnungen nicht mehr eingegangen. Als Folge schlecht ausgestatteter Wohnungen und des Mangels an Gemeinschaftseinrichtungen wird an Stelle der Erschwerung der „Teilnahme an sozialen Prozessen, die der Weiterentwicklung der Gesellschaft dienen“ (2, 2) die Erschwerung „privater Weiterbildung“ angeführt. (3, k)

Im Stadtentwicklungsplan 1975 schließlich reduziert sich die Problemsicht darauf, daß zu enge Wohnverhältnisse die Sozialisation der Kinder beeinträchtigen, zu „negativen Verhaltensweisen“ führen und bei den Eltern „wachsende Aggressivität verursachen. (4, 12)

d. Das Ausmaß des Wohnungsproblems

Die Problemstudie beschreibt das Wohnungsproblem zusammenfassend folgendermassen: „Die hervorstechendsten Merkmale des gegenwärtigen Wohnungsmarktes – Kündigungen aufgrund von Hausabbrüchen, Umwandlung in Eigentumswohnungen oder in Ausländerunterkünfte, starke Mietpreissprünge, leerstehende Wohnungen, breite öffentliche Kritik an schlechter Schallisolierung, Mangel an Gemeinschaftseinrichtungen u.ä., keine Umzugschancen, hoher Wohnungsfehlbedarf, – weisen auf das Fortbestehen von beträchtlicher Wohnungsnot hin. Ohne Zweifel hat die heutige ‚Wohnungsnot‘ gegenüber dem quantitativen Wohnungsmangel der Nachkriegszeit eine andere Qualität angenommen, insofern als die Qualität der Wohnungen und des Wohnumfeldes, der Mietpreis und die Wohnsicherheit in den Vordergrund getreten sind. Subjektiv wird aber wahrscheinlich der Mangel an sicheren, komfortablen und preiswerten Wohnbedingungen nicht minder stark empfunden, da im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten 20 Jahre die Ansprüche an die Wohnung und das Wohnumfeld angestiegen sind.“ (1,II/19)

Achatswies-Entwurf und Stadtentwicklungsplan-Entwurf 74 sprechen beide davon, daß „nach wie vor ein großer Mangel an Wohnungen (besteht), die nach Größe und Ausstattung für Familien geeignet sind und für die Mieten zu entrichten sind, die auch von den unteren Einkommensgruppen getragen werden können.“ (3, 4)

Im Stadtentwicklungsplan 1975 wird dagegen“pauschal gesagt.. ., daß sich der Wohnungsmarkt entspannt hat: die drückende Wohnungsnot, die noch vor einigen Jahren unter der Münchener Bevölkerung zu verzeichnen war, ist heute nicht mehr in diesem Maße vorhanden. Die Ursache hierfür ist einerseits die in den letzten Jahren stark rückläufige Bevölkerungsbewegung und andererseits die anhaltende Tätigkeit im freifinanzierten Wohnungsbau.“ (4, 5)

Zur Wirkung von Bevölkerungsbewegung und freifinanzierten Wohnungsbau (der in München fast ausschließlich Eigentumswohnungsbau ist [280] ) auf den Wohnungsmarkt heißt es im Achatswies-Entwurf, „daß eine stagnierende Bevölkerungsentwicklung die Neubautätigkeit sehr stark lähmen kann“ (2,6) und in der Problemstudie, daß die „Verbreitung der Eigentumswohnung‘ die Wirkung hat, „daß die problematische Gesamtverfassung des Wohnungsmarktes, die gerade den Durchbruch der Eigentumswohnung begünstigt hat, durch die Eigentumswohnung weiter verschlechtert wurde.“ (1, IV/27)

Im Stadtentwicklungsplan 1975 wird das Ausmaß des Wohnungsproblems also nicht nur verharmlost, sondern auch falsch analysiert, was sich dann in der Bestimmung der Ziele niederschlägt. [281]

Die Problemstudie errechnet einen Anstieg des Wohnungsbedarfs von 25 600 WE 1973 auf über 30 000 WE im Jahre 1976, der infolge eines Nachfragerückgangs seitens ausländischer Arbeitskräfte ab 1980 auf jährlich 21 800 WE zurückgeht (1, VII/5), wobei davon ausgegangen wird, „daß alle Berechnungsmethoden stets nur den untersten Grenzwert des Wohnungsdefizits erfassen.“ (1,II/7)

Achatswies- und Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 stellen für 1973 einen Wohnungsbedarf von ca. 16 500 WE fest, der bis 1980 auf 21 400 WE jährlich ansteigen soll, wobei auf die dazwischenliegenden Jahre nicht eingegangen wird. Aus den Unterlagen geht nicht hervor, ob sich die gegenüber der Problemstudie stark reduzierten Bedarfszahlen auf veränderte Berechnungsmethoden oder eine veränderte Bevölkerungsprognose zurückgehen.

In seiner Stellungnahme zum Stadtentwicklungsplan-Entwurf •74 warnte der Haus- und Grundbesitzerverein „dringend … vor der Festlegung eines überhöhten Wohnungsbedarfs, nicht ohne den Hinweis, daß die derzeitigen Wohnungshalden vor allem auf die Angaben zu hoher Wohnungsbedarfszahlen durch die öffentliche Hand zurückzuführen seien.“ [282]

Im Stadtentwicklungsplan 1975 wird nun auf die Angabe eines Wohnungsbedarfs völlig verzichtet. „Über den Bedarf an Wohnungen in München lassen sich zur Zeit keine eindeutigen Angaben machen. Erst eine umfassende Prognose … kann hier einigermaßen zuverlässige Richtwerte geben.“ (4, 5)

Während bis hin zum Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 auf allen Stufen sinngemäß festgestellt wird, daß der Umfang des in Zukunft zu erwartenden Wohnungsbaus nach allen vorliegenden Erkenntnissen erheblich hinter dem errechneten Wohnungsbedarf Zurückbleiben“ wird (3, 8) [283] , heißt es im Stadtentwicklungsplan 1975, daß der „gegenwärtige Wohnungsfehlbestand … nicht genau zu beziffern“ ist. (4, 5)

Der Verzicht auf eine wenigstens grobe Wohnungsbedarfsprognose (auf deren Mängel hingewiesen werden kann), die auch eine Abschätzung des Wohnungsfehlbestandes erlauben würde, hat zur Folge, daß das Ausmaß des Wohnungsproblems in München völlig unklar bleibt und die Forderungen an den Gesetzgeber damit kaum Gewicht bekommen.

e. Ursachen des Wohnungsmangels

Neben den oben bereits angeführten allgemeinen strukturellen Determinanten des privatwirtschaftlich organisierten Wohnungsbaus geht es hier vor allem um die Einschätzung des Eigentumswohnungsbaus, der 1972 drei Viertel der Neubauwohnungen ausmachte. [284] Achatswies- und Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 interpretieren die derzeitige „Krise des Eigentumswohnungsmarktes (7 000 bis 9 000 bezugsfertige und leerstehende Eigentumswohnungen) (dahingehend), daß der Eigentumswohnungsbau nur einen vorübergehenden Ausweg aus der Strukturkrise des Wohnungsmarktes darstellte.“ „Damit stößt der privatwirtschaftliche Wohnungsbau erneut an seine Schranken, die vorübergehend durch die Erwartung der Eigentumswohnungskäufer auf steigende Grundstückspreise aufgeschoben werden konnte.“ (2, 7 u. 8 u. 3, 8)

Der Stadtentwicklungsplan 1975 interpretiert dagegen die Situation auf dem Eigentumswohnungsmarkt (hier werden nur noch ca. 5 000 leerstehende Eigentumswohnungen angegeben) dahingehend, daß der „Eigentumswohnungsbau wohl nur mit Übergangsschwierigkeiten zu kämpfen hat“. (4, 7)

Die relativ positive Bewertung des Eigentumswohnungsbaus entspringt dabei unmittelbar der Ignorierung der strukturellen Determinanten eines privatwirtschaftlich organisierten Wohnungsmarktes. Wenn die Ursache für leerstehende Eigentumswohnungen hauptsächlich darin gesehen wird, „daß die Bauwirtschaft in der Zeit der Hochkonjunktur nicht ausreichend kalkuliert und den Markt nur ungenügend erforscht hat“ (4,7), dann wird suggeriert, daß der Eigentumswohnungsbau durchaus eine langfristige Perspektive haben könnte, wenn nur solider bewirtschaftet würde. [285]


Entwicklung der Mieten in München 1964 – 1972

Alter und Ausstattung der Wohnungen

Alter Ausstattung
Zeit abs. % Qualitätsmerkmale abs. %
bis 1900 52.800 9.8 Wohnungen insgesamt 100
1901-1918 38.700 7.2 mit Bad, WC und

Sammelheizung

297.400 55,3
1919-1948 82.200 15,2 mit Bad, WC ohne
Sammelheizung
150.900 27,9
1949 u. später 365.400 67.8 ohne Bad mit WC 65.900 12,2
insgesamt 539.100 100 ohne Bad und ohne WC 24.900 4,6

 

Veränderungen im Wohnungsangebot in München

Jahr Fertig-gestellte
Wohnungen
Eigentums-
wohnungen [286]
Sonst, freifinanzierte Wohnungen Öffentlich geförderte soziale Wohnungen [287] Anteil des Wohnungsbaus in München am Wohnungsbau in der Region
abs. % abs. % abs. % %
1962 17.224 1.760 10 7.731 45 7.733 45 69
1963 17.148 1.758 10 9.275 54 6.115 36 65
1964 16.036 3.003 19 6.574 41 6.459 40 65
1965 10.525 3.056 29 3.614 34 3.855 37 56
1966 14.347 3.979 28 5.351 37 5.017 35 56
1967 14.536 3.709 25 6.096 42 4.731 33 58
1968 15.098 4.436 29 7.034 47 3.628 24 60
1969 14.363 5.775 40 4.949 35 3.639 25 60
1970 10.892 7.150 65 2.128 19 1.714 16 48
1971 13.219 8.413 64 2.741 21 2.055 15 49
1972 22.083 16.527 75 3.414 15 2.255 10 55
1973 16.800 13.200 78 2.140 13 1.460 9 53
1974 14.300 11.700 82 1.900 13   700 5 45

Quellen: Amt für Statistik und Datenanalyse, Bewertungsamt


Der positiven Bewertung des Eigentumswohnungsbaus im Stadtentwicklungsplan 1975 entspricht die Verschleierung seiner Auswirkungen auf den sozialen Wohnungsbau.

Im Gegensatz zum Achatswies- und Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74, die beide sinngemäß den „zunehmenden Rückgang des sozialen Wohnungsbaus … unmittelbar auf (die) starken Preissteigerungen im Grundstücks-kund Bausektor (zurückführen), die nicht zuletzt mit dem verstärkten Bau von Eigentumswohnungen in Zusammenhang stehen“ (3, 4) macht der Stadtentwicklungsplan 1975 in erster Linie „die Größe und die bessere qualitative Ausstattung der Wohnungen“ für die Kostensteigerungen beim sozialen Wohnungsbau verantwortlich. (4,8) Angesichts einer Kostensteigerung von fast 100% in vier Jahren [288] ist diese Argumentation aber kaum haltbar. [289]

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2. Ziele und Maßnahmen der Wohnungspolitik

a. Doppeltes Ziel der Stadtforschung

Die Problemstudie hält eine Verbesserung der Wohnverhältnisse nur auf doppeltem Wege für erreichbar:

„Einmal muß der Entwicklungsplanung rationale Entscheidungshilfe gegeben werden, indem für die wohnungspolitischen Entscheidungen die realen Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt transparent gemacht werden. Zum anderen muß die Bevölkerung über die Mechanismen, die die Misere der Wohnungsmärkte verursachen, aufgeklärt werden, da letztlich nur über den Druck einer aufgeklärten Öffentlichkeit die rechtlichen, ökonomischen und politischen Barrieren für einen besseren Wohnungsbau aufgehoben werden können.“ (1, 1/2)

Damit knüpft die Problemstudie direkt an der politischen Zielsetzung des „Münchner Modells“ an, wonach gesellschaftliche Probleme Uber eine kritische Analyse aufgelöst werden sollen, “ ‚indem ein neues, besseres Verständnis der sozialen und politischen Situation das Bewußtsein‘ der Handelnden und ‚damit auch die Bedingungen des Handelns ändert‘.“ [290]

Diese ganz entscheidende Orientierung von Stadtforschung und Stadtentwicklungsplanung fällt bereits beim Achatswies- Entwurf völlig weg.

b. Interessensmäßige Orientierung

Auf allen vier Stufen wird festgestellt, daß vor allem unterprivilegierte Schichten vom Wohnungsproblem betroffen sind:

„Das Wohnungsproblem (betrifft) primär die Sozialgruppen, die nicht in der Lage sind, Wohnungseigentum zu erwerben oder eine Neubauwohnung zu Marktpreisen anzumieten.“ (2, 1 und 3, 4)

„Schon Bevölkerungsschichten mit mittlerem bis höherem Einkommen sind gegenwärtig nicht oder nur unter großen finanziellen Anstrengungen in der Lage eine ihrem Bedarf entsprechende Wohnung zu mieten.“ Dies gilt „in einem gesteigerten Maße für die Bevölkerungsschichten …, die nur ein niedriges bis mittleres Einkommen beziehen.“ (4, 6) Trotz der in diesem Punkt gleichen Einschätzung kommt der Stadtentwicklungsplan 1975 zu einer ganz anderen interessensmäßigen Orientierung seiner wohnungspolitischen Ziele.

Die Problemstudie „greift die Interessen der Mieter auf“, deren „schwache Position gegenüber den Hausbesitzern“ verbessert werden soll (1, 1/6), der Achatswies-Entwurf nennt die „Herstellung eines ausreichenden Angebots von preiswerten und familiengerechten Wohnungen“ als Hauptziel (2, 14) lind der Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 rückt „im Interesse der sozialen Gerechtigkeit die Beschaffung von preiswerten Wohnungen … (ins’s) Zentrum der politischen Aktivitäten der Kommunen“ und setzt damit klare Prioritäten gegenüber den übrigen Zielen des Stadtentwicklungsplans.

Beim Stadtentwicklungsplan 1975 hingegen entfällt die sozialpolitische Orientierung der Wohnungsbaupolitik: „Im Mittelpunkt der kommunalen Wohnungspolitik muß das Bestreben stehen, dafür zu sorgen, daß der Bevölkerung ein in Qualität und Quantität hinreichend differenziertes, vor allem breitgefächertes Angebot an Wohnraum zur Verfügung steht, das in der Lage ist, die Nachfrage – je nach Bedarf und Mietzahlungsbereitschaft – zu befriedigen. Es gilt also, die Wahlmöglichkeiten (!) im Hinblick auf die Qualität und den Preis zu erhöhen.“ (4, 12)

Die Allgemeinheit dieser Zielbestimmung macht es nicht nur innerhalb der Wohnungspolitik, sondern auch in Bezug zur übrigen Kommunalpolitik unmöglich, Prioritäten zu bestimmen.

Über den Zusammenhang von gesellschaftlichen Interessen und [291] Wohnungspolitik steht in der Problemstudie, daß sich „die strategischen Grundsatzentscheidungen zurBewältigung des Wohnungsmarktes… nicht dem Kriterium beugen (können), daß sie mit den auf dem Wohnungsmarkt etablierten Interessen völlig in Deckung zu bringen sind. Die Realisierung von problemlösenden Zielvorstellungen wird vielmehr nur durch die kritische Infragestellung dieser Interessenslagen gelingen.“(1, X/1)

Im Stadtentwicklungsplan 1975 heißt es nun: „Das Ziel der Wohnungsbaupolitik kann nur dann verwirklicht werden, wenn … sowohl die Belange des Mieters als auch die Vermieters und des Eigenheimbesitzers ausreichend berücksichtigt werden.“ (4, 12)

Mit dieser Formulierung kommt der Stadtentwicklungsplan 1975 der IHK entgegen, die in ihrer Stellungnahme zum Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 schreibt: „Wir vermissen aber eine auch nur andeutungsweise Behandlung der wirtschaftlich keineswegs rosigen Lage der Eigentümer von Altbauwohnungen.“ [292] Er berücksichtigt die Belange der Vermieter dann auch mit der Forderung, daß dem „Hauseigentümer … unter Berücksichtigung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ein angemessener Ertrag gesichert werden“ muß. (4,13)

Die Interessen der Mieter sollen gleichzeitig dadurch geschützt werden, daß „Förderungsmaßnahmen und Mieterhöhungsmöglichkeiten so gekoppelt werden, daß die Mieten das sozial vertretbare Ausmaß nicht übersteigen“, wobei es „im Hinblick auf die hohen Kosten, die mit der Errichtung und Unterhaltung von Wohnungen verbunden sind, die beschränkten öffentlichen Mittel und den insgesamt steigenden Wohnungsstandard … unehrlich (wäre) – weil gegen jede wirtschaftliche Vernunft – , Mieten zu fordern, die unter 20)6 des Nettoeinkommens der Mieter liegen sollen“ (4,13).

Nimmt die Wohnungsbaupolitik die „wirtschaftliche Vernunft“ zur Richtschnur und die Beschränktheit der öffentlichen Mittel als unveränderlich hin, dann müssen die Interessen der Mieter aber notwendigerweise auf der Strecke bleiben, denn die „wirtschaftliche Vernunft“, die sich in einem privatwirtschaftlichen System im Gewinnmaximierungsprinzip realisiert, „kann auf dem Wohnungsmarkt angesichts der Besonderheit der Ware Wohnung gegenüber allen anderen Waren nicht eine ausreichende Versorgung’sicherstellen.“ (1, III/2)

Hier zeigt sich, daß die Orientierung der Stadtentwicklungsplanung an den „gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen“ nicht nur die Stadtentwicklungsplanung als solche ad absurdum führt [293] , sondern gleichzeitig bedeutet, daß sie den herrschenden, d.h. den jeweils politisch und ökonomisch mächtigeren Interessen dient.

So fallen auch die Forderungen nach einer „Reform des Bodenrechts“, nach einer „Förderung der Rationalisierung des Wohnungsbaus“ und nach „Abbau krasser Unterschiede in der Einkommensverteilung“ (2, 15) bereits beim Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 weg.

c. Allgemeine Orientierung des Wohnungsbaus

Allgemeine Orientierung des Achatswies- und Stadtentwicklungsplan-Entwurfs ’74 war, den „Wohnungsbau stärker als bisher als Gegenstand öffentlicher Daseinsvorsorge“ anzuerkennen (3, 12)

Diese Zielrichtung wurde vom Haus- und Grundbesitzerverein dahingehend interpretiert, daß dem „freifinanzierten Wohnungsbau … vollends der Garaus gemacht werden“ solle. Dagegen setzte er die Forderung: „Bei den Bürgern solle nicht der Eindruck erweckt werden, daß ihnen durch verstärkte Aktivitäten der öffentlichen Hand ein billigeres und besseres Wohnen ermöglicht werden kann. Auch die Miete müsse sich an den Kosten orientieren.“ [294]

Im Stadtentwicklungsplan 1975 soll der Wohnungsbau nun nicht mehr Gegenstand öffentlicher Daseinsvorsorge sein. Vielmehr sei die öffentliche Wohnungspolitik gewungen, „nicht nur den sozialen, sondern auch den freifinanzierten Wohnungsbau in ihre Überlegungen miteinzubeziehen.“ (4,12) „In diesen Zusammenhang gehört auch die Überlegung, daß – im Gegensatz zur Auffassung weiter Bevölkerungskreise – die Wohnung kein ‚billiges Gut‘ sein kann. Bereits vor Jahrzehnten wurden Mieten in Höhe von 20 – 30 % des Nettoeinkommens als normal angesehen.“ (4, Fußnote auf Seite 13)

d. Forderungen an den Gesetzgeber

Zum sozialen Wohnungsbau

Auf den ersten 3 Stufen steht einheitlich die Forderung nach einer weiteren Förderung des sozialen Wohnungsbaus mit einem Mindestvolumen von 4000 WE pro Jahr. Es ist deshalb eine „drastische Aufstockung der staatlichen und städtischen (!) Mittel zur Förderung des Wohnungsbaus und des Grunderwerbs“ nötig. (3, 12)

Im Einzelnen wird gefordert:

    • eine Bodenvorratspolitik
    • die Förderung von der Konjunktur- und Preisentwicklung unabhängig zu machen
    • eine periodische Bedarfsermittlung vorzunehmen.

Die Forderungen nach:

  • baurechtlichen Festlegungsmöglichkeiten des sozialen Wohnungsbaus
  • einem Vorkaufsrecht der Gemeinden bei Verkaufsangeboten von Mietshäusern

fallen bereits vom Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 völlig weg. Die Forderung nach Zusammenschluß der städtischen Wohnungsbaugesellschaften, um „die Voraussetzung für einen breiten Mietausgleich zwischen teuren Neubauwohnungen und relativ billigen älteren Sozialwohnungen zu schaffen“ (2,16), wird dahingehend abgeschwächt, daß die Voraussetzungen für diesen Mietausgleich „geprüft“ werden sollen. (3, 12)

Die Forderung, das Förderungssystem so zu konzipieren „daß Wohngeld nicht erforderlich ist“ (2, 16) fällt beim Stadtentwicklungsplan *74 ersatzlos weg und verkehrt sich beim Stadtentwicklungsplan 1975 schließlich in ihr Gegenteil, wenn der Bundesgesetzgeber langfristig prüfen soll, „ob den Bevölkerungsschichten, die mit Wohnraum unterversorgt sind, nicht besser allein (!) über das Wohngeld geholfen werden kann und die Objektförderung nur noch zur Sanierung und Modernisierung eingesetzt werden sollte“. (4, 13 und 14) Aus diesem Grunde soll der Forderung nach Sozialwohnungen auch nur noch „gegenwärtig … höchste Priorität zuerkannt“ werden. (4, 13)

In der Problemstudie wird darauf hingewiesen, daß die generelle Individualförderung im Interesse der Wohnungswirt― schaft sei, da sie „mit dem herrschenden Marktwirtschaftsprinzip konform ist“ und staatliche Interventionen in den Wohnungsmarkt verhindert. (1, X/6)

Die generelle Individualförderung hat aber eine Reihe gewichtiger Nachteile:

−      Die Entwicklung des Eigentumswohnungsbaus zeigt, daß das Angebot an Wohnungen immer hinter der Wohnungsnachfrage herhinken muß, um die zu erwartenden Wersteigerungen, die vornehmlich Steigerungen des Grundstückswerts sind, zu realisieren, denn die Rentabilität des privaten Kapitals ist angesichts der trotz Individualförderung wachsenden Schere zwischen Kostenmiete und Mietzahlungsfähigkeit von einer beständigen Wersteigerung abhängig. (1, X/6)

−      „Der Wohnungsbau kann bei einem generellen Individualförderungssystem nicht mehr als Steuerungsmittel der Stadtentwicklung eingesetzt werden, um den Wohnungsbau auf bestimmte Schwerpunkte zu konzentrieren.“ (1, X/7)

−      Die wohnungspolitische Zielrichtung des Stadtentwicklungsplans 1975 steht also direkt im Widerspruch mit dem im gleichen Plan verfolgten System zentraler Standorte und den sehr detaillierten Vorstellungen einer räumlichen Verteilung des Wohnungsbaus. [295]

−      „Im Gegensatz zur Objektförderung müßte die Subjektförderung zwangsläufig mit einem Rechtsanspruch ausgestattet werde.“ Bedenkt man, daß heute nur ein kleiner Teil der formal. Berechtigten tatsächlich eine Sozialwohnung erhält, so wird klar, daß die Subjektförderung einen unvergleichlich höheren finanziellen Aufwand erfordern würden, wenn sie denselben Personenkreis begünstigen sollte.“ (1, X/7)

Die Forderungen zur Verbesserung der Planungs- und Finanzierungsvoraussetzungen des sozialen Wohnungsbaus werden in der Problemstudie und im Achatswies-Entwurf durch die Forderungen nach einer „Verbesserung der Subventionsgerechtigkeit“ ergänzt (2, 17 u. 18):

    • Das Förderungssystem muß auch bei der Objektförderung auf die individuelle Mietzahlungsfähigkeit Rücksicht nehmen,
    • da z.B. die derzeitigen Anfangsmieten im sozialen Wohnungsbau bei einer Angestelltenfamilie mit 2 Kindern und 1.700,- DM Nettoeinkommen pro Monat bei einer 84 qm – Wohnung mit Nebenkosten bereits zu einer Belastung von 34% des Nettoeinkommens führen.
    • Die vorzeitige Löschung der Wohnungsbindung ist aufzuheben.
    • Zugteilungskriterium soll nicht das Einkommen, sondern die soziale Situation sein.
    • Die Forderung nach einer Höchstmiete von 15-18% vom Nettoeinkommen [296] wird im Achatswies-Entwurf auf 20% abgeschwächt und im Stadtentwicklungsplanentwurf ’74 nicht mehr vertreten. (3, 13)

Wie oben bereits erwähnt, hält der Stadtentwicklungsplan 1975 schließlich Mieten in Höhe von 20-30% des Nettoeinkommens für normal. (4, Fußnote auf Seite 13)

In der Problemstudie heißt es dazu:

„Die häufig zu hörende Forderung, bei den Mietern müsse die Bereitschaft geschaffen werden, einen größeren Teil ihres Einkommens für die Wohnung auszugeben … übersieht die Tatsache, daß bei den Besitzern mittlerer und unterer Einkommen eine Umverteilung der Ausgaben überhaupt nicht möglich ist. Zumindest wird nicht angegeben, auf welchen Konsum zugunsten der Wohnung verzichtet werden kann und soll.“ (1, X/31)

Die ‚Unehrlichkeit‘ verschiedener Forderungen zur Miethöhe, von der im Stadtentwicklungsplan 1975 (4, Fußnote auf Seite 13) gesprochen wird, ist also abhängig vom jeweiligen Interessensstandpunkt.

Während die Problemstudie „eine rein quantitative Verstärkung des sozialen Wohnungsbaus … zwar im Interesse der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften, … aber im Konflikt mit den Versorgungsansprüchen der Bevölkerung“ sieht, „da der soziale Wohnungsbau in der gegenwärtigen Form die problematischen Bedingungen auf dem freien Wohnungsmarkt konserviert“ (1, X/9 u. 10), hält der Stadtentwicklungsplan 1975 den „sozialen Wohnungsbau … in der gegenwärtigen Form“ für „geeignet, die unteren Einkommensschichten mit ausreichendem und preisgünstigem Wohnraum zu versorgen, wenn die Wohngeldbestimmungen den gehobenen Sozialmieten angepaßt werden1.‘ (4, 11)

Diese Überschätzung der Leistungsfähigkeit des sozialen Wohnungsbaus in seiner gegenwärtigen Form fungiert als Rechtfertigung dafür, daß die zentralen Forderungen nach einer

  • Drosselung des Eigentumswohnungsbaus und
  • Reaktivierung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus, (2, 18 u. 19)

d.h. Forderungen nach strukturellen Änderungen des gesamten Wohnungswesens, wie sie noch im Achatswies-Entwurf und z.T. auch im Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 erhoben werden, beim Stadtentwicklungsplan unter den Tisch fallen.

Zur Kontrolle der Mietpreisentwicklung

Entscheidende Veränderungen erfahren auch die Maßnahmen zur Kontrolle der Mietpreisentwicklung:

  • Die Forderung nach einer Verbesserung der Vergleichsmietenregelung, die eine Mieterhöhung bei Neuvermietungen auf max. 10% beschränken soll, fällt im Stadtentwicklungsplan 1975 weg.
  • Der Mietpreisbindung, deren Verlängerung noch im Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 und in vergangenen Jahren auch von allen Rathausparteien jeweils einstimmig vom Bundesgesetzgeber gefordert wurde, wird im Stadtentwicklungsplan 1975 nur in Bezug auf die Vergangenheit eine teilweise positive Funktion bescheinigt. „Die Mitpreisbindung hat wesentlich dazu beigetragen, preisgünstigen Wohnraum für einkommensschwache Bevölkerungsschichten zu erhalten.“ (4, 12) Eine weitere Verlängerung der Mietpreisbindung wird aber nicht gefordert. Stattdessen heißt es: „Die negativen Auswirkungen einer Mietpreisbindung wurden bereits dargelegt (gemeint ist das Herunterwirtschaften der Wohnungen in den Altbaugebieten, d. Verf.) … Dem Hausbesitzer muß … ein angemessener Ertrag gesichert werden … Ein Ausgleich durch die öffentliche Hand erscheint angesichts ihrer permanenten Finanznot ausgeschlossen … In diesen Zusammenhang gehört die Überlegung, daß die Wohnung kein ‚billiges Gut‘ sein kann.“ (4, 13) Es wäre daher falsch, „die Wohnungsmieten … nur in einem Ausmaß steigen zu lassen, das unter den Gestehungskosten und den gestiegenen Erhaltungskosten liegt.“ (4, 12) Faktisch ist das eine Empfehlung für die Aufhebung der Mietpreisbindung in München, die offen auszusprechen offenbar politisch zu riskant war.

Der Haus- und Grundbesitzerverein lehnt den vom Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 empfohlenen Ausbau der kommunalen Wohnungsvermittlung zur Verbesserung der Transparenz des Wohnungsmarktes (3, 16) ab und bezeichnet ihre „Finanzierung aus öffentlichen Mitteln … (als) skandalös.“ [297] Auch die CSU hat die Stadt wegen der Kommunalen Wohnungsvermittlung seit langem heftig attackiert.

Im Stadtentwicklungsplan 1975 findet die kommunale Wohnungsvermittlung keine Erwähnung mehr.

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3. Zusammenfassung

a. Zur Klientelbeziehung

Die Veränderung der Situationsanalyse und der Zielbestimmung im Laufe der „vier Stufen“ der Erstellung des Stadtentwicklungsplanes beinhalten eine völlige Umorientierung hinsichtlich der Berücksichtigung der verschiedenen auf dem Wohnungsmarkt etablierten Interessen.

Sind es bei der Problemstudie die Interessen der Mieter, die von der Kommune durch die Beseitigung von Wohnungsnot und rechtlicher Unsicherheit (1, 1/5) vertreten werden sollen, so heißt es bereits im Stadtentwicklungsplan-Entwurf 74, daß die Stadtentwicklungsplanung „sowohl die Interessen der … Mieter als auch in dem gebotenen Rahmen die der Grundstückseigentümer und der Unternehmer zu vertreten“ habe. [298]

Der Stadtentwicklungsplan 1975 stellt dann explizit und implizit die Interessen der Vermieter und Wohnungsbaugesellschaften in den Vordergrund.

Die teilweise erheblichen Veränderungen, die bereits von der ersten zur zweiten Stufe stattfanden (Entpolitisierung der Stadtentwicklungsplanung) zeigen, daß die neue Referatsleitung bereits von sich aus die Umorientierung angestrebt hat. Auf der anderen Seite lassen die zum Stadtentwicklungs- plan-Entwurf ’74 z.T. völlig gegensätzlichen Aussagen des Stadtentwicklungsplans 1975 darauf schließen, daß sich die Politik der Referatsleitung erst nach öffentlicher Unterstützung durch den neuen Klientel, die in der Form von Stellungnahmen von Haus- und Grundbesitzerverein, IHK und CSU zum Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 zum Ausdruck kam, durchsetzen ließ.

Diese Unterstützung war weniger für die Auseinandersetzungen mit der Bevölkerung, hier also der Mieter, als vielmehr für die Auseinandersetzung mit Teilen der SPD-Stadtratsfraktion und für die Brechung des referatsinternen Widerstandes erforderlich. [299]

Die Abstimmung über das Kapitel Wohnen bei der abschließenden Stadtratsdiskussion des Stadtentwicklungsplans im Sommer 1975 brachte eine Neuauflage der „großen Koalition“ zwischen CSU und rechter SPD (die FDP war diesmal allerdings nicht mehr dabei), die den Antrag der SPD-Fraktion auf Streichung der mieterfeindlichsten Passagen (wie z.B. die Anmerkung zur Unehrlichkeit der Forderung nach einer Prozentualmiete) des Kapitels Wohnen scheitern ließ. Der Trend dieser rechten SPD-Stadträte, „ihren Kollegen von der Hechten (der CSU, d. Verf.) eine Zustimmung zum gesamten neuen Stadtentwicklungsplan zu erleichtern, wurde damit offenkundig.“ [300]

Dieser Trend rechter SPD-Stadträte hat letztlich allerdings dazu geführt, daß es eher ein Stadtentwicklungsplan der CSU als einer der SPD war, obwohl letztere immerhin noch die Mehrheit im Stadtrat besaß.

In der Einschätzung der Rathausarbeit seiner Fraktion kommt der CSU-Fraktionsvorsitzende zu dem Schluß, daß es „zum großen Teil der CSU zu verdanken sei, daß der neue Stadtentwicklungsplan in eine neue Form gebracht worden sei: ‚Wir haben Marx gesagt, wo der Stadtentwicklungsplan geändert werden müßte und dem ist dann auch mehrheitlich zugestimmt worden‘.“ [301]

Das Kapitel Wohnen des Stadtentwicklungsplans 1975 hat gezeigt, daß die Einschätzung des CSU-Chefs keine Hochstapelei ist.

b. Stadtentwicklungsplanung zwischen Systemveränderung und Privatinitiative

An den Aussagen der einzelnen Entwürfe des Stadtentwicklungsplans zum Thema Wohnen entzündete sich in besonderer Weise die Auseinandersetzung zwischen „sozialistischem Gedankengut“ [302] , „Planungsperfektionismus“ [303] „Zwangswirtschaft“ und „Systemveränderung“ [304] auf der einen Seite und „freiheitlichem Rechtsstaat“, „privater Initiative“ und „Eigenverantwortung der Bürger“ [305] auf der anderen Seite.

Wenn der Stadtentwicklungsplan 1975 nicht die „Aufgabe und den Sinn (hat), den Bürger zu verplanen, er … vielmehr einen ordnenden Rahmen, in dem sich Initiative und Eigenverantwortung der Bürger frei und zugleich (!) zum Wohl aller entfalten können“ [306] , schafft, so ist das als Antwort auf die o.g. Vorwürfe der „Systemveränderung“ usw. zu verstehen.

Beim Kapitel Wohnen konkretisiert sich das in der Favorisierung des freifinanzierten Wohnungsbaus und der Orientierung der Wohnungsbaupolitik an der „wirtschaftlichen Vernunft“ eines privatwirtschaftlich organisierten Wohnungsmarktes.

Im Zusammenhang mit der oben beschriebenen interessensmäßigen Orientierung kann man deshalb schließen, daß sich ganz offensichtlich einerseits die Interessen unterprivilegierter Schichten und „Systemveränderung“, „sozialistisches Gedankengut“ usw. und andererseits die Interessen von Haus- und Grundbesitzern, Wohnungsbaugesellschaften etc. und „private Initiative“, „Eigenverantwortung der Bürger“ etc. entsprechen.

Daß die Stadtentwicklungsplanung bei ihrer Abkehr von den unterprivilegierten Interessen sich in der Tendenz ihre eigene Grundlage entzieht, zeigte sich am Beispiel der Folgen einer ausschließlichen Individualförderung im Wohnungsbau, die ihn der räumlichen Steuerung durch die Kommune noch weniger zugänglich macht.

c. Die Reduktion der Problemanalyse und die Verharmlosung der Problemlage

Die Veränderung der Situationsanalysen auf den „vier Stufen“ zeigte , daß wenn sich die Planung der öffentlichen Hand darauf beschränkt, „einen planerischen Rahmen zu setzen, dessen Ausfüllung dann Privatinitiativen überlassen bleibt“ [307] , die Wirkungsweisen und Folgen dieser Privatinitiativen entweder gar nicht analysiert oder aber in der Tendenz beschönigt werden.

Der Zusammenhang von Situationsanalyse und Zielbestimmung verläuft in seiner Erscheinung von der Analyse zur Zielbestimmung. Seinem Wesen nach führt jedoch die ideologisch bedingte Ablehnung bestimmter Ziele zu Manipulationen bei der Einschätzung der Situation. So wehrt sich z.B. der Haus- und Grundbesitzerverein gegen „Vorschläge …, die eine grundlegende Systemveränderung voraussetzen“, um dann „dringend .. vor der Festlegung eines überhöhten Wohnungsbedarfs“ zu warnen. [308]

Die CSU kritisierte den Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 als „zu umfangreich und zu stark theoretisch analysierend“ [309] , daher handle es sich „gar nicht um einen Stadtentwicklungsplan, sondern eher um eine Problemanalyse mit Lösungsvorschlägen“. [310]

Diesem Interesse der CSU nach einer Reduktion der Analysen steht die Kritik fehlender Interpretation von Bestandsdaten und die Forderung nach“ausführlicherer Würdigung der Situationsanalyse des sozialen Wohnungsbaus“ durch den-DGB gegenüber. [311]

Es sind also die in der Regel von der CSU vertretenen ökonomisch und politisch mächtigen Interessen, die eine genaue Analyse ihrer „Privatinitiativen“ offenbar fürchten müssen und sie deshalb zu reduzieren versuchen, während der DGB als Interessensvertretung der Arbeiter genaue Untersuchungen als Grundlage für eine differenziertere und verbindlichere kommunale Planung verlangt.

„Generell gilt: Je weniger konkret ein Stadtentwicklungsplan seine Ziele formuliert und seine Möglichkeiten analysiert, desto weniger können vorhandene Gruppeninteressen und Machtpositionen beeinflußt und gesteuert werden.“ [312]

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IV. Zusammenfassung des Kapitels C.

Mit dem „Gegenmodell“ und dem Stadtentwicklungsplan 1975 beschränkt sich die Stadtentwicklungsplanung wieder auf das „Wursteln unter erschwerten Bedingungen“ (Siebel). Damit reproduziert der Stadtentwicklungsplan 1975 jedoch die Fehler des Stadtentwicklungsplanes von 1963, die Anlaß waren, den Plan von 1963 nicht einfach nur fortzuschreiben, sondern neues Verständnis und eine neue Form von Stadtentwicklungsplanung zu entwickeln.

Die Ausgangssituation für eine Entwicklungsplanung, die wieder stärker auf die Erfordernisse der Kapitalverwertung und des Wirtschaftswachstums ausgerichtet ist, hat sich allerdings geändert: Der gegenwärtigen Konzeption von Stadtentwicklungsplanung stehen die Errungenschaften der emanzipatorischen Phase des „Münchner Modells“ zur Verfügung. Mit dem Stadtentwicklungsreferat in seiner heutigen Form und in seiner heutigen Ausstattung steht der politischen Administration ein leistungsfähiger Apparat zur Verfügung, der mit seinen weitreichenden, stark zentralisierten Kompetenzen auf allen Gebieten der kommunalen Planung erheblich bessere Durchsetzungsmöglichkeiten für politische Zielvorstellungen, sofern diese eigentumsfreundlich und den Wachstumsinteressen förderlich sind, bietet, als die Verwaltungsgliederung, die den Stadtentwicklungsplan 1963 zu vollziehen hatte.

Die im Sinne einer integrierten Gesamtentwicklungsplanung konzipierte Rationalisierung des Planungsprozesses bewirkt nun unter den veränderten Planungsbedingungen eine Einschränkung des Freiraumes der Bürger für emanzipatorische Ansätze der Mitwirkung am Planungsprozeß. Die Möglichkeiten der Betroffenen, das Verwaltungshandeln zu durchschauen und kontrollieren zu können und ihren Bedürfnissen Gehör und Berücksichtigung zu verschaffen, sind erheblich geschrumpft.

Die eindeutige Bereitschaft der derzeitigen Referatsspitze, von den erweiterten Entscheidungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten, die das Instrument der Stadtentwicklungsplanung heute bietet, unbeirrt Gebrauch zu machen, hat dazu beigetragen, daß sich bei den Bürgern in der Öffentlichkeit immer mehr eine resignative Haltung gegenüber der Stadt und ihrer planenden Verwaltung ausbreitet.

Die Überzeugung des „Münchner Modells“, daß die gesellschaftlichen Konflikte über die Einsicht aller Gruppen in die Notwendigkeit bestimmter stadtentwicklungspolitischer Maßnahmen beigelegt werden können, erweist sich hier nicht nur als Illusion, sondern als gefährlich. Es zeigt sich, daß das organisatorische und technische Instrumentarium, das von ihnen geschaffen wurde, um die Entscheidungsmöglichkeiten auf der Grundlage der Einsicht aller Gruppen in die Notwendigkeit bestimmter stadtentwicklungspolitischer Maßnahmen zu verbessern, ebensogut dafür eingesetzt werden kann, diesen Einsichtsprozess zu erschweren oder gar zu unterbinden. 160

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D. ZUR ERKLÄRUNG DER ENTWICKLUNG DER MÜNCHNER STADTENTWICKLUNGSPLANUNG

In den einzelnen Entwicklungsphasen wurde auf die kausalen Faktoren wie den persönlichen Einfluß von Politikern, den Handlungsspielraum der Kommune, das gesamtpolitische Klima und die ökonomische Gesamtentwicklung nur kurz Bezug genommen. Im Folgenden sollen diese Faktoren noch einmal systematisch daraufhin diskutiert werden, inwiefern sie den spezifischen Verlauf der Münchner Entwicklung erklären können. Es kommt darauf an, die Besonderheit der Münchner Entwicklung herauszuarbeiten. Die folgenden Erklärungsansätze schließen sich nicht notwendig gegenseitig aus, sondern betonen in ihrer Argumentation nur jeweils bestimmte Aspekte der Entwil. klung. Sie sollen jedoch isoliert voneinander und in einer gewissen Verabsolutierung behandelt werden, da jeder für sich charakteristisch für eine bestimmte Problemsicht politisch-administrativer Vorgänge und auf diese Weise sein Erklärungsgrad leichter bestimmbar ist.

I. Die Rolle einzelner Personen bei der Entwicklung der Münchner Stadtentwicklungsplanung

Für den oberflächlichen Betrachter oder den Beobachter „aus der Ferne“ erscheint die Entwicklung der Münchner Stadtentwicklungsplanung in enger Abhängigkeit von den jeweils mit ihr in Zusammenhang stehenden Personen.

Oberbürgermeister Vogel, Stadtentwicklungsreferent Abreß und der alte Mitarbeiterstamm des Stadtentwicklungsreferates werden dabei für die Stadtentwicklungsplanung der sechziger und Anfang siebziger Jahre und vor allen Dingen für die Konzeption des „Münchner Modells“ verantwortlich gemacht.

1. Oberbürgermeister Vogel

OB Vogel hat von Anfang seiner Amtszeit an den Problemen der Stadtplanung hohe Priorität eingeräumt. I960 kandidierte er bereits mit einem Wahlprogramm, das die Aufstellung eines Stadtentwicklungsplans zum vordringlichen Ziel der Münchner SPD machte. Aufgrund der aufgelaufenen Probleme war große Bereitschaft zur Aufnahme von programmatischen Äußerungen zur Stadtpolitik. Bis zur Vorbereitung und Durchführung-der Olympischen Spiele 1972 blieben die Probleme der Stadtentwicklung im Mittelpunkt nicht nur der Rathausarbeit, sondern auch des persönlichen Interesses von OB Vogel. Seine Qualifikation zum Sprecher des Deutschen Städtetages und schließlich seine Berufung zum Bundesminister für Städtebau, Raumordnung und Landesplanung sind ein Beleg dafür.

Das persönliche Engagement Vogels für die Aufgaben der Stadtentwicklungsplanung konnte unter anderem deshalb so wirksam werden, weil er die vergleichsweise weitreichenden Möglichkeiten, die dem OB durch die Bayrische Gemeindeordnung eingeräumt werden, voll ausschöpfte, um auf Stadtrat und Verwaltung starken Einfluß zu nehmen. Seine rhetorischen Fähigkeiten nutzte er zur bundesweiten Werbung für die Münchner Konzeption der Stadtentwicklungsplanung. Dadurch wurden Erwartungen in anderen Städten aufgebaut, die weit über die Realität Münchens hinausgingen.

Die innerparteilichen Auseinandersetzungen in der SPD Anfang der 70er Jahre brachten schließlich seine sichere Position ins V/anken, was dazu führte, daß er dann selbst mithalf, die Stadtentwicklungsplanung, soweit sie für ihn persönlich gefährlich werden konnte, in den Hintergrund zu drängen.

2. Stadtentwicklungsreferent Abreß

Stadtentwicklungsreferent Abreß, langjähriger Freund Vogels, verstand es, die Autorität von Vogel für die Politik des Stadtentwicklungsreferates zu nutzen. Die letztlich unglückliche Institutionalisierung der Stadtentwicklungsplanung in einem Referat parallel zu den übrigen Ressorts wurde durch die „Autoritätsübertragung“ Vogel ― Abreß in der Weise relativiert, daß dem Stadtentwicklungsreferat trotz seiner formalen Gleichrangigkeit eine höhere Durchsetzungskraft zukam. Abreß zeichnete sich insbesondere durch die Fähigkeit aus, als Jurist und Verwaltungsfachmann, nach“außen“ hin die Politik des Stadtentwicklungsreferates gut vertreten zu können und nach „innen“ offen genug zu sein, sich von einer sozialpolitisch orientierten Planungskonzeption überzeugen zu lassen und sie sich auch zu eigen zu machen.

3. Das wissenschaftliche Personal

Der Stamm der wissenschaftlichen Mitarbeiter des Referates stellte von seiner fachlichen und politischen Qualifikation her zur damaligen Zeit sicher eine Besonderheit dar. Die relativ „privilegierten“ Arbeitsbedingungen (Teamarbeit, kollegialer Führungsstil etc.) machten die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung für Wissenschaftler interessant, die unter normalen Bedingungen die Arbeit an der Universität oder freien Forschungsbüros vorgezogen hätten. Die während der Studentenbewegung in Gang gekommene Politisierung wissenschaftlicher Arbeit fand damit ebenso Eingang in das Stadtentwicklungsreferat wie Engagement und „Pioniergeist“ junger Akademiker, die daran gingen etwas Neues aufzubauen.

4. Stadtentwicklungsreferent Marx

Für den „Niedergang“ der Münchner Stadtentwicklungsplanung, d.h. das technokratische „Gegenmodell“ und die inhaltliche Kehrtwendung von den Problemstudien zum Stadtentwicklungsplan 1975 wird dagegen in erster Linie Stadtentwicklungsreferent Marx verantwortlich gemacht.

Sein autoritärer Führungsstil führte zu der völligen Veränderung der Arbeitsbedingungen im Referat und schließlich dazu, daß die meisten der qualifizierten Mitarbeiter das Referat verließen. Die Änderung der Arbeitsbedingungen und der Wechsel im Mitarbeiterstamm konnte rasch vollzogen werden, da die teamartige Arbeitsstruktur nicht personalpolitisch verankert war und die Rückkehr zur in den übrigen Verwaltungen ungebrochen geltenden Hierarchisierung schnell möglich war. Ausgebildet als Volkswirt und zugehörig zum rechten Flügel der SPD hatte er ein unpolitisch-ökonomistisches Planungsverständnis, das umso leichter durchsetzbar war, als er die Krise in der Münchner SPD und die Schwäche von OB Kronawitter für eine Politik der „großen Koalition“ nutzen konnte. Seine Distanzierung vom Amtsvorgänger Abreß, der in der übrigen Verwaltung, insbesondere im Baureferat als unbequemer Kritiker gefürchtet war, und das anfangs gute Verhältnis zwischen Marx und Stadtbaurat Zech, der an der Berufung Marx‘ nicht ganz unbeteiligt gewesen sein soll, trugen dazu bei, daß sich Marx innerhalb der Verwaltung trotz seines von vielen kritisierten Führungsstils behaupten konnte. Den anfänglichen Widerstand gegen seine Person und seine Konzeption im Stadtrat und in der Verwaltung, in Bürgerinitiativen u.a. konnte er in erster Linie aber dadurch brechen, daß er in kontroversen Streitfragen keine klare Position bezog. Die Umorganisation des Referats, die im wesentlichen auf eine Stärkung der Verwaltungsabteilung hinauslief, rückte auf Kosten der Sozialwissenschaftler die Juristen und Verwaltungsfachleute in Vordergrund, was schließlich auf die Zurückdrängung des noch verbliebenen sozialpolitischen Engagements einzelner Planer hinauslief.

Nach dieser Argumentation wäre die Entwicklung der Stadtentwicklungsplanung in München das Ergebnis der politischen, fachlichen und menschlichen Qualitäten einzelner Persönlichkeiten, die unter jeweils veränderten lokalpolitischen Verhältnissen zu Einfluß gekommen sind.

Obwohl die genannten Persönlichkeiten sicher auf die spezielle Entwicklung in München Einfluß hatten, ja sogar viele Aspekte dieser Entwicklung ohne die Berücksichtigung ihrer Rolle nicht ausreichend erklärbar sind, kann diese Argumentation doch nicht befriedigen, denn sie läßt sowohl die Einflüsse unberücksichtigt, die sich aus den Problemen der Stadtentwicklungsplanung selbst ergeben, als auch die Einflüsse der allgemeinen ökonomischen und politischen Entwicklung der westdeutschen Gesellschaft. Es bleibt z.B. unerklärt, warum Vogel mit seinem Engagement für die Probleme der Stadtentwicklung gerade in den sechziger Jahren so erfolgreich war, oder warum die Stadtentwicklungsplanung für ihn plötzlich persönlich gefährlich wurde.

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II. Die Gesetzmäßigkeiten des Stadtentwicklungsplanungsprozesses als Determinanten der Entwicklung der Münchner Stadtentwicklungsplanung

Es ist auffällig, daß der weitgehende Planungsanspruch des „Münchner Modells“ in dem Moment zurückgedrängt wurde, in dem von den Analysen zu Planungskonzeptionen, d.h. von der Stadtforschung zur Stadtentwicklungsplanung übergegangen wurde. Das trifft zunächst für den Rosa-Zonen-Plan und dann in verschärfter Form für den Stadtentwicklungsplan 1975 zu.

Der Grund für die Zurückdrängung des Planungsanspruchs wird darin gesehen, daß die Formulierung von Planungskonzeptionen, soweit sie vom Stadtrat beschlossen werden sollen, einen Kompromiß aller beteiligten Interessen voraussetzt, der unter den gegebenen politischen Verhältnissen nur in Form einer „Negativkoordination“, d.h. in Form der Ausklammerung von im Moment nicht lösbaren Widersprüchen Zustandekommen kann, wobei dann hochgesteckte, „utopische“ Ziele unter den Tisch fallen. [313]

Wenn die CSU den Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74 als „Wunschkatalog mit Trug- und Traumbildern“ [314] bezeichnet, und dem die Forderung nach einer „realistischen“ Planung entgegensetzt, so greift sie indirekt diese Argumentation auf. Sie bringt damit zum Ausdruck, daß ihre Interessen noch nicht genügend in jenen Kompromiß eingegangen sind. Die CSU bezeichnet allerdings nicht näher, woran die Reali- tätsbezogenheit des Stadtentwicklungsplanes gemessen werden soll. So hält sie z.B. „die Formel ‚Stadt zwischen Wäldern und Seen‘ … durchaus als Zielvorstellung“ für brauchbar, denn „wir brauchen Orientierungspunkte, Fernziele, Bilder einer idealen Stadt“. [315]

Auch die Kritik der traditionellen Bauleitplaner bediente sich dieser Argumentation, als sie der Stadtentwicklungsplanung prohezeite, daß ihre planungseuphorischen Höhenflüge spätestens dann beendet sein werden, wenn es um die Realisierung der Planung, bzw. um die Formulierung ‚realistischer‘ Konzepte geht. Aus diesem Grunde hielten die traditionellen Stadtplaner die Stadtentwicklungsplanung seit jeher für überflüssig. Mit dem ‚Scheitern‘ von integrierter Gesamtplanung – nicht nur in München – sehen sie sich in dieser Auffassung bestätigt.

Diese Argumentation geht jedoch am wirklichen Ablauf des Münchner Stadtentwicklungsplanungsprozesses vorbei, denn gerade die Münchner Stadtforschung ließ die restriktiven Rahmenbedingungen kommunalen Handelns nicht außer acht und versuchte sehr genau den Handlungsspielraum für die Stadt zu bestimmen. Sowohl die Planungsunterlagen zur Lehelplanung, als auch die Problemstudie „Wohnen in München“ zeigen das sehr deutlich. Am Rosa-Zonen-Plan wurde demonstriert, daß gerade die Planungskonzeption „utopischen“ Charakter hatte, der nicht von der Analyse, sondern gerade von ihrer Vernachlässigung, bzw. von ihrer Ignorierung herrührte.

Ausgehend von der These Offes, die Disjunktion von Ziel- und Maßnahmenplanung sei strukturelle Notwendigkeit eines staatlichen Organs, das sich im Widerspruch von fiskalischer Abhängigkeit und Legitimationszwang befindet [316] , könnte man bei der Münchner Stadtentwicklungsplanung davon sprechen, daß der Übergang von der Stadtforschung zu beschlußfähigen Planungskonzeptionen, im Gegensatz zur oben geschilderten Argumentation, dadurch gekennzeichnet ist, daß die Realisierbarkeit des Planungskonzeptes bewußt vernachlässigt wird, zugunsten von Zielvorstellungen, die, Bürgerwünsche aufgreifen, dem Legitimationsbedürfnis der Kommune eher gerecht werden. Die Ergebnisse der Stadtforschung waren in München also sehr viel realitätsbezogener als die Planungskonzeptionen. Die „Disjunktion von Ziel- und Maßnahmenplanung“ [317] fand deshalb ihre Entsprechung in der Disjunktion von Analyse und Planungskonzeption.

Eine im Sinne des „Münchner Modells“ realitätsbezogene Planungskonzeption hätte die Disjunktion von Analyse und Zielplanung und die von Ziel- und Maßnahmenplanung durchbrechen müssen und die Stadt gezwungen, ihre Planungsziele auf politischem Wege, d.h. im Falle des Rosa-Zonen-Plans z.B. in harter Auseinandersetzung mit Hausbesitzer- und Investoreninteressen und durch die Mobilisierung der Mieter und Kleingewerbetreibenden in den Innenstadtrandgebieten durchzusetzen, und einzugestehen, daß den Betroffenen mit den administrativen Planungsinstrumenten nicht geholfen werden kann.

Mit dieser von den Thesen Offes abgeleiteten Argumentation läßt sich zwar erklären, warum der Rosa-Zonen-Plan als Zielplan von den Erkenntnissen der Analyse abstrahiert und die politische Dimension der Stadtentwicklungsplanung ausklammert. Die Veränderung der Ziele, wie sie im Entstehungsprozeß des Stadtentwicklungsplans 1975 stattgefunden haben, läßt sich aber damit nicht erklären. Es bleibt auch die Frage offen, warum es überhaupt zu so umfangreichen Analysen, wie sie in den Problemstudien dargestellt sind, gekommen ist, wenn ihre Ergebnisse dann bei der Zielplanung ohnehin nicht berücksichtigt werden und die Vollzugsverwaltung weiterhin nach unveränderten Vorschriften verfährt.

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III. Die Stadtentwicklungsplanung als Teil der Politik der „inneren Reformen“

1. Zur Parallelität von Stadtentwicklungsplanung und Reformprogramm der Bundesregierung

Das“Münchner Modell“ der Stadtentwicklungsplanung entstand in einer Zeit, da bundesweit die traditionelle neoliberale Staatsideologie angesichts der ersten größeren Krise nach dem Zweiten Weltkrieg und die mit ihr offenbar werdende „Infrastrukturlücke“ von einer pragmatischen Konzeption staatlicher Regulierungstätigkeit in weiten Bereichen der gesellschaftlichen Entwicklung abgelöst wurde.

In kurzer Zeit wurde eine ganze Reihe neuer Instumente der Regulierung und Administration geschaffen, an deren Wirksamkeit hohe Erwartungen geknüpft wurden. (Z.B. Stabilitätsgesetz)

Als 1969 die sozial-liberale Koalition die Regierung übernahm und mit ihrem Programm der „inneren Reformen“ eine sozialpolitische Erweiterung der zunächst auf die Wirtschaftsregulierung beschränkten Maßnahmen in Aussicht stellte, wurde dadurch nicht nur die Stadtentwicklungsplanung als solche politisch aufgewertet, sondern auch ihre sozialpolitischer Anspruch. [318]

Der Wirtschaftsboom Ende der sechziger Jahre füllte vorübergehend die Kassen der öffentlichen Haushalte und suggerierte einen größeren finanziellen Planungsspielraum.

Die allgemeine „Planungseuphorie“ führte zunächst zu einer Überschätzung der politischen Möglichkeiten von Stadtentwicklungsplanung, deren systembedingte Schranken angesichts eines vielversprechenden Reformprogramms des Bundes für relativ leicht überwindbar gehalten wurden. [319]

Die Hinweise des Stadtentwicklungsreferates auf notwendige und in absehbarer Zeit verwirklichbare Verbesserungen des kommunalen Planungsinstrumentariums (z.B. durch die Novellierung des BBauG, die nicht nur auf die lange Bank geschoben, sondern inzwischen auch noch sehr stark verwässert wurde) deuten auf die hohen Erwartungen an den Bundesgesetzgeber in dieser Zeit hin.

Es war nicht zuletzt diese Art „Aufbruchstimmung“, die der Münchner Stadtentwicklungsplanung von Anfang an relativ großes Gewicht aber auch einen relativ weiten Spielraum gab, innerhalb dessen sich das „Münchner Modell“ so weit entwickeln konnte.

Das „Gegenmodell“ des neugewählten Referenten Marx dagegen entstand in einer Zeit, als die Politik der „inneren Reformen“ angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise zugunsten eines kurzfristigen Krisenmanagements zunehmend in den Hintergrund gedrängt wurde.

Die „Kehrtwendung in der städtischen Wirtschaftspolitik“ [320] ist das kommunalpolitische Pendant zur Politik der Investitionsanreize der sozialliberalen Koalition. Die weitgehende Abschaffung der Bürgerbeteiligung am kommunalen Planungsprozeß entspricht der Verwässerung der Mitbestimmungsreform. Die Säuberung des Stadtentwicklungsreferates von sozialkritischen Planern wurde durch ein politisches Klima begünstigt, das durch den generellen Abbau demokratischer Rechte, wie er im Radikalenerlaß zum Ausdruck kommt, gekennzeichnet ist.

Die Parallelität der Entwicklung von Stadtentwicklungsplanung und Reformpolitik und die Parallelität von Reformprogramm und wirtschaftlichem Krisenzyklus weisen zwar daraufhin, daß es sich bei „Aufstieg und Niedergang“ der Münchner Stadtentwicklungsplanung nicht um ein lokalspezifisches Ereignis handelt, sie erklären jedoch nicht die Ursachen dieser Entwicklungen. Es stellt sich also die Frage nach dem Grund für das Entstehen und „Scheitern“ der Reformpolitik, will man die Entwicklung der Münchner Stadtentwicklungsplanung erklären.

2. Zum „Scheitern“ der Reformpolitik

Eine der möglichen Antworten auf die Frage nach dem „Scheitern“ der Reformpolitik kommt von denen, die sie von vornherein ablehnten.

Das „Scheitern“ der Reformpolitik begründet sich danach zunächst aus der Unterschätzung ihrer Kosten [321] , bzw. der Überschätzung der finanziellen Möglichkeiten der öffentlichen Hand, die sich aus der relativ guten Haushaltslage in den Jahren des Wirtschaftsbooms begründet.

Die mit einer kostspieligen Reformpolitik einhergehende Erhöhung der Staatsquote und die Vergrößerung der Staatsverschuldung fördert die wirtschaftliche Rezession, da der Staat durch die Ausweitung seiner Aktivitäten den Spielraum der privaten Wirtschaft einengt und für Maßnahmen der kurzfristigen Wirtschaftsförderung nicht mehr die erforderlichen Mittel hat, die in zunehmendem Maß in Form langfristiger Infrastrukturinvestitionen gebunden sind. Ein weiterer Grund für das“Scheitern“ der Reformpolitik liegt in der Tendenz von strukturellen Reformen, die „freie Marktwirtschaft“ auszuhöhlen, indem durch eine“Überdemokratisierung“ und „Verplanung“ der Gesellschaft [322] die „Privatinitiative“ reglementiert wird, was wiederum eine Beeinträchtigung des Wirtschaftswachstums zur Folge hat. [323]

Die Konsequenz dieser Einschätzung ist die Forderung nach „weniger Staat“ bzw. nach mehr Spielraum für „Privatinitiativen“. (In diesen Zusammenhang gehört die Forderung nach Reprivatisierung von kommunalen Betrieben.)

Die Auffassung, daß die Reformpolitik das Wirtschaftswachstum behindert (und nicht umgekehrt, wie die Reformpolitiker behaupten), und die Forderung nach Zurückführung von „verstaatlichten“ Bereichen in die freie Marktwirtschaft geht letztlich von der Funktionsfähigkeit des Marktmechanismus bei der Bewältigung von Konjunktur- , Struktur- und Infrastrukturkrisen aus.

Ohne eine solche Einschätzung explizit zum Ausgangspunkt der Stadtentwicklungspolitik zu nehmen, liegen dem Stadtentwicklungsplan 1975 doch im Prinzip die gleichen Überlegungen zu Grunde, denn seine programmatischen Ziele laufen ebenfalls auf eine Verringerung staatlicher Interventionen und auf die Stärkung der „Privatinitiative“ hinaus, wie es am Beispiel der Wohnungsbaupolitik gezeigt werden konnte.

Auf diese Argumentation soll im Einzelnen hier nicht näher eingegangen werden denn ihre Schwäche zeigt sich bereits daran, daß sie weder die Wirtschaftskrise von 1966, der keine „Reformpolitik“ vorausging, noch das Entstehen von „inneren Reformen“, Wirtschaftsregulierung und politischer Planung erklären kann, weil sie nicht vor dem Hintergrund des Scheiterns des „dezentralen Selbstkoordinierungssystems des Marktes“ [324] gesehen werden.

3. Der sozialpolitische Anspruch der Reformpolitik und das Legimationsproblem staatlichen Handelns

Eine andere Antwort auf die Frage nach dem „Scheitern“ der Reformpolitik geht davon aus, daß nicht die Politik der Reformen als solche gescheitert ist, sondern sie lediglich ihres sozialpolitischen Anspruchs beraubt wurde.

Nach dieser Auffassung ist Reformpolitik nicht eine Erfindung der sozial-liberalen Koalition, sondern das gesellschaftspolitische Pendant zum wissenschaftlich-technischen Fortschritt in der Wirtschaft in ihrer spezifisch kapitalistischen Form. [325]

Auch die Politik der vorangegangenen CDU/CSU-Regierungen war in diesem Sinne zum größten Teil Reformpolitik, wenn auch mit einer anderen Zielrichtung und unter anderen Bedingungen.

Der sozialpolitische Anspruch der Reformpolitik, der das Neue an der Politik der sozial-liberalen Koalition war und der die Parallelität des „Münchner Modells“ und der „inneren Reformen“ begründet, ergibt sich dabei aus einem veränderten Legitimationsbedürfnis staatlichen Handelns.

Nach Offe steht das politisch-administrative System, insbesondere bei der Infrastrukturpolitik vor einem „strukturellen Legitimationsproblem“, das er anhand eines „Drei-Phasen-Schemas“ erklärt: [326]

1. Phase: Als Konsequenz des wirtschaftlichen Wachstums in seiner kapitalistischen Form „treten Folgeprobleme und Entwicklungsengpässe auf, die von Marktprozessen nicht oder nicht allein korrigiert werden können“. Diese Folgeprobleme sind in zweierlei Hinsicht „dysfunktional“: Sie stören in Form der Verknappung und Verteuerung bestimmter Kosten über die Fortsetzung einer rentablen Produktion und schaffen als Mängel bei kollektiven Versorgungsleistungen Risiken für die politische Stabilität.

2. Phase: Das politisch-administrative System reagiert darauf mit einer Reformpolitik, die zwar Wachstumsengpässe beseitigt, aber weiter Folgeprobleme aktualisiert. „Der Engpaß wird beseitigt, … aber zugleich wird der Masse der Bevölkerung eine Kategorie von materiellen und immateriellen Folgekosten aufgebürdet“. [327]

3. Phase: „Der eingebaute ‚Umverteilungseffekt1 der Infrastrukturpolitik des kapitalistischen Staates hat politische Konflikte zur Folge. Die widersprüchliche Erfahrung, daß wachsende Ausschnitte der konkreten Lebensbedingungen zwar durch politisch-administrative Instanzen bestimmt, aber dennoch nicht politisch kontrollierbar sind, erzeugt ein strukturelles Legitimationsproblem … Die Übernahme und Thematisierung neuer Problematiken durch das politisch-administrative System, die soziale Inzidenz von Erfolgen und Mißerfolgen der ‚Reformpolitik‘ provoziert erst die politischen Konflikte, auf die zu reagieren sie allenfalls vorgibt und die zu beschwichtigen bzw. zu unterdrücken allerdings ein Kernproblem dieser Politik ist.

Bezogen auf die Münchner Stadtentwicklungsplanung hieße das, die Thematisierung der Stadtentwicklungsprobleme durch den Stadtentwicklungsplan von 1963 und der soziale Mißerfolg einer erfolgreichen Erschließung der Innenstadt für den Individualverkehr provozierte die politischen Konflikte zunächst am Prinz-Carl-Palais, dann im Lehel. Die Stadtentwicklungsplanung der ersten Phase hatte dann die Funktion, diese Konflikte zu beschwichtigen, die der zweiten Phase die Funktion, sie zu unterdrücken.

Der sozialpolitische Anspruch und die „Öffnung des Planungsprozesses“ dienten dabei der Stadtentwicklungsplanung der ersten Phase dazu, „das Ausmaß an öffentlicher Unterstützung und Hinnahmebereitschaft zu verschaffen, das sie als operative Ressource benötigt – und zwar umso mehr, je weiter ihr Interventionsradius ist.“ [328]

Die Möglichkeit der Ablösung einer Strategie der Beschwichtigung durch eine Strategie der Unterdrückung von Konflikten, wie sie bei der Münchner Stadtentwicklungsplanung mit dem Referentenwechsel stattfand, ist also abhängig von der „Hinnahmebereitschaft“ der Bevölkerung einerseits und dem „Interventionsradius“ andererseits.

Die „Hinnahmebereitschaft“ hatte sich infolge der rapiden Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Situation indirekt vergrößert, da die Sorgen um eine sicheren Arbeitsplatz und um ausreichende Entlohnung angesichts zunehmender Geldentwertung so stark in den Vordergrund getreten sind,daß im Vergleich dazu das Interesse an einem angenehmen Wohnumfeld, an schnellen Verkehrsverbindungen oder an sauberer Luft, d.h. das Interesse an Problemen der Stadtentwicklung seine soziale.Brisanz verlor. („Besser die Schornsteine verpesten die Umwelt, als daß sie gar nicht mehr qualmen“) [329]

Der Interventionsradius der Stadtentwicklungsplanung hat sich in der zweiten Phase deutlich verkleinert, wie die Veränderungen der Aussagen zur Wohnungspolitik im Zuge der Erarbeitung des Stadtentwicklungsplanes 1975 gezeigt haben (z.B. der Verzicht auf die Forderung nach Drosselung des Eigentumswohnungsbaus und nach einer Reaktivierung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus).

Die Folge dieser beiden Tendenzen war die Reduktion des Legitimationszwanges der Stadtentwicklungsplanung, die es möglich machte, daß z.B. die Zurücknahme von „offener Planung“ und Bürgerbeteiligung bislang kein nennenswertes Risiko für die politische Stabilität bedeutete.

Diese Argumentation läßt, soweit sie die Veränderungen der Reformpolitik und der Stadtentwicklungsplanung aus dem sich verändernden Legitimationsbedürfnis eines von der Sicherung der Massenloyalität abhängigen politisch-administrativer Systems erklärt, zwei Fragen offen:
Wie kam es in München zu einer Konzeption von Stadtentwicklungsplanung, die zumindest von ihrem Anspruch her sich explizit von einer „Konfliktbeschwichtigungsstrategie“ distanzierte und sogar „mit Errichtung des Stadtentwicklungsreferates neben dem Baureferat die innerorganisatorische Konfliktstruktur bewußt auf Dauer gestellt“ hatte? [330]

Wie begründet sich die Verkleinerung des „Interventionsradius“, wenn die „Modernisierungsstrategien zur Beseitigung von Wachstumsengpässen“ generelle Konsequenz des Wachstums einer kapitalistischen Wirtschaft sind, wie Offe zu seiner zweiten Phase ausführt? [331]

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IV.  Die immanente Widersprüchlichkeit der Stadtentwicklungsplanung

Der im Folgenden behandelte Erklärungsansatz geht davon aus, daß sich die Stadtentwicklungsplanung als eine Form staatlicher Planung in dem allgemeinen Widerspruch von marktregulierter und planmäßiger Organisation von Wirtschaft und Gesellschaft (im Folgenden kurz Widerspruch zwischen Markt und Plan genannt) bewegt, der innerhalb der kapitalistischen Gesellschaftsordnung nicht gelöst werden kann.

Die Stadtentwicklungsplanung ist gezwungen, innerhalb dieses Widerspruchfeldes einen Kompromiß zu finden, der nicht statisch ist, sondern abhängt von dem jeweils aktuellen politischen Kräfteverhältnis. Dieser Kompromiß wird also immer eine bestimmte Tendenz, entweder in Richtung des markt- oder planwirtschaftlichen Prinzips, haben.

Tendenz bedeutet, daß die Stadtentwicklungsplanung in jedem •Falle in die bestehenden kapitalistischen Verhältnisse integriert ist und deshalb eine bestimmte Stufe der Planmäßigkeit nie überschreiten kann, ohne daß sich eben diese Verhältnisse grundlegend geändert haben.

Die Münchner Entwicklung der Stadtentwicklungsplanung wäre nach diesem Erklärungsansatz als die Bewegung von einer mehr „planwirtschaftlichen“ zu einer stärker „marktwirtschaftlichen Orientierung“ zu kennzeichnen.

1. Zum Widerspruch zwischen Markt und Plan

Der Widerspruch zwischen Markt und Plan äußert sich nach zwei Seiten, die sich gegenseitig bedingen:

    • Die Dispositionsfreiheit privaten Kapitals, Voraussetzung für das Funktionieren des marktwirtschaftlichen Regulierungsmechanismus wird von staatlicher Planung eingeschränkt.
    • Die staatliche Planung wird ihrerseits durch die Wirkungsweise des Marktmechanismus behindert.

Stadtentwicklungsreferent Abreß formulierte diesen Widerspruch folgendermaßen:
„Längerfristige Zielvorstellungen über die Entwicklung der Städte (stehen) eigentlich im direkten Widerspruch zur Freiheit, zur nichtabgestimmten (nicht integrierten) ’Planlosigkeit1 unserer Gesellschafts― (Wirtschafts―) Ordnung. [332]

Die Möglichkeiten staatlicher Planung beurteilt er daher äußerst pessimistisch: „Ich (möchte) gelinde Zweifel anmelden …, ob die Gesellschaft von Morgen in ihrer wesentlichen Existenz machbar, manipulierbar ist, ob es sich insoweit nicht um einen autonomen verselbständigten Prozeß handelt, der nur in Randbereichen machbar ist.“ [333]

Indirekt bringt auch Wagener den Widerspruch von Entwicklungsplanung und kapitalistischer Gesellschaftsordnung zum Ausdruck, denn er meint, „daß das Gesellschaftsmodell, von dem unsere Verfassung ausgeht, in der Realität schon nicht mehr besteht“, „wenn neuerdings die Zukunft westlicher Industriegesellschaften durch Entwicklungsplanung gesichert werden muß“ [334] wobei er dabei allerdings fälschlicherweise davon ausgeht, daß sich die Entwicklungsplanung auch tatsächlich gegen das „Gesellschaftsmodell“ durchsetzt.

In München wurde dieser Widerspruch insbesondere im Zusammenhang mit der Diskussion um die Politik des „abgeschwächten Wachstums“ deutlich: „Die öffentliche Hand wird in ihrer Pufferfunktion zwischen Bevölkerungsinteressen und unternehmerischen Kapitalverwertungsinteressen zum Sündenbock gemacht. Versucht sie Lösungen zum Ausgleich zwischen diesen Interessen anzubieten, stößt sie sogleich auf bestehende politische, finanzielle und juristische Grenzen und zwar sowohl bei der Infrastruktur- und Wohnungsversorgung als auch beim Versuch restriktiver Einflußmaßnahmen auf Unternehmerentscheidungen.“ [335]

Obwohl der Widerspruch zwischen Markt und Plan auch nach Ansicht der Planer selbst ein zentrales Problem der Stadtentwicklungsplanung darstellt, ist interessant, daß weder Abreß noch Wagener auf diesem Widerspruch näher eingehen, sondern sich entweder in Resignation oder in eine Überschätzung der Ansätze der Entwicklungsplanung flüchten, wenn sie für das Anzeichen einer umfassenden Gesellschaftsveränderung gehalten werden.

2. Vergesellschaftungsprozess und die Notwendigkeit staatlicher Planung

Um den Widerspruch zwischen Markt und Plan genauer qualifizieren und seine Lösungsmöglichkeiten bestimmen zu können, ist es notwendig, näher auf den Entstehungszusammenhang staatlicher Formen von Entwicklungsplanung einzugehen.

Ausgangspunkt staatlicher Planungsaktivitäten ist das „Versagen des Marktes als Korrekturfaktor“ [336] wobei dieses Versagen in der Widersprüchlichkeit, in der sich kapitalistische Wachstumsprozesse vollziehen, begründet liegt.

Der kapitalistische Wachstumsprozeß ist begleitet von einer zunehmenden Vergesellschaftung der Produktion und dies in zweierlei Hinsicht. Die Arbeitsteilung innerhalb der einzelnen Produktionseinheiten nimmt zu. Automatisierung und Anwendung der Wissenschaft als Produktivkraft treiben die Vergesellschaftung innerhalb der Fabrik, d.h. innerhalb der einzelnen produktiven Teilprozesse voran.

Auf der anderen Seite wird in Bezug auf die Produktion im volkswirtschaftlichen Maßstab die Arbeitsteilung zwischen den produktiven Teilprozessen vergrößert. Sie umfasst bereits bei dem Großteil der Produkte ein weltweites Zusammenwirken voneinander unabhängiger Produzenten. Diesem Prozess der Vergesellschaftung steht die privatkapitalistische Aneignung der Produkte, d.h. der Profit als Kriterium der Produktion auf der Ebene der Fabrik und die Anarchie des Marktes, d.h. die Dispositionsfreiheit des privaten Kapitals auf der Ebene der gesamten Gesellschaft gegenüber.

Dieser Vergesellschaftungsprozess setzt ab einem bestimmten Grad Bedingungen für die Organisation der produktiven Teilprozesse, wie auch der Organisation der Rahmenbedingungen der Produktion, wie sie über den Marktmechanismus nicht mehr geschaffen werden können. Die Planmässigkeit der Produktion innerhalb der Fabrik stößt an die Schranken der Planlosigkeit der Volkswirtschaft als Ganzer.

So bedeutet z.B. die Anwendung moderner Produktionstechniken beim gegenwärtigen Stand der Produktivkraftentwicklung eine derart sprunghafte Steigerung der Leistungskraft, daß der rentable Absatz der zusätzlich produzierten Warenmasse über den freien Markt bei nur kontinuierlichem Nachfragewachstum nicht gesichert werden kann. Anwendung der modernen Produktionstechniken und sprunghafte Steigerung der Leistungskraft bedeuten aber auch völlig veränderte Anforderungen an Rohstoffbeschaffung, Absatzorganisation, Handel, Transportmittel, an die Qualifikation der Arbeitskräfte, an die Produktion von Wissenschaft oder an den Schutz der Umwelt, die weder über den freien Markt, noch durch den Staat kurzfristig erfüllt werden können. [337]

Der Prozeß der Kapitalverwertung stößt also in doppelter Hinsicht an seine eigenen Schranken: einmal, weil „bestimmte Kostengüter derart Verkappen und damit verteuern, daß die Fortsetzung einer rentablen Produktion problematisch wird“, und zum anderen, weil „auf dem Gebiet kollektiver Versorgungsleistungen Mängel in Erscheinung treten …, die die politische Stabilität gewissen Risiken aussetzt“. [338]

Aus der Vergesellschaftung der Produktion, d.h. der Anwendung von Produktionsmitteln gesellschaftlichen Charakters  folgt deshalb „mit Notwendigkeit, daß sich aus ihnen zwangsläufig auch die Ausdehnung planmässiger Produktionsorganisation über die Ebene der Fabrik hinaus, auf die Ebene der allgemeinen Zusammenhänge der gesellschaftlichen Produktion ergeben muß.“ [339]

Die planmäßige Produktionsorganisation ist Aufgabe der staatsmonopolistischen Regulierung, wie sie in Form der volkswirtschaftlichen Globalsteuerung und Infrastrukturpolitik auf der Ebene des Bundes und in Form der Stadtentwicklungsplanung auf der kommunalen Ebene stattfindet. [340] Die staatsmonopolistische Regulierung verändert dabei ihre Form in dem Maße, wie sich die Bedingungen des Vergesellschaftungsprozesses verändern und wie systemwidrige Folgen dieser Regulierung selbst eine Verfeinerung staatlicher Planungsinstrumentarien erfordern.

Die Ausdehnung planmäßiger Produktionsorganisation über die Ebene der Fabrik hinaus als Bedingung der Kapitalverwertung setzt sich aber nur anarchisch durch, über die Kapitalverwertung und soweit, soweit dies als Bedingung der Kapitalverwertung zum Zwang erhoben wird. [341]

Daraus erklärt sich, daß die „sektoralen Modernisierungsstrategien zur Beseitigung von Wachstumsengpässen … den allgemeinen Charakter (haben), zugleich den Engpass zu beseitigen und eine bestimmte Kategorie weiterer Folgeprobleme zu aktualisieren“. [342]

Staatliche Planung in Form von „inneren Reformen“ oder Stadtentwicklungsplanung ist nach diesem Erklärungsansatz also nicht die Erfindung einer gegen die kapitalistische Gesellschaftsordnung gerichtete Politik, sondern objektives Erfordernis dieser Gesellschaftsordnung selbst, das ab einem bestimmten Stadium der Entwicklung Bedingung ihrer weiteren Existenz ist. [343]

3. Auswirkungen des Vergesellschaftungsprozesses für München

Der Prozess der Vergesellschaftung der Produktion, der von einer sprunghaften Umwälzung der technologischen Produktionsbasis, von der Entstehung völlig neuer Produktionszweige und sich grundlegend ändernden Standortanforderungen der Betriebe begleitet ist, hatte für München eine Entwicklung zur Folge, die in nur wenigen Jahren seine Wirtschaftsstruktur völlig veränderte.

Bis zum 2. Weltkrieg spielte die Industrie in München noch eine untergeordnete Rolle, da die Standortbedingungen der Stadt für warenproduzierende Betriebe relativ schlecht waren. [344]

Die Stadt und ihr Umland verfügen über keinerlei Rohstoffquellen und ihre verkehrstechnische Lage war äußerst ungünstig. „Eine bedeutsame industrielle Entwicklung setzt in München erst in einer sehr späten Phase des allgemeinen Industrialisierungsprozesses ein, nämlich erst nach dem 2. Weltkrieg, zu Beginn der 50er Jahre.“ [345]

Das hatte im Wesentlichen drei Gründe:

    • Die relative Bedeutung der Industriezweige, die in ihren Standortanforderungen weder auf Rohstoffquellen, noch auf  hochleistungsfähige Verkehrswege (z.B. Wasserstraßen) angewiesen waren, ist sprunghaft gestiegen. [346]
    • Die Standortbedingungen selbst haben sich geändert. So reduzierte sich die Bedeutung der Transportkosten infolge des verstärkten Ausbaus der Verkehrsnetze und die der Energiequellen, infolge der inzwischen überall verfügbaren Elektroenergie. Gleichzeitig nahm die Bedeutung der Faktoren Arbeitskraft und „Fühlungsvorteile“ zu. [347]
      Diese Veränderungen hatten zur Folge, daß die bereits in München ansässige feinmechanische und Maschinenbauindustrie ein überproportionales Wachstum hatten und daß andererseits München für die in ihrer Bedeutung rapide gewachsenen Zweige als Standort interessant wurde.
    • Aus diesem Grunde siedelte sich Anfang der 50er Jahre u.a. cte- Siemenskonzern in München an. Gleichzeitig wurde München prädestinierter Standort für die Rüstungsindustrie, die, nicht ohne Zutun der damaligen Bundesregierung, sich im Zuge der Wiederaufrüstung der Bundesrepublik in der Stadt konzentrierte.

Die Veränderungen in der Produktionsstruktur und der damit einhergehenden Veränderungen der Standortanforderungen verlaufen aber nicht kontinuierlich, sondern infolge der Verfestigung der Kapitalstrukturen und der Erschwerung der Kapitalwanderung [348] in „Schüben“, deren Abstände durch den moralischen Verschleiß auf der einen und „staatsmonopolistische Eingriffe .. . zur Umwälzung der technologischen Basis auf der anderen Seite bestimmt werden. [349]

Ein solcher „Schub“ ging von der 1958 „breit einsetzenden“ „technischen Revolution“ aus, die durch die Notwendigkeit einer Umwälzung der durch die Kriegswirtschaft konservierten technologischen Produktionsbasis und die umfangreichen staatlichen Eingriffe in Form extremer Abschreibungsvergünstigungen, Investitionszulagen, Marschallplankredite etc. gekennzeichnet war. [350]

Bei der mit der technischen Revolution einsetzenden räumlichen Konzentration von elektrotechnischer, feinmechanisch/ optischer und Maschinenbauindustrie in München ging „es aber nicht nur um die Industrien, die diesen Prozess ursprünglich auslösen, sondern um diesen Kern formieren sich dann immer die abgeleiteten Folgen. Selbst neue Ballungsgebiete bilden an sich schon.wieder Faktoren,die die Kapitalverwertung beeinflussen, andere Produktionen anziehen usw., also selbst wieder auf die räumliche Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit einwirken usw.,usf. …“ [351]

Die Folgen für München waren:

    • Die Zahl der Arbeitsplätze erhöhte sich von 1950 bis 61 um Uber die Hälfte,
    • Die Bevölkerung nahm im gleichen Zeitraum um über eine Viertelmillion zu,
    • Der Verkehr brach zusammen
    • Die Wohnungsnot hat sich seit dem Krieg kaum verringert.

Es sind all die Folgen, die 1963 dem Stadtrat Anlaß gaben, einen Stadtentwicklungsplan zu verabschieden, mit dem diese Entwicklung in einen „geordneten Rahmen“ gebracht werden sollte. [352]

4. Die „Arbeitsteilung“ bei der Münchner Stadtentwicklungsplanung

Offe unterscheidet bei den Folgeproblemen kapitalistischen Wachstums zwischen solchen, die unmittelbar die Kapitalverwertung beeinträchtigen und solchen, die sie indirekt, als politischer Konflikte langfristig infragestellen. [353]

In Analogie zu dieser Unterscheidung lassen sich der Stadtentwicklungsplan von 1963 und die Stadtentwicklungsplanung von 1968 bis 1972 typisieren.

Der 63er Plan hätte danach die Funktion gehabt, die unmittelbare Beeinträchtigung der Kapitalverwertung abzubauen, während die Stadtentwicklungsplanung in der Zeit von 1968 bis 72 vorrangig die Ursachen der politischen Gefährdung des Systems, wie sie Mängel auf dem Gebiet kollektiver Versorgungsleistungen darstellen, zu beseitigen versuchte, wobei diese Mängel nicht zuletzt Folge der spezifischen Form waren, in der die Planung des kapitalistischen Staates die unmittelbaren Verwertungsschranken zu überwinden versuchte.

Aus dieser „Arbeitsteilung“ der Stadtentwicklungsplanung in München erklärt sich einerseits die Tatsache, daß der Widerspruch zwischen Markt und Plan beim 63er Plan noch nicht thematisiert wurde, und andererseits der relative Spielraum der Stadtentwicklungsplanung Ende der 60er Jahre

a. Der Stadtentwicklungsplan von 1963 und der Widerspruch zwischen Markt und Plan

Die Folgen des Vergesellschaftungsprozesses, die in München zu einer sprunghaften Agglomeration [354] hochkonzentrierten Kapitals [355] führten, bedeutete nicht nur eine rapide Verschlechterung der Lebensbedingungen in der Stadt, sondern stellten sich auch als Schranken für die weitere Kapitalverwertung dar:

    • Das Verkehrschaos bedeutete eine Verteuerung des Warentransports innerhalb der Stadt. Für den Handel erschwerte sich nicht nur die Belieferung, sondern auch der Absatz in dem Maße, wie die Innenstadt, wo sich der Handel konzentriert, nur mehr mit Mühen erreichbar war.
    • Das radiale Straßennetz führte den Berufsverkehr zu den am Stadtrand gelegenen neuen Industriestandorten durch die Innenstadt und potenzierte dadurch das Verkehrschaos zu den Spitzenstunden. Zu lange bzw. zu sehr entnervende Wege zu Arbeit verringern aber den Gebrauchswert der Arbeitskraft.
    • Die Wohnungsnot verursachte nicht nur eine Verringerung des Arbeitsvermögens, weil die physische und psychische Reproduktion der Arbeitskraft beeinträchtigt wird, sondern verteuert über hohe Mieten langfristig auch den Preis der. Arbeitskraft.

Der Mangel an Wohnraum bedeutete darüberhinaus eine Schranke für die Anwerbung neuer Arbeitskräfte, die zwar durch einen vom jeweiligen Unternehmen organisierten Pendlerverkehr, der das Einzugsgebiet der Münchner Wirtschaft bis weit nach Niederbayern vergrößerte zeitweise durchbrochen, aber nicht generell beseitigt werden konnte.

Die Maßnahmen zur Beseitigung dieser Schranken, wie sie der Stadtentwicklungsplan 63 in Form neuer Verkehrsnetze und Großsiedlungen vorsah [356] , waren ihrem Wesen nach darauf gerichtet, der Kapitalverwertung und den Wirkungsweisen des Marktmechanismus neuen Raum zu schaffen, indem die Folgelasten dieser Maßnahmen einseitig auf die Masse der Bevölkerung verteilt wurden. („Umverteilungseffekt“) [357] , So geriet der 63er Plan zwar in Widerspruch mit den Interessen der Bevölkerung, nicht aber mit den ökonomischen Kräften, deren Interessen sich über den Markt regulieren.

b. Der relative Spielraum der Stadtentwicklungsplanung Ende der 60er Jahre

Wenn hier vom Spielraum der Stadtentwicklungsplanung gesprochen wird, so bezieht sich das zunächst darauf, daß es in München möglich war,eine sozialpolitische Konzeption von Planung zu entwickeln, die in ihrer Zielsetzung eine relativ weite Einschränkung der Dispositionsfreiheit privaten Kapitals beinhaltet, ohne daß sich von vorneherein die Kapitalinteressen sehr massiv dagegen gewehrt hätten.

Nachdem der 63er Plan die unmittelbaren Verwertungsinteressen sozusagen vorläufig befriedigt hatte, konnte sich das „Münchner Modell“ von Stadtentwicklungsplanung fast ausschließlich den Problemen widmen, die sich durch den Prozess der Vergesellschaftung nicht nur der Produktion, sondern auch der Reproduktion der Arbeitskraft und durch den Umverteilungseffekt des 63er Planes für die Masse der Bevölkerung ergeben hatte. (Unter Vergesellschaftung der Reproduktion der Arbeitskraft wird hier verstanden, daß immer mehr Reproduktionsbedürfnisse nicht mehr individuell, sondern kollektiv befriedigt werden z.B. im Bereich der Freizeit, Bildung, Altenversorgung etc.)

Da die entsprechenden Maßnahmen einerseits wegen ihrer Funktion der Sicherung des sozialen Friedens, andererseits wegen veränderter Bedingungen für die Schaffung der allgemeinen Rahmenbedingungen der Produktion (z.B.Altbausanierung und Erhaltung von billigem Wohnraum in den innenstadtnahen Wohngebieten statt Wohnungsneubau) im langfristigen Interesse der Kapitalverwertung lagen, gerieten sie solange nicht in Widerspruch zu den Kapitalinteressen, wie sie den kommunalen Haushalt nicht durch Kosten belasteten, die direkt in Konkurrenz zu den unmittelbaren, kurzfristigen Maßnahmen der Kapitalverwertungssicherung traten. Solange das Stadtentwicklungsreferat Problemstudien erarbeitete und Konzeptionen vorlegte, die keine nennenswerten finanziellen Auswirkungen hatten, war das auch nicht der Fall.

Nur so ist es zu erklären, daß in dieser Zeit fast alle Beschlüsse des Stadtrates zur Stadtentwicklung bis hin zum Beschluß Uber ein „abgeschwächtes Wachstum“ einstimmig, d.h. mit den Stimmen von SPD, CSU und FDP gefällt wurden und zunächst auch nicht auf den Widerstand der entsprechenden Interessensgruppen und deren Organisationen wie z.B. der IHK stießen.

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5. Der Widerspruch zwischen Markt und Plan und die immanenten Widersprüche des „Münchner Modells“ von Stadtentwicklungsplanung

In dem Moment, da die kommunale Planung mit Rücksicht auf die politischen Risiken einer krisenhaften Stadtentwicklung, die in München mit dem Erstarken der Mieterbewegung real geworden sind, Stadtentwicklungsprobleme nicht mehr durch die bloße Umverteilung der „Wachstumskosten“ bewältigen konnte und gezwungen wurde, die sozialen Belange in die Planung miteinzubeziehen, mußten sich die Widersprüche des kapitalistischen Wachstums notwendig auf der Ebene der Planung reproduzieren, solange die Ursachen dieser Widersprüche nicht beseitigt waren.

Die Stadtentwicklungsplanung mußte in ihrer Konzeption nun einen Kompromiß finden, der auf der einen Seite die Verwertungsschranken tendenziell beseitigt und auf der anderen Seite den Interessen der davon in negativer Weise Betroffenen soweit entgegenkommt, daß die „Übernahme ’neuer‘ Problematiken durch das politisch-administrative System“ legitimierbar ist. [358]

Das durch die besondere Entwicklung der Stadtentwicklungsplanung in München bedingte relative Übergewicht des sozialpolitischen Aspekts von Planung beim „Münchner Modell“ hatte zur Folge, daß die „planwirtschaftliche Dimension“ der Stadtentwicklungsplanung relativ ausgeprägt war, d.h. daß die Bevölkerungsinteressen tendenziell auf Kosten der Interessen der privaten Kapitalverwertung befriedigt werden sollten.

Als Beispiel hierfür sei auf die Problemstudie „Wohnen in Münchne“ hingewiesen, deren Zielvorstellungen in der Tendenz auf die Ausgliederung des Wohnungsbaus aus dem privatwirtschaftlichen Sektor hinauslaufen, wobei in der Analyse des Wohnungsmarktes deutlich wird, daß die antagonistischen Interessen der auf dem Wohnungsmarkt etablierten Gruppen nur auf Kosten der jeweils konträren Gruppe, befriedigt werden können.

Auch die Ziele zur kommunalen Wirtschaftspolitik, wie sie noch im Achatswies-Entwurf aufgestellt wurden, laufen darauf hinaus, die Dispositionsfreiheit der Unternehmen gezielt zu beschneiden, um die sozialen Folgelasten zumindest soweit zu reduzieren, daß sie mit den kommunalen Haushaltsmitteln kompensiert werden können. [359] In Kenntnis der Tatsache, „daß sich wirtschaftliche Prozesse in aller Regel einer Feinsteuerung entziehen“ [360] , weil entsprechende Instrumente fehlen, soll die Politik der Wachstumssteuerung mit den ihr heute zur Verfügung stehenden Instrumenten die wirtschaftliche Entwicklung „bis zum Vorliegen neuer Instrumente, welche die Durchsetzung der qualitativen und räumlichen Zielvorstellungen ermöglichen“, verzögern. [361]

Wie in Abschnitt B II bereits erwähnt, gerät auch die Entwicklung eines ‚Simulationsmodells‘ als Mittel zur Steuerung der städtischen Gesamtentwicklung und der Anspruch nach Integration aller Planungen der kommunalen Verwaltung in Widerspruch zu grundlegenden ökonomischen und politischen Merkmalen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung.

All diese Methoden und Ziele der Konzeption des“Münchner Modells“ sind aber Ausdruck der immer komplizierter werdenden Anforderungen einer hochvergesellschafteten Produktion, deren Rahmenbedingungen ihrerseits einer schnellen Vergesellschaftung unterliegen, wie es sich z.B. an der wachsenden Arbeitsteilung im Bildungs- und Erziehungswesen zeigt.

Sie sind darüberhinaus Ausdruck einer Ökonomisierung der Staatstätigkeit selbst, die in dem Moment zu einem volkswirtschaftlichen Erfordernis wird, indem der Staat immer weitere Bereiche der Gesellschaft seiner Regulierung unterwirft und einen wachsenden Anteil des Bruttosozialprodukts umverteilt.

Aus diesen Gründen sind diese Maßnahmen, obwohl im Widerspruch zu den Erfordernissen unmittelbarer, kurzfristiger Verwertung des privaten Einzelkapitals insofern im langfristigen Interesse des gesellschaftlichen Gesamtkapitals, als sie heute schon die Entwicklung zu steuern versuchen, die auf lange Sicht zu weit größeren politischen wie ökonomischen Risiken für den Bestand der kapitalistischen Gesellschaftsordnung führen können.

6. Die „Lösung“ der immanenten Widersprüchlichkeit der Stadtentwicklungsplanung durch das Gegenmodell

Da aber die langfristige Sicherung der Verwertungsbedingungen nur solange von Bedeutung für das jeweilige Einzelkapital ist, wie es nicht Gefahr läuft, schon übermorgen an den kurzfristigen Verwertungsschranken zu scheitern, werden sich im Konfliktfall immer die kurzfristigen Interessen durchsetzen. [362] In München aktualisierte sich dieser Konflikt im Laufe der wirtschaftlichen Rezession und ihrer krisenhaften Zuspitzung in den Jahren 1973/74.

Der relative Spielraum, in dem sich das „Münchner Modell“ entwickelte, wurde in dem Moment massiv beschnitten, in dem die Unternehmen über eine Gewerbesteuererhöhung [363] zur Finanzierung der sozialen Infrastruktur herangezogen werden sollten, und sie infolge der aktuellen Wirtschaftslage von der Stadt wieder kurzfristige und unmittelbar auf die Verbesserung der Verwertungsbedingungen bezogene Maßnahmen forderten (z.B. einen „grundsätzlichen Abbau der Gewerbesteuer) und den weiteren Ausbau des Hauptstraßennetzes [364] und zwar gerade auf Kosten von Ausgaben, „die übertriebenem wohlfahrtsstaatlichem Denken entsprechen“. [365]

„‚Die Dynamik der sechziger und Anfang siebziger Jahre ist vorbei. Mit der These des gebremsten Wachstums muß deshalb sehr vorsichtig umgegangen werden‘, meint der IHK-Fachmann (A. Schneider-Eicke, d. Verf.). Die Kammer hält jedenfalls ‚Klimaverbesserungen‘ bzw. einen höheren Stellenwert für die Belange der gewerblichen Wirtschaft für notwendig.“ [366]

Die Neuorientierung der Stadtentwicklungspolitik nach dem Referentenwechsel hatte nun die Funktion, diese aktuellen Forderungen innerhalb von Verwaltung und Stadtrat durchzusetzen. Dieser Entwicklung hätte sich auch der bisherige Stadtentwicklungsreferent Abreß nicht entziehen können, der ja selbst bereits sehr viel von dem ursprünglichen Planungsanspruch aufgegeben hatte. Lediglich Form und Ausmaß der Neuorientierung hätte wahrscheinlich anders ausgesehen.

Der von Vogel und der SPD-Rathausfraktion auf die Stadtentwicklungsplanung ausgeübte Druck war nur die teilweise Vorwegnahme dieser Forderungen auf der politischen Ebene. Vogel und die administrationsloyalen Teile der SPD reagierten damals auf die Ergebnisse von Landtagswahlen, bei denen sich mit einem gewissen Vorlauf die Wirtschaftskrise in der Weise ankündigte, daß die konservativen Kräfte an Stimmen gewannen.

Inhaltlich bedeutet das „Gegenmodell“ und der Stadtentwicklungsplan 1975 die Eliminierung sämtlicher stadtentwicklungspolitischen Maßnahmen, die auf eine tendenzielle Einschränkung der Dispositionsfreiheit privaten Kapitals hinausliefen.

An ihre Stelle trat eine „aktive städtische Wirtschaftspolitik“. [367] Es ist symptomatisch für die Neuorientierung der Stadtentwicklungspolitik, daß als erste Maßnahme des Stadtentwicklungsreferates nach Verabschiedung des Stadtentwicklungsplans eine Informationsschrift herausgegeben wurde, die als „Hilfe für standortsuchende Industrie- und Gewerbebetriebe“ dem Ziel dienen soll, „die Entwicklungschancen der Betriebe in München“ zu erhöhen. [368]

Wie sich an den wohnungspolitischen Zielen zeigte, wird der Stadtentwicklungsplan 1975 einen massiven „Umverteilungseffekt“ zur Folge haben, der notwendigerweise neue soziale Konflikte provoziert. Innerhalb des generellen Widerspruchs von Markt und Plan stellt der Stadtentwicklungsplan 1975 allerdings das marktwirtschaftliche Prinzip soweit in Vordergrund, daß sein Anspruch, auf die Entwicklung der Stadt einzuwirken, praktisch völlig der „Privatinitiative” geopfert wird.

Diese Tendenz gipfelte in dem Beschluß des Stadtrates [369] , der auf Antrag der CSU gefällt wurde, den Stadtentwicklungsplan zu verabschieden, ihn aber nur für die Verwaltung und nicht für den Stadtrat verbindlich zu machen, um die Entscheidungsfreiheit der Stadträte nicht einzuschränken. Da ein Stadtentwicklungsplan, der ohnehin keinen rechtsverbindlichen Charakter hat, nur durch die Selbstbindung des Stadtrates eine gewisse Verbindlichkeit erhalten kann, bedeutete dieser Beschluß, daß der Stadtentwicklungsplan zur völligen Bedeutungslosigkeit verurteilt wurde.

Geht man von der eingangs aufgestellten These aus, daß der Kompromiß, den Stadtentwicklungsplanung innerhalb des Widerspruchsfeldes von Markt und Plan finden muß, vom jeweiligen politischen Kräfteverhältnis abhängt, dann bedeutet diese Entwicklung der Münchner Stadtentwicklungsplanung, daß die politischen Kräfte, deren Interessen durch das „Münchner Modell“ in erster Linie wahrgenommen wurden, nicht stark genug waren, eine sozialpolitisch orientierte Stadtentwicklungskonzeption auch gegen den Widerstand ökonomischer Machtinteressen durchzusetzen.

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SCHLUSSFOLGERUNGEN

Mit den Erklärungsansätzen sollte der Versuch gemacht werden, das Allgemeine des Münchner Beispiels herauszuarbeiten, ohne von den Besonderheiten von vorneherein zu abstrahieren.

Es sollte deutlich gemacht werden, daß die Rolle von Einzelpersönlichkeiten, daß die lokalspezifischen politischen Verhältnisse und besondere Bedingungen in München in einer Weise Zusammenwirken, daß sie den allgemeinen Charakter von Stadtentwicklungsplanung in seiner Widersprüchlichkeit und seiner Veränderung deutlicher als anderswo erkennen lassen.

Unabhängig davon, mit welcher Gewichtung man die einzelnen Erklärungsansätze zur Interpretation der Geschichte der Münchner Stadtentwicklungsplanung kombiniert, ergibt sich als Schlußfolgerung aus den Münchner Erfahrungen, daß Stadtentwicklungsplanung keineswegs dem „Gemeinwohl“ schlechthin dient, sondern die Interessen der verschiedenen sozialen Gruppen jeweils sehr unterschiedlich berücksichtigt. Aus diesem Grunde ist es auch nicht möglich, generelle Schlußfolgerungen für eine „bessere Stadtentwicklungsplanung“ zu formulieren.

Genausowenig können sich die Schlußfolgerungen auf die Verbesserung von Organisation und Methode der Stadtentwicklungsplanung beschränken, womit gemeinhin das Problem der Interessensorientiertheit von Planung zu umgehen versucht wird.

Es müßte vielmehr zuerst eine politische Entscheidung über das Entwicklungsziel der Stadt, bzw. der Gesellschaft als Ganzer getroffen werden, denn “ die besten Planungsteams werden mit modernsten Verwaltungs- und Steuerungstechniken und voll entwickelten Regionalverbänden den Kampf um die Vermenschlichung der Städte nicht gewinnen. Die Entscheidung fällt vielmehr auf dem Feld der allgemeinen Gesellschaftspolitik.“ [370]

Wir wollen hier aber keine Vorschläge für das Programm der nächsten Bundesregierung machen oder die bekannten Forderungen nach der Reformierung von Boden- und Planungsrecht, nach der Verbesserung der Gemeindefinanzen oder nach verstärkten Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger wiederholen.

Unsere Schlußfolgerungen wenden sich vielmehr an all diejenigen Planer im Bereich der Stadtentwicklung und den übrigen Teilen der kommunalen Verwaltung, deren politisches Engagement für eine emanzipatorische Planung sich in der derzeitigen Situation in Frustration oder Opportunismus aufzulösen droht.

Die Untersuchung der Münchner Entwicklung der Stadtentwicklungsplanung hat die eingangs aufgestellte These, bestätigt, daß es sich bei dieser Entwicklung nicht um einen Aufstieg und Niedergang, sondern um einen Ausschnitt einer zyklischen Bewegung handelt, bei der sich in Abhängigkeit zur ökonomischen und politischen Entwicklung die Einflußchancen der sozialen Gruppen ändern. Es wäre deshalb falsch, aus den Münchner Erfahrungen den Schluß zu ziehen, daß der fortschrittliche Planungsansatz gescheitert ist, denn die derzeitige Vernachlässigung der Arbeitnehmerinteressen zugunsten der Wachstumsinteressen der Wirtschaft wird nur solange möglich sein, wie die Forderungen nach Verbesserung der Reproduktionsmöglichkeiten der Lohnabhängigen politisch unterdrückbar sind.

Es ist also wahrscheinlich, daß sich auf neuer Stufenleiter ein Prozeß wiederholen wird, wie wir ihn in München bereits nach dem Stadtentwicklungsplan von 1963 beobachten konnten. Damals verschärfte die einseitige Orientierung dieses Planes an den Wachstumsinteressen die Widersprüche der Stadtentwicklung und forderte eine kompensatorische Planungsstrategie heraus. Es ist daher anzunehmen, daß der emanzipatorische Aspekt der Stadtentwicklungsplanung auch in Zukunft wieder an Bedeutung zunehmen wird.

Um zu verhindern, daß die gleichen Fehler wiederholt werden, die in der ersten Phase der Münchner Stadtentwicklungsplanung (1968 – 1972) gemacht wurden, wollen wir im Folgenden die Münchner Erfahrungen im Hinblick auf das Selbstverständnis und die Handlungsmöglichkeiten der kommunalen Planer auswerten.

In der Zusammenfassung von Teil B wurde festgestellt,daß es das idealistische Planungsverständnis war, das das Stadtentwicklungsreferat gegenüber den stärker werdenden Wachstumsinteressen der Wirtschaft „wehrlos“ machte. Dieses idealistische Verständnis von Planung und ihren Möglichkeiten ist nicht einem subjektiven Unvermögen der Referatsleitung oder der Stadtentwicklungsplaner insgesamt geschuldet, sondern hat seine objektiven Ursachen zum einen m der spezifischen Art der Arbeitsbedingungen von Planern überhaupt und zum anderen in der besonderen Entwicklung der Münchner Stadtentwicklungsplanung.

Kennzeichnendes Merkmal der Arbeitssituation von Stadtentwicklungsplanern ist, daß sie als „wissenschaftliche Berater“ kommunaler Politik tätig sind und durch diese Au – gäbe den Eindruck vermittelt bekommen, mehr oder weniger unmittelbaren Einfluß auf die kommunale Politik nehmen zu können. Dieser Eindruck mag solange der Realität entsprechen wie Inhalt und Ziel ihrer Tätigkeit den Interessen der gesellschaftspolitisch mächtigen Kräfte entspricht.

Insbesondere der Stadtentwicklungsplaner ist beauftragt, akute Krisen zu bewältigen und zwar im Gegensatz zur bisher üblichen subjektiven Entscheidungspraxis mit wissenschaftlichen Methoden. Das bedeutet, daß zunächst die Ursachen der Krise analysiert werden müssen. Nimmt die Stadtentwicklungsplanung bzw. die Stadtforschung ihren Auftrag ernst, dann führen Untersuchungen über Problemzusammenhänge der Stadtentwicklung, wie das Münchner Beispiel gezeigt hat, zu den bestehenden gesellschaftlichen Strukturen als Krisenursache. Der Auftrag zur Krisenbewältigung beinhaltet für die Stadtentwicklungsplanung deshalb auch, einzelne strukturelle Bedingungen unseres gesellschaftlichen Systems infrage zustellen und deren Veränderung anzustreben. Dabei besteht dann immer die Möglichkeit, daß auch solche Strukturmerkmale unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung infrage gestellt werden, zu deren Sicherung die Stadtentwicklungsplanung Krisenmanagement betreiben soll.

Der z.T. bewußte Einsatz der Stadtentwicklungsplanung als soziales Befriedungsinstrument macht darüberhinaus dem Planer die Beschäftigung mit den Interessen sozial benachteiligter Gruppen zur Aufgabe. Als Folge davon kann es dazu kommen, daß sich der Planer mit diesen Interessen identifiziert. Insofern ist in der Tätigkeit der Stadtentwicklungsplaner die Kritik an seinem Arbeitsauftrag angelegt.

Die besondere Entwicklung der Stadtentwicklungsplanung in München hatte ihre Basis in den günstigen gesellschaftspolitischen Bedingungen der damaligen Periode, die es ermöglichten, den allgemeinen Auftrag der Stadtentwicklungsplanung Verwertungsinteressen langfristig zu sichern, zurücktreten zu lassen gegenüber der Konzentration auf den emanzipatorischen Aspekt. Die Planer konnten so glauben, daß sie aufgrund ihrer Arbeit im Bereich der Herrschaftsausübung ihren Handlungsauftrag selbständig ändern und im Interesse benachteiligter Gruppen planen können. Die Vorrangstellung des emanzipatorischen Aspekts von Stadtentwicklungsplanung wurde als Ergebnis einer rationalen Auseinandersetzung mit der bisherigen ‚beschränkten‘ Planung, wie sie sich im Stadtentwicklungsplan von 1963 manifestierte, begriffen und deshalb als langfristige Orientierung der Kommunalpolitik mißverstanden. Faktisch war diese Haltung das Produkt einer . konsequenten, nachhaltigen Abschirmung von gesellschaftspolitischen Entscheidungszwängen und Konfliktlagen. So wurden die Problemstudien z.B. vielfach dazu benutzt, die Bevölkerung zu vertrösten und auf diese Weise den Druck abzuschwächen und Forderungen zu vertagen.

Der illusionäre Charakter des Planerselbstverständnisses wurde den Stadtentwicklungsplanern selbst dann noch nicht bewußt, als die Stadtentwicklungsplanung in Wirklichkeit gar keinen emanzipatorischen Charakter mehr hatte (w.z.B, beim Rosa-Zonen-Plan), sondern nur noch verbal an die Interessen unterprivilegierter Bevölkerungsgruppen anknüpfte.

Erst als mit dem Wechsel der Referatsleitung auch der verbale Anspruch auf eine fortschrittliche Stadtentwicklungspolitik schrittweise aufgegeben wurde, mußten sich die Planer ihrer tatsächlichen Einflußlosigkeit bewußt werden. Die fast völlige Liquidation des emanzipatorischen Aspekts von Stadtentwicklungsplanung, wie sie sehr deutlich im Stadtentwicklungsplan 1975 und der Art seiner öffentlichen Diskussion zum Ausdruck kommt, zeigte, daß mit dem „Münchner Modell“ noch keineswegs der Durchbruch zu einer dauerhaften rationalen Stadtpolitik erreicht wurde. Die konkreten Erfahrungen der Stadtentwicklungsplaner mit der technokratischen Gegenkonzeption bildeten die objektive Grundlage für die Überwindung der bislang gehegten Illusionen und für eine realistischere Einschätzung der gesellschaftlichen Funktion der Stadtentwicklungsplanung.

Viele bislang engagierte Planer haben aus dieser Erfahrung heraus resigniert und versuchen sich nun zurückzuziehen. Oft wird dieser Rückzug als Strategie zum „Überwintern“ verstanden bis „bessere Zeiten“ wieder neue Möglichkeiten für eine fortschrittlichere Berufspraxis eröffnen. Ein solches Verhalten reproduziert aber notwendigerweise wieder die gleichen Illusionen, wenn die Rückzugsstrategie nicht ohnehin zwischenzeitlich zum Opportunismus führt.

Gerade die rigide Beschneidung der Arbeitsmöglichkeiten, d.h. die Zurücknahme von Errungenschaften bezüglich der Selbstverwirklichungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten der Stadtentwicklungsplaner, haben deutlich gemacht, daß auch der Stadtentwicklungsplaner „gewöhnlicher“ entfremdeter Lohnarbeit nachgeht. Damit relativiert sich der Anspruch, seine Berufstätigkeit unmittelbar als politische Arbeit betreiben zu wollen. D.h. die Frage nach der politischen Praxis stellt sich anders.

Das Problem der Stadtentwicklungsplaner besteht darin, daß sie sich für das Ergebnis ihrer Arbeit unmittelbar politisch verantwortlich fühlen, bzw. verantwortlich gemacht werden, obwohl auch sie immer nur soviel durchsetzen können, wie, vermittelt über die politische und fachliche Kompetenz der Vorgesetzten, von den herrschenden politischen Interessensgruppen geduldet wird.

Auch wenn der Stadtentwicklungsplaner noch einen kleinen Spielraum bei seiner Arbeit hat, unterscheidet er sich, was Fremdbestimmung und Entfremdung seiner Arbeit angeht, nicht prinzipiell von einem Lohnabhängigen, der in der Produktion tätig ist. Einen Produktionsarbeiter aber macht man auch nicht unmittelbar dafür verantwortlich, ob er Nützliches oder Schädliches produziert. Anders ausgedrückt: der geringe Spielraum, der dem Stadtentwicklungsplaner zugestanden wird, rechtfertigt nicht das Ausmaß, in dem er sich für den Inhalt seiner Arbeit verantwortlich fühlt, bzw. verantwortlich gemacht wird.

Die politische Verantwortung der Planer muß sich u.E. vielmehr auf ihre Arbeitsbedingungen beziehen, denn nur sie allein können Subjekt der Veränderung dieser Bedingungen sein. Die Verantwortung für den Inhalt von kommunaler Planung kann sich dagegen nur indirekt über die Stärkung der politischen Basis realisieren, die emanzipatorische Planung erst möglich macht.

Veränderung der Arbeitsbedingungen bedeutet dabei zweierlei:

    • Erstens bedeutet sie die Beteiligung an den allgemeinen Auseinandersetzungen um soziale Sicherstellung, Mitbestimmung und Selbstverwirklichung bei der Arbeit. Diese Auseinandersetzungen sind die Grundlage für eine gemeinsame Politik aller Angestellten und Arbeiter, nicht nur im öffentlichen Dienst, auch wenn dort zunächst einmal ein einheitliches Vorgehen erreicht werden muß.
    • Zweitens geht es, wenn man es vom Gesichtspunkt der Stadtentwicklungsplanung oder der kommunalen Politik aus betrachtet, darum, daß Arbeitsweise und Struktur der gesamten Verwaltung für die Aufgabe emanzipatorischer Planung qualifiziert werden muß, was natürlich sehr eng mit dem ersten Aspekt, d.h. mit der Politik für Mitbestimmung und Selbstverwirklichung, zusammenhängt. Damit erhalten die Planer, aber auch die übrigen Verwaltungsangehörigen, einen mittelbaren Einfluß auch auf den Inhalt der Stadtentwicklungsplanung. Die politische Verantwortung der Planer für die Ergebnisse ihrer Arbeit realisiert sich hier also vermittelt über die Veränderung der Arbeitsbedingungen, d.h. über die Veränderung der Arbeitsweise der kommunalen Verwaltung.

Die gemeinsame politische Arbeit mit den anderen lohnabhängigen Gruppen ist nicht nur die Voraussetzung für eine erfolgreiche Verbesserung der Arbeitsbedingungen der kommunalen Planer, sondern auch die Grundlage für die Gewinnung von Maßstäben für fortschrittliche Planungskonzepte, die Ausdruck der wirklichen Interessen der Lohnabhängigen sein müssen, wenn sie nicht bloße Alibifunktion haben sollen. Gerade das Münchner Beispiel zeigte, wie schnell die wenigen Errungenschaften bei der Arbeitsweise des Stadtentwicklungsreferates (Offenheit gegenüber den Bürgern, Teamarbeit etc.) liquidiert werden konnten in dem Augenblick, wo sie der Durchsetzung einer konservativen Politik hinderlich waren und benachteiligte Bevölkerungsgruppen ihre Interessen nicht durch organisierten Druck zur Geltung brachten oder bringen konnten.

Die Erfahrungen der Beschäftigten des Stadtentwicklungsreferates bei ihrer Auseinandersetzung mit der neuen Referatsleitung bestätigen diese Einschätzung, auch wenn die hier zu beobachtenden Ansätze von „Lohnabhängigemverhalten“ eher naturwüchsigen Charakter hatten als den einer bewußten Politik. Der „akademische“ Widerstand gegen die Planungskonzeption der neuen Referatsleitung, wie er von den Stadtforschern in individualistischer Form geleistet wurde, blieb praktisch wirkungslos, denn der theoretische Charakter der Auseinandersetzung erschwerte wegen des dadurch notwendigen hohen Anspruchs an eine gemeinsame Plattform für politisches Handeln ein solidarisches Vorgehen aller Betroffenen. Nicht die gemeinsame Betroffenheit durch die Hierarchisierung und Reglementierung innerhalb des Referates, sondern eine vage formulierte Konzeption von Stadtentwicklungsplanung wurde zum Ausgangspunkt der Auseinandersetzungen gemacht.

Erst als der Personalrat gegen das Vorgehen der Referatsleitung im Zusammenhang mit der geplanten Neugliederung des Referates protestierte, stellte sich schnell eine vergleichsweise breite Basis der Kritik an der Referatsleitung her. Dadurch wurden die Verhältnisse im Stadtentwicklungsreferat auch in der Öffentlichkeit erstmals publik.

Die Untersuchung der Konzeption des „Münchner Modells“ von Stadtentwicklungsplanung hatte ergeben, daß hier eine Reihe von Ansätzen für emanzipatorische Stadtentwicklungsplanung entwickelt wurden, die es unserer Ansicht nach wert sind, weiter verfolgt zu werden, Voraussetzung dafür ist aber nicht nur, daß die Stadtentwicklungsplanung zu einem realistischen Verständnis ihrer gesellschaftlichen Funktion und ihrer politischen Möglichkeiten gelangt. Voraussetzung sind auch bestimmte allgemeine Bedingungen kommunaler Politik.

Emanzipatorische Planungskonzepte brauchen eine politische Basis, die verhindert, daß diese Konzepte schon innerhalb der Verwaltung oder spätestens im Stadtrat zur Makulatur werden. Das „Münchner Modell“ hatte nur solange und soweit eine Bedeutung für die praktische Kommunalpolitik, wie die verschiedenen Bürgerinitiativen im Lehel und in den übrigen Innenstadtrandgebieten, wie Elterninitiativen oder auch Parteien politischen Druck auszuüben vermochten. Der Stadtentwicklungsplaner übte dabei im Grunde nur Mittlerfunktion aus, indem er seine wissenschaftliche Qualifikation dazu benutzte, Formulierungshilfen zu geben, bzw. allgemeine Forderungen in Planungskonzepte zu übersetzen. Er konnte möglicherweise auch dazu beitragen, daß der Problematisierungs- und Planungshorizont vergrößert und grundsätzlichere Probleme der Gesellschaft zur Diskussion gestellt wurden, wie das zu Beginn des Lehel-Konflikts geschehen ist. Aber auch hier kann eine solche Diskussion nur dann praktische Konsequenzen haben, wenn eine politische Kraft existiert, die die Ergebnisse der Diskussion (z.B. Reform des Bodenrechts) durchsetzen kann. Andernfalls werden entsprechende Initiativen der Stadtentwicklungsplanung sehr schnell abgewürgt(wie das unter dem Referenten Marx geschehen ist: „Es ist nicht Sinn eines Stadtentwicklungsplanes, gesellschaftspolitische Mißstände bloßzulegen und anzuprangern …“)

Unter diesem Aspekt muß man die Frage beantworten, inwieweit und in welcher Form die kommunalen Planer ihren Planungsspielraum nutzen können (Spielraum meint hier das Maß an Abweichungsmöglichkeiten von dem durch die politischen Instanzen formulierten Planungsauftrag), um fortschrittliche Inhalte zu verwirklichen. Mißt man diesen Spielraum an den realen Möglichkeiten der Einflußnahme auf kommunale Politik, dann ist er unseres Erachtens sehr klein.

Entsprechend unserer allgemeinen These von dem emanzipatorischen und technokratischen Aspekt von Stadtentwicklungsplanung, die eine widersprüchliche Einheit bilden, würden wir Möglichkeiten einer fortschrittlicheren Stadtentwicklungspolitik nicht mit einer Vergrößerung des Spielraums für die Planer begründen, sondern mit der Änderung des Planungsauftrages. Anders ausgedrückt: Nicht der Spielraum ändert sich, der den Planern dann mehr oder weniger Möglichkeiten für eine bessere Planung eröffnet, sondern dem emanzipatorischen Aspekt von Stadtentwicklungsplanung wird vom politischen Auftraggeber mehr oder weniger Gewicht verliehen.

Von daher kann es nicht vorrangige Aufgabe von Planern sein, den Planungsspielraum, „auch wenn er noch so klein ist“, „voll auszuschöpfen“. Es geht vielmehr darum, dafür zu sorgen, daß sich der Planungsauftrag dahingehend verändert, daß eine tendenziell emanzipatorische Planung der Verwaltung zur Pflicht gemacht wird.

Hinter der Vorstellung von einer optimalen Nutzung des Planungsspielraumes verbirgt sich eben jenes oben schon erwähnte idealistische Planungsverständnis, das den Planer als Subjekt von inhaltlichen Veränderungen der Planung begreift. Bei der Bestimmung des Handlungsspielraumes wird dabei meist von dem aktuellen politischen Kräfteverhältnis abstrahiert, bzw. der Planungsauftrag falsch eingeschätzt. Die daraus resultierende Überschätzung des Handlungsspielraumes führt dann entweder zur permanenten Frustration bei der Erfolglosigkeit von vorgeschlagenen Planungskonzepten oder zur Selbsttäuschung über die reale Wirkungsweise von angepaßten Plänen.

Hat der kommunale Planer allerdings erkannt, daß er nicht durch seine individuelle Überzeugungskraft, sondern nur indirekt Uber die Stärkung von fortschrittlichen politischen Bewegungen Veränderungen der Planungsinhalte bewirken kann, dann stellt sich die Frage, in welcher Form dies geschehen kann.

Die Beteiligung des Planers an Bürgerinitiativen, Mitarbeit in Gewerkschaften und Parteien unterscheidet sich im Grundsatz sicher nicht von der anderer Berufsgruppen. Seine Tätigkeit im staatlichen Herrschaftsapparat und seine relative Nähe zum politischen Entscheidungszentrum schaffen allerdings ein besonderes Problem für die politische Arbeit des Stadtentwicklungsplaners: Er verfügt auf der einen Seite über eine Reihe von Informationen, die für politische Organisationen nützlich sein können, auf der anderen Seite unterliegt er seitens seines Arbeitgebers besonderen Restriktionen, die jede Informationsvermittlung oder gar aktive Partizipation an politischen Auseinandersetzungen zum Risiko für seinen Arbeitsplatz werden lassen (Vgl. den Fall Neubeck). Die Disziplinierung der Planer wird dabei durch das Dienstrecht, das Beamtengesetz und das Disziplinarrecht erleichtert. [371]

Wie im Falle der politischen Arbeit innerhalb der Verwaltung zeigt sich auch hier, daß die Stadtentwicklungsplaner nicht individuell Vorgehen können, sondern sich organisieren müssen, wenn sie sich nicht unnötig selbst gefährden wollen.

Die DGB-Gewerkschaften sind unseres Erachtens die geeigneten Organisationen, die nicht nur den Auseinandersetzungen um bessere Arbeitsbedingungen und eine Veränderung der Verwaltungsstruktur eine breitere Basis und größeres Gewicht verschaffen, sondern auch die Verknüpfung der politischen Arbeit innerhalb und außerhalb der Verwaltung ermöglichen.

Um die Konkurrenzen zwischen den Verwaltungsangehörigen, bedingt durch Verwaltungsstruktur und Dienstrecht, zu überwinden, um die Isolation der planenden Abteilungen innerhalb der Verwaltung aufzuheben, d.h. um solidarisch handeln zu können, müssen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eine gemeinsame politische Basis finden. Diese Basis kann am besten über die Gewerkschaften realisiert werden, da ihre Politik an den allgemeinsten Interessen aller Lohnabhängigen anknüpft.

Wie wichtig es für die Stadtentwicklungsplaner und die übrigen kommunalen Planer ist, ihre Isolation von den übrigen Teilen der Verwaltung, der sog. „Vollzugsverwaltung“ aufzuheben, zeigen die konkreten Vorgänge bei der Durchsetzung der technokratischen Gegenkonzeption, bei der von der neuen Referatsleitung Vorurteile und Ressentiments gegenüber der Stadtforschung für deren Diffamierung genutzt werden konnten. Selbst innerhalb des Stadtentwicklungsreferates waren Isolation und Ressentiments zwischen den einzelnen Teams so groß, daß ein gemeinsames Vorgehen der Stadtentwicklungsplaner selbst gegen übelste Disziplinierungsmaßnahmen nicht zustande kam.

Die Gewerkschaften besitzen langjährige Erfahrungen im Kampf um Mitbestimmung, dem Kernstück einer nötigen Reform der Arbeitsbedingungen der Verwaltungsangehörigen. In den Auseinandersetzungen um die Reform des Dienstrechtes im öffentlichen Dienst erhoben z.B. ÖTV und GEW bereits die Forderung nach einem generellen Streikrecht für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Damit soll eine wesentliche Voraussetzung für einen wirksamen Kampf um Mitbestimmung und Strukturveränderungen im öffentlichen Dienst geschaffen werden.

Gewerkschaftliche Arbeit von kommunalen Planern müßte aber auch die laufende Analyse und Auswertung der eigenen Planungstätigkeit, ihrer politischen Orientierung und Wirksamkeit einschließen. Diese Auswertung ist nicht nur die Voraussetzung für die richtige Beurteilung der Funktion der kommunalen Planung und der Überwindung der Planerillusionen, sondern auch die Grundlage für politische Initiativen der Gewerkschaften in Bezug auf die Berücksichtigung der Reproduktionsinteressen der Arbeitnehmer bei der Kommunalpolitik. Es geht aber auch darum, die DGB-Gewerkschaften besser dafür zu qualifizieren, ihren allgemeinen gesellschaftspolitischen Kampf auf dem Gebiet der Stadtentwicklung zu konkretisieren. Obwohl Forderungen nach billigen Verkehrsmitteln, nach einer mieterfreundlichen Stadtsanierung, nach Offenlegung von Planungsvorhaben etc. in den Bereich gewerkschaftlicher Politik fallen und z.T. auch schon in den Programmen stehen oder auf Gewerkschaftstagen beschlossen wurden, spielen die Gewerkschaften in der kommunalpolitischen Auseinandersetzung bisher noch kaum eine wesentliche Rolle. Hier eröffnet sich eine wichtige Aufgabe für gewerkschaftlich organisierte Planer und sonstige Angehörige der kommunalen Verwaltungen. Von ersten Anfängen einer konkreteren Auseinandersetzung mit Stadtentwicklungspolitik zeugt in München die Stellungnahme des DGB zum Stadtentwicklungsplan-Entwurf von 1974.

Über die Gewerkschaften erhalten die kommunalen Planer nicht zuletzt den Kontakt zu den sozialen Gruppen, an deren Interessen sich eine emanzipatorische Stadtentwicklungsplanung orientieren muß. Qualifizierung der Gewerkschaften für eine aktive und konkrete Kommunalpolitik und Qualifizierung der Planer für die Erstellung emanzipatorischer Planungskonzepte stehen also in einem dialektischen Wechselverhältnis zueinander.

Den Leser mag es wundern, daß als Schlußfolgerung aus achtjähriger Erfahrung mit der Stadtentwicklungsplanung in München „lediglich“ die Forderung nach gewerkschaftlicher Arbeit der kommunalen Planer propagiert wird. Das wichtigste Ergebnis der Untersuchung der Geschichte der Münchner Stadtentwicklungsplanung war jedoch die entscheidende Rolle des politischen Kontextes von kommunaler Planung. Vorschläge zur Verfeinerung der Methoden und Organisation von Stadtentwicklungsplanung sind deshalb solange von sekundärer Bedeutung oder sogar gefährlich, wie nicht vorher die politischen Ziele der Stadtentwicklungsplanung formuliert und vor allem auch die Bedingungen ihrer Durchsetzung geklärt sind. Gerade die technokratische Stadtentwicklungspolitik nach 1973 hat demonstriert, wie technische und organisatorische Instrumente einer im Ansatz emanzipatorischen Planung „zweckentfremdet“ werden können.

Erst wenn die oben beschriebenen politischen Bedingungen für eine emanzipatorische Planung vorhanden sind, zu deren Schaffung die gewerkschaftliche Arbeit der Planer beitragen soll, ist es wieder sinnvoll, sich über Methoden und Organisation der Stadtentwicklungsplanung Gedanken zu machen, wobei sicher an den z.T. schon erprobten Verfahren der ersten Phase der Münchner Stadtentwicklungsplanung anzuknüpfen wäre.

Die vorrangige Behandlung von notwendigen Schlußfolgerungen für den Stadtentwicklungsplaner bzw. den kommunalen Planer ganz allgemein, ist nicht zufällig, sondern die Dokumentation des gleichsam naturwüchsigen Erfahrungs- und Bewußtwerdungsprozesses einer ganzen Reihe Münchner Planer, die die Geschichte der Stadtentwicklungsplanung zum größten Teil selbst miterlebten.

Die praktischen Erfahrungen bei der Verwirklichung der oben nur grob angedeuteten Schlußfolgerungen werden die Grundlage schaffen, um eben diese Schlußfolgerungen weiter zu konkretisieren.

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LITERATURVERZEICHNIS

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Zwoch, Felix: München – Ende der monozentrischen Stadtentwicklung? Manuskript, Aachen 1976

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VERZEICHNIS DER TABELLEN, KARTEN, ABBILDUNGEN, DOKUMENTE

München Strukturdaten: Einwohner, Arbeitsplätze, Wohnungen,
Kraftfahrzeuge, Stadtfläche (1938-1966)

Öffentliche Verkehrslinien

Hauptstrassennetz

Stadtentwicklungsplan 1963

Bayern

Entwicklung der Beschäftigten Struktur in München 1961-1970

Beschäftigtenentwicklung im Raum München 1961-70

Bevölkerung in München nach Geburtsjahr und Geschlecht 1973

Schema der Arbeitsschritte zur Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes 1975

Resolution der Teilnehmer des Stadtplanungstages,veranstaltet vom Münchener Forum am 27.4.1974 in der TU München

Entwicklung der Mieten in München 1964-1972

Alter und Ausstattung der Wohnungen 1974 in München

Veränderung im Wohnungsangebot in München

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ANMERKUNGEN

[1]       Projekt: Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung von Stadtentwicklungsprozessen durch Stadtentwicklungsplanung am Beispiel München, SS 1974 – SS 1975

[2]      Forschungsprojekt im Auftrag der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel: H. Blum/ K. Heil/ L. Hoffmann, Funktionale Aufgaben und verwaltungsorganisatorische Probleme der Großstädte im Hinblick auf eine integrierte Stadtplanung, München 1975

[3]      Die Bezeichnungen erst und zweite Phase beziehen sich au die Zeiträume 1968 – 1972 und 1973 bis 1976

[4]      Vgl. Evers/Lehmann oder Siebei (siehe Literaturverzeichnis)

[5]      Zit. n. Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 34

[6]      Vgl. dazu: Studie von IFAS, Der Zuzug nach München 1961/62 und Felix Zwoch, München Ende der monozentrischen Stadtentwicklung? Manuskript 1976, 9 ff.

[7]      Von 40 auf 190 Tausend PKW in den Jahren 1950 bis 1960 Dazu kommen der Einpendlerverkehr mit 27 000 Fahrzeugen und ca. 25 000 Fahrzeuge von Post, Bahn und Bundeswehr (im Jahre 1961).

[8]      Zu den stadtstrukturellen Ursachen des Verkehrsproblems siehe: Zwoch, 5/6.

[9]      Stadtentwicklungsplan 63, 15

[10]     Stadtentwicklungsplan 63, 16

[11]     Rautenstrauch, 12

[12]     Ebd., 12

[13]     Haushaltsrede 1961, 9

[14]     Ebd., 10

[15]     Stadtentwicklungsplan 63, 18

[16]     Ebd., 15

[17]     Rautenstrauch, 12

[18]      Achatswies-Entwurf, A-2

[19]      Ibid.

[20]      Stadtentwicklungsplan 63, 16

[21]      Die „freie Entfaltung der Persönlichkeit“ erfuhr im übrigen bereits durch die Bodenordnung und die Stadtplanung selbst eine, auf die Verfügbarkeit über privaten Grundbesitz bezogene, Beschränkung.

[22]      Haushaltsrede 1961, 6

[23]     SZ von 1963, zit. n. Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 38; Vgl. hierzu auch Bruno Flierl, Industriegesellschaftstheorie im Städtebau. Frankfurt, 1973, 30

[24]     Rautenstrauch,15

[25]     Haushaltsrede 1961, 6

[26]     Stadtentwicklungsplan 63, 20

[27]     Rautenstrauch, 15

[28]     Achatswies-Entwurf, A – 3

[29]     Stadtentwicklungsplan 63, 21

[30]     Zit. n. Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 34

[31]     Vgl. KGSt – Gutachten

[32]     Von 34 im Mai 1960 auf 128 im Jahre 1973. Vgl. Haushaltsrede 1964, 7

[33]     Das hohe Baurecht geht auf die Staffelbauordnung zurück, die aus dem Jahre 1908 stammt und 1961 vom Stadtrat nach § 179 BBauG übernommen wurde. Insbesondere unter der Politik des Faschismus, aus München die „Hauptstadt der Bewegung“ zu machen, wurden die Nutzungsziffern nach oben getrieben. Sie liegen in den inneren Stadtgebieten z.T. bei einer GFZ von über 3,5. Nach neueren Untersuchungen erlaubt die STBO, ohne neues Baurecht zu schaffen, eine Erhöhung der Bruttogeschoßflächen auf mehr als das doppelte des Bestandes.

[34]     Vgl. § 7 BauNVO

[35]     Stadtentwicklungsplan 74, 1-5

[36]     Vgl. Kap. „Bevölkerung“ im Achatswies-Entwurf, 23

[37]     Vgl. Öffentlicher Verkehr, Münchner Forum, Sammlungsreihe, Heft 9. München 1973, 10 ff

[38]     Selbst heute noch machen private Handelsunternehmen ihre Investitionen vom weiteren Ausbau Perlachs abhängig. „Für die termingerechte Fertigstellung des Neuperlacher Zentrums im Jahre 1977 sei es unabdingbar, daß nunmehr auch Perlach-Süd in Angriff genommen würde. Andernfalls werde kaum ein der hart kalkulierenden Kaufhauskonzerne bereit sein, im Einkaufszentrum zu investieren.“ (SZ vom 23.7.1975)

[39]     Vgl. J. Strobel in der SZ v. 22.6.74: Der Stadtentwicklungsplan von 1963 „führte seinerzeit … zu einer Bür- gerdiskussion, die diesen Namen verdiente. Zu einer öffentlichen Auseinandersetzung aller einschlägig interessierten Institutionen, die über Monate hinweg die Stadt bewegte.

[40]     Achatswies-Entwurf, A-4

[41]     Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 138

[42]     Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 138

[43]     Vogel kritisierte den damaligen Stadtbaurat Luther, indem er sinngemäß sagte: „Ich akzeptiere keine Stadtratsvorlage mehr, die nicht vorher in der Öffentlichkeit diskutiert wurde.“ (Gespräch mit Karl Klühspies vom Münchner Forum)

[44]     Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 155

[45]     Haushaltsrede 1967, 3

[46]     Vgl. Abreß, Probleme der Kommunikation und Kooperation zwischen Entscheidungsträgern und Öffentlichkeit, Manuskript, ohne Jahresangabe, 2

[47]     Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 133/135

[48]     Forschungsprogramm Anl. 1, 1

[49]     Forschungsprogramm, 6

[50]    Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 4

[51]     Neubeck, Klaus: Stadtforschung und Stadtentwicklung: Politische Perspektiven in: Stadtbauwelt 29 1971, 17

[52]     Forschungsprogramm, Anl. 1, 2

[53]     Philosophisches Wörterbuch, Stuttgart 1969, 479

[54]     Neubeck, Klaus: Stadtforschung und Stadtentwicklung: Politische Perspektiven in: Stadtbauwelt 29 1971, 18

[55]     „Selbst auf der Ebene der Teilmodelle sind die Zusammenhänge zwischen den relevanten Faktoren so vielfältig und komplex, daß es nicht möglich erscheint, mit zumutbarem Arbeits- und Zeitaufwand ein Simulationsmodell aufzustellen.“ (Neubeck, Klaus: Stadtforschung und Stadtentwicklung: Politische Perspektiven in: Stadtbauwelt 29 1971, 18)

[56]     Diese Frage soll im Zusammenhang mit der Frage der Klientelbeziehungen von Stadtentwicklungsplanung unter B II 3 behandelt werden

[57]    Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971,10

[58]     Ebd., 11

[59]     Neubeck, Klaus: Stadtforschung und Stadtentwicklung: Politische Perspektiven in: Stadtbauwelt 29 1971, 17

[60]     Ebd., 16

[61]     Karolus Heil in: Gelingt die Wachstumsdrosselung, Münchner Forum Heft 7 der Sammlungsreihe 1973, 6

[62]     Vgl. dazu die Debatte über die „Investitionslenkung“.

[63]     Neubeck, Klaus: Stadtforschung und Stadtentwicklung: Politische Perspektiven in: Stadtbauwelt 29 1971, 17

[64]     Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 234. Daneben spielten vor allem die Theorien der Frankfurter Schule für die Konzeption des „Münchner Modells“ eine Rolle. Heil und Neubeck haben in Frankfurt studiert.

[65]     Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 135

[66]     Neubeck, Klaus: Stadtforschung und Stadtentwicklung: Politische Perspektiven in: Stadtbauwelt 29 1971, 17

[67]     Achatswies-Entwurf, A-13

[68]     Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 133

[69]    Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971,4

[70]     Achatswies-Entwurf, A-13

[71]     Neubeck, Klaus: Stadtforschung und Stadtentwicklung: Politische Perspektiven in: Stadtbauwelt 29 1971, 17

[72]     Ibid.

[73]     Eines der wenigen Beispiele für die Auswirkung einer Problemstudie auf die Stadtpolitik ist die Bildung eines „Ausländerbeirate“ durch die Stadt, wie er von der Studie „Kommunalpolitische Aspekte des wachsenden ausländischen Bevölkerungsanteils in München“ empfohlen wurde. (Vg. Stadtratsbeschluß v. 20.2.1974)

Bis 1973 wurden im Stadtentwicklungsreferat folgende Studien erarbeitet:
Kommunalpolitische Aspekte des Münchner Wanderungsgewinns
Originalitätsverlust der Landeshauptstadt, 1971
Kommunales Planungsinformations- und Analysesystem für München, 1971
Kommunalpolitische Aspekte des Umweltschutzes in München
Kommunalpolitische Aspekte des wachsenden ausländischen Bevölkerungsanteils in München
Bausteine für ein verkehrspolitisches Konzept, 1973
Problemstudie Freizeitwert und Freizeitplanung in München, 1973 (nicht veröffentlicht)
Konzept zentraler Standort für München, 1973 (nicht veröffentlicht)
Problemstudie Wohnen in München, 1973 (nicht veröffentlicht)
Die Untersuchungen über Bevölkerungsentwicklung, Arbeitsstättenentwicklung, Flächennutzung, Regionale Verflechtungen und Stadtgestalt wurden im Entwurf fertiggestellt.

[74]     Vgl. Achatswies-Entwurf, A-12

[75]    Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 9

[76]    Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 8/9

[77]     Karolus Heil, Ursachen, Bedingungen und Notwendigkeiten der Einführung der Gemeinwesenarbeit in der Landeshauptstadt München, Cambridge 1965

[78]     Heil, 28

[79]    Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 8

[80]    Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 8

[81]     Siebel, 34

[82]     Neubeck, Klaus: Stadtforschung und Stadtentwicklung: Politische Perspektiven in: Stadtbauwelt 29 1971, 17

[83]     F. M. Marx spricht von der „mehr oder minder dezent verhüllten Verbindung mit jenen Interessenkonstellationen, die Anlaß haben, ein aufmerksames Auge auf die Erfüllung bestimmter Verwaltungsaufgaben zu richten … Die Klientelbeziehung kann der Behörde Anlaß geben, als reiner Interessenwahrer im Exekutivgefüge tätig zu werden. F.M. Marx, 421

[84]     Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, daß eine bestimmte Interessensgruppe, gerade weil sie durch keine Fraktion im Parlament oder kein Ressort vertreten ist, auf die Einrichtung einer Institution für Stadtentwicklungsplanung dringt, womit dann die Klientelbeziehung und die politische Orientierung der Stadtentwicklungsplanung von vornherein festgelegt ist. So sind z.B. die Interessen des überlokal organisierten Kapitals auf eine umfassende und langfristige staatliche Planung orientiert. Die geschilderte Entstehungsweise und auch die Konzeption der Münchner Stadtentwicklungsplanung lassen jedoch den Schluß zu, daß ihre Etablierung in diesem Falle nicht auf eine derartige direkte Beeinflussung von „außen“ zurückgeht.

[85]     Abreß, Probleme der Kommunikation und Kooperation zwischen Entscheidungsträgern und Öffentlichkeit – dargestellt am Beispiel langfristiger Investitionsplanung, Manuskript o.J., 14

[86]    Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 8

[87]     „Eine Lösung könnte darin gesehen werden, Verfahrensweisen zu schaffen, die den Bürger systematisch an die Problematik der Umweltgestaltung heranführen und ihn instand setzen, auf Grund von Kenntnis an der Lösung der ihn existenziell berührenden Umweltprobleme aktiv mitzuarbeiten.“
Abreß, Hubert: Probleme der Kommunikation und Kooperation zwischen Entscheidungsträgern und Öffentlichkeit, Manuskript, München 1970, 21

[88]     Ibid., Seite 57

[89]     Siebel, 75
Die GWA führte allerdings nicht zu einer derartigen Unterstützung des Stadtentwicklungsreferats, zumindest nicht kurzfristig. Abreß drängte immer wieder darauf, die GWA solle Bürgerversammlungen u.ä. organisieren.

[90]     „Entscheidend … für die politische Planungsverwaltung [ist] letztlich der Gesichtspunkt, daß sie mit der rechtzeitig in der Vorbereitungssphase der Planung einsetzenden Kooperation mit der Öffentlichkeit eine breitere Legitimation erhält.“ „Kooperation gibt aber auch Legitimation für das interne Planungshandeln der Verwaltung, weil sie Anregungen und Kritik der Öffentlichkeit auf die Tätigkeit der planenden Verwaltung einwirken läßt, bevor die politische Letztentscheidung fällt, d.h. im Planungsstrang der Verwaltung sind die Vorlagen der Organisationsangehörigen auch gegenüber der politischen Spitze besser legitimiert.“
Pflaumer, 38

[91]     Neubeck, Klaus: Stadtforschung und Stadtentwicklung: Politische Perspektiven in: Stadtbauwelt 29 1971, 17

[92]     Rautenstrauch, 24

[93]     Siebel, zit. n. Rautenstrauch, 26

[94]     Rautenstrauch, 26 „Die Beteiligung der Öffentlichkeit im Planungsprozeß (bringt) eine Beschleunigung der von Reibungen befreiten Ausführungsphase mit sich … und (dient) damit letztlich einer Effizienz der Ausführung.“ Beteiligung der Öffentlichkeit, Beitrag des Direktoriums- Investitionsplanungs- und Olympiaamtes, in: Altstadtring Nord-Ost, Baureferat 1970, zit. n. Pflaumer, 111

[95]     Heil, 36/37

[96]    Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 9

[97]     Denkschrift über die Organisation der Stadtforschung und der zu ihrer Förderung sonst zu treffenden Maßnahmen innerhalb der Landeshauptstadt München 1968, 12

[98]     Denkschrift, 5

[99]     Ebd., 9

[100]    Ebd., 11

[101]    Ebd., 18

[102]    Ebd., 20
Die Abteilung Stadtforschung im Direktorium – Investitionsplanungs- und Olympiaamt (IOA) sollte im Endstadium ihres Ausbaus zehn Mitarbeiter im höheren Dienst beschäftigen: Einen Verwaltungs- und Rechtsexperten, Politologen, Sozialgeographen, Entwicklungsplaner, Nationalökonom, Systemanalytiker und Wirtschaftsrat, zwei Sozialwissenschaftler und zwei Verwaltungsoberinspektoren.

[103]    Vgl. hierzu Kap. B III 1

[104]    Vgl. KGST-Gutachten, Organisation der kommunalen Entwicklungsplanung, Köln 1972, 15 ff

[105]    Bericht der Baureferatskommission“, zit. n. Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972. 143/4

[106]    Vgl. dazu die „organisatorische Disjunktion“ nach dem Modell von Offe in: Grauhan/Linder S. 72/73. Neben der von Grauhan/Linder aufgegriffenen Disjunktion zwischen lokaler und zentraler Ebene und zwischen Ziel- und Maßnahmenplanung, bedeutet auch die interessensspezifische Ressortgliederung der Verwaltung eine Form „organisatorischer Disjunktion“, die über die Befriedung der gesellschaftlichen Gruppen untereinander mittelbar der Bewältigung der widersprüchlichen Staatsfunktionen („Steuerungsleistungen“ und „sozialstaatliche Leistungen“) dient. Ein Beispiel für die bewußt widersprüchliche Problemlösungsstrategie zur Befriedigung widersprüchlicher gesellschaftlicher Interessen findet sich im Stadtentwicklungsplan 1975: „Dem Hauseigentümer muß unter Berücksichtigung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ein angemessener Ertrag gesichert werden. Um gleichzeitig die Interessen der Mieter zu schützen, müssen Förderungsmaßnahmen und Mieterhöhungsmöglichkeiten so gekoppelt werden, daß die Mieten das sozial vertretbare Ausmaß nicht übersteigen.“ (Stadtentwicklungsplan 1975, IV—13) 58) zit. n. Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 142

[107]    Stadtratsbeschluß vom 11.3.1970
Vgl. Kap. II 4

[108]    Vgl. Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 136

[109]    Grauhan/Linder, 108

[110]    Denkschrift, 20

[111]    Grauhan 1969, 126

[112]    Abreß 1969, 12

[113]    Ebd., 12

[114]    Ebd., 13

[115]    Ebd., 13/14

[116]    Abreß, Hubert: Probleme der Kommunikation und Kooperation zwischen Entscheidungsträgern und Öffentlichkeit, Manuskript, München 1970, 15

[117]    Ebd., 16/17

[118]    Ebd., 17

[119]    Siebel, 50

[120]    Abreß, Hubert: Probleme der Kommunikation und Kooperation zwischen Entscheidungsträgern und Öffentlichkeit, Manuskript, München 1970, 17

[121]    Vgl. dazu 66

[122]    „Das hängt damit zusammen, daß die ausführende Stelle, die mit ihrem Arbeitsprozess direkt in die soziale Wirklichkeit eingreift, deren Zeit- und Handlungszwängen ausgesetzt ist und sie als unmittelbar schlagende Argumente gegen die Planung „am grünen Tisch“ ins Feld führen kann.“ Grauhan/Linder, 109)

[123]    Mit „erster Phase“ ist hier die Zeit von 1968 bis 1972 gemeint.

[124]    Vgl. 4. Mehrjahresinvestitionsprogramm 1970-74

[125]    Vgl. Haverkampf, Methodischer Aufbau einer integrierten Stadtentwicklungsplanung, difu Berlin und Zerweck/Trutzel, Nürnberg-Plan, Beispiel für die Neuorganisation des kommunalen Planungsprozesses in: Stadtbauwelt 40/1973

[126]   Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 7

[127]    Vgl. Haushaltsreden von Vogel und Stadtentwicklungs- und Stadtplanungsausschuß vom 13.1.1971, 5

[128]    Vgl. OB Vogel, „Rettet unsere Städte jetzt!“ In SZ v. 27.5.1971, 7

[129]    Vgl. dazu auch Heil, zit. auf S. 51

[130]    Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 65

[131]    Vgl. SZ v.13.10.1975, 9

[132]    Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 66

[133]    Vgl. Gesetzesinitiative von München für eine „Entwicklungsgenehmigung“

[134]    Siebel, 33

[135]    Vgl. Grauhan/Linder, 103

[136]    Vgl. 40/41

[137]    Chronik der offenen Planung Lehel:
5.8.1969   Arbeitskreis Altstadtring Nord-Ost gegründet – zuständig
auch für Lehel. „Prof. Angerer und Arch. Schöner
als Verfahrensleiter zur Einschaltung der Öffentlichkeit.“
4.3.1970: Stadtrat beschließt „die Beteiligung der Öffentlichkeit
am Planungsgeschehen.“
– Münchner Forum
– „Projektgruppe“ der Stadt
6.3.1970: Flugblatt der SPD, Ortsgruppe Lehel
6.4.1970: Offizielle Gründung der IGS (Interessensgemeinschaft
der Sanierungsbetroffenen)
29.4.1970: Erste öffentliche Versammlung der IGS
25.6.1970: Eröffnung des Ausstellungs- und Diskussionszeltes im Lehel
8.7.1970: Demonstration der DKP durch das Lehel
8.7.1971: Sternmarsch der Mieter aus allen Innenstadtrandgebieten
zum Rathaus

[138]    Vgl. Hoffmann/Patellis 1971, 68 ff.

[139]    Cornelia Jacobson schrieb dazu in der Zeit vom 7.8.1970:
„Allerdings ist inzwischen aufgefallen, daß die angeblich überparteilichen Gremien „Münchner Forum“ und IGS (Interessensgemeinschaft der Sanierungsbetroffenen, d. Verf.) fast ausschließlich von SPD-Mitgliedern angeführt werden. Und so fragen sich nun etliche: findet hier ein parteiinterner Bruderzwist statt, oder wird uns hier ein Schaukampf mit vorher festgesetztem Ausgang vorgeführt, damit Bürgermeister Vogel und seine Freunde ihr Gesicht wahren können? Forum und IGS, so hört man, erfüllten nur eine Alibifunktion, auf daß man am Ende um so besser das tun könne, was man ohnehin vorhatte.“ Vgl. dazu die Ausführungen zum SPD-Konflikt auf den Seiten 90 ff.

[140]    Vgl. „Öffentliche Planung Lehel“, Baureferat und Stadtentwicklungsreferat, München 1971, 19

[141]    „Anfang 1970 haben im Lehel Kündigungen, Hausabbrüche usw. ein Ausmaß erreicht, das die gesamte Bevölkerung in Angst und Unruhe versetzte.“ Hoffmann/Patellis 1971, 60

[142]    Ebd. 1
In diesem Zusammenhang wurde vom Stadtentwicklungsreferat und der Gruppe Stadtplanung im Baureferat eine Reihe von Initiativen zur Verbesserung des gesetzlichen Instrumentariums unternommen.So gehen z.B. die Vorschriften über einen Sozialplan im StBauFG auf die Anregungen und Erfahrungen von München zurück.
Für die Novellierung des BBauG wurde eine Verbesserung des § 44 vorgeschlagen, die eine entschädigungslose Reduzierung vorhandenen Baurechts auch dann möglich machen sollte, wenn die erforderlichen Infrastruktureinrichtungen nicht vorhanden sind und auch von der Stadt nicht geschaffen werden können. (Dieser Vorschlag wurde vom späteren Bundesminister für Städtebau, Vogel, mit der Begründung abgelehnt, er sei verfassungswidrig. Vgl. SZ v. 13.10.1973)

[143]    „Zielscheibe der Angriffe war zunächst vor allem die Stadt. Ihr wurde vorgeworfen, sie habe die ganze Entwicklung durch die Ausweisung der betreffenden Viertel als Kerngebiet im Stadtentwicklungsplan und im Fiächennutzungsplan in Gang gebracht. Sie sei Schuld an der Vertreibung der Mieter und stehe mit Großkonzernen und Spekulanten im Bunde. Auch die Sanierungsabsichten dienten nur dem Vorteil der Grundeigentümer. Das war selbstverständlich(!)in dieser Form eine grobe Entstellung.“ Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 148,49

[144]    Siebel, 78/78

[145]    Grauhan/Linder, 131

[146]    Cornelia Jakobsen in : „Die Zeit“ vom 7.8.1970

[147]    Hoffmann/Patellis, Aktionsbericht zur Öffentlichen Planung Lehel, 3

[148]    Hoffmann/Patellis, 1971, 102

[149]    Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 229

[150]    So wurde z.B. bekannt, daß die Münchner Rückversicherung die Grundstücke entlang des Altstdtrings aufgekauft hatte und auf eine möglichst hohe Verwertung durch Kernnutzung aus war.

[151]    Grauhan/Linder, 131
Statt der – ursprünglich von der liberalen Süddeutschen Zeitung, nicht der DKP geprägten – Formulierung: „Droht dem Lehel der Ausverkauf?“ heißt es beispielsweise in der Broschüre nun: „Droht dem Lehel ein grundlegender Wandel?“

[152]   Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 9

[153]    Vgl. Altstadtring Nord-Ost, Baureferat 4.3.1979, Teil E und F

[154]    Interview mit einem Vertreter des Münchner Forums

[155]    Altstadtring Nord-Ost 2, Baureferat Nov. 1970, Teil 3, 1

[156]    Ebd., 1/2

[157]    Die Bereiche entlang des Altstadtrings, die inzwischen in Besitz der Münchner Rückversicherung waren, sollten nach dieser Empfehlung als Kerngebiet ausgewiesen bleiben.

[158]    Diese Alternative wies das gesamte Lehel als „allgemeines Wohngebiet“ aus.

[159]    Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 115

[160]    Ebd., 221

[161]    Grauhan/Linder, 139

[162]    Vgl. Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 219

[163]    „Nur die Verwaltung, die über weite Handlungsspielräume verfügt, kann sich risikolos materiellen Legitimationsforderungen stellen. Hat aber das Planungsamt, das sich auf die Diskussion mit der Öffentlichkeit einlassen muß, „keinerlei Flexibilität mehr“, so wird das Verhalten zu Öffentlichkeit ‚versaut‘.“ (Siebel, 81)

[164]    Das war z.B. anläßlich einer Aktion von Gemeinwesenarbeitern in einer Siedlung der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (GWG) der Fall, deren Geschäftsführer gleichzeitig Vorsitzender der SPD-Rathausfraktion ist. Das Stadtentwicklungsreferat empfahl damals den Gemeinwesenarbeitern, sich nicht mit der GWG anzulegen, da sonst die Finanzierung des Vereins durch die Stadt (80% des Vereinshaushalts bezahlt die Stadt) gefährdet sei.

[165]    Grauhan/Linder, 132/33

[166]    Vgl. Abreß, Hubert: Probleme der Kommunikation und Kooperation zwischen Entscheidungsträgern und Öffentlichkeit, Manuskript, München 1970, 13: „So muß der Funktionswandel auch einen Strukturwandel der Verwaltung – soweit sie plant und nur soweit wollen meine Ausführungen verstanden werden – zur Folge haben.“

[167]    Stadtbaurat Zech in der Süddeutschen Zeitung v. 1.12.72

[168]   Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 7

[169]    Hoffmann/Patellis 1971, 72

[170]    Grauhan/Linder, 135

[171]    SZ vom 2.9.72, zit. n. Grauhan/Linder, 135

[172]   Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 9

[173]    Ibid.

[174]    Die Bezeichnung Rosa-Zonen-Plan nimmt Bezug auf die zeichnerischen Darstellungen dieses Planes, die alle jene Gebiete, in denen die Wohnnutzung stadtentwicklungspolitisches Ziel sein soll, in rosa Farbe darstellt.

[175]    Als Begründung für diese Vorwegnahme führt der Rosa-Zonen-Plan an: „Der lebendige Entwicklungsprozess eines Gemeinwesens wie der Landeshauptstadt München erzwingt … – wie alle Erfahrung zeigt – ständig planerische Entscheidungen, die nicht in allen Fällen von der Seite wissenschaftlicher Untersuchungen und Erkenntnisse her bis zum letzten abgesichert sein können.“ (Rosa-Zonen-Plan, 2)

[176]    Zit. Nach Rosa-Zonen-Plan, 1

[177]    Ebd., 2

[178]    Die Industrie- und Handelskammer „kritisierte insbes. die Politik, mit der die Innenstadtrandgebiete als Wohnviertel erhalten werden sollen. So wird vor „weittragenden Folgen“ des „Rosa-Zonen-Beschlusses“ (Wohnzonen) gewarnt, der negative Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Aktivitäten in München haben werde“. (SZ v. 17.10.73)

[179]    In den Innenstadtrandgebieten sind Geschoßflächenzahlen von z.T. über 3,0 zulässig. Vgl. dazu die Fußnote auf Seite A 12.

[180]   Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 9

[181]    Vgl. dazu: Altstadtring Nord-Ost 2, Baureferat Stadtplanung 1970, Kap. 3,2

[182]    Rosa-Zonen-Plan, 4

[183]    Ebd., Anlage 2,1

[184]    Ebd., 22

[185]    Die sog. Zweckentfremdungsverordnung hat ihre Rechtsgrundlage in Art.6 des Bundesgesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen vom 4.1.71. Die ZVO besagt, daß in bestimmten, vom jeweiligen Bundesland festzulegenden, Städten jegliche Form der Zweckentfremdung von Wohnraum der Genehmigung durch den Stadtrat bedarf, die nur für Ausnahmefälle zu gewähren ist.
Vgl. Verhaag, Kreibich, Münscher, Die Zweckentfremdungsverordnung – Analyse eines entwicklungspolitischen Instruments in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 7/8 1974

[186]    Rosa-Zonen-Plan, 14. Vgl. dazu Grauhan/Linder, 133 ff

[187]    zit. n. SZ v. 1.6.1.75. Diese Rechtsauffassung wurde in einem anderen Verfahren am 30.3.76 durch den VIII. Senat des Bayr. Verwaltungsgerichtshofs bestätigt.(SZ v. 31.3.1976)

[188]    Otto Vilser in der SZ v. 16.1.75

[189]    Rosa-Zonen-Plan, 4

[190]   Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 8

[191]    Rosa-Zonen-Plan, 22

[192]    1974 verkaufte die Stadt ihr letztes innenstadtnahes Grundstück an eine Bank, um mit dem Erlös ein Kulturzentrum zu bauen.

[193]    Das Europäische Patentamt wird gegen großen Widerstand mitten in ein innerstädtisches Wohngebiet gebaut, obwohl ein alternativer Standort möglich war.

[194]    Verhaag, Kreibich, Münscher, 292.

Diese Untersuchung über die Wirksamkeit der Zweckentfremdungsverordnung wurde ursprünglich im Auftrag der Stadt München angefertigt, von ihr selbst aber bezeichnenderweise bis heute nicht veröffentlicht.

[195]    Grauhan/Linder, 72

[196]    Siebel, 34

[197]    Vgl. Grauhan/Linder, 139

[198]    + 9,6 % bei der Stadtratswahl und + 18,5 % bei der Oberbürgermeisterwahl

[199]    Staatssekretär Erich Kiesl, Bezirksvorsitzender der CSU München, meinte: „Der Mensch sei in seiner natürlichen Entwicklung, in seinem Denken und Bewußtsein, in seiner Spontaneität und Kreativität, in seinem Versuch Freiheit und Glück zu verwirklichen, nicht planbar und verplanbar. ‚Hier wird überdeutlich, daß die Bewußtseinslage der Planer sozialistisch ist. Für die Sozialisten gibt es nämlich nur ein Gebetbuch außer Marx und Lenin, und das ist der Plan.’“ (zit. n. MStA, 13.5.1975, 7)

[200]    Vgl. Münchner Forum, Die Wahl des Stadtentwicklungsreferenten in München, Berichte und Protokolle Nr. 23,1973

[201]    Zehetmeier, Fraktionsvorsitzender der CSU, zit. n. SZ v. 1.3.1973

[202]    Vgl. SZ v. 1.3.1973 „An Marx spaltet sich die SPD“

[203]    Marx, n. StA v. 24.9.1974

[204]    Ibid.

[205]    Ibid.

[206]    Vgl. Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 9

[207]    Vgl. Fußnote auf Seite 55/56

[208]    Marx auf einer Veranstaltung des Münchner Forums, 27.4.74

[209]    SZ v. 5.4.1973

[210]    SZ v, 5.4.73

[211]    Stadtentwicklungsplan 1974, A-11
Der Haus- und Grundbesitzerverein kommentierte diese Formulierungen folgendermaßen: „Die ’sozialistisch-ideologische ‚Verklemmung sei offensichtlich, wenn einerseits von den ‚Interessen aller Bürger dieser Stadt‘ gesprochen werde und im gleichen Satz Gegensätze zwischen den sozial Schwachen und Mietern sowie den Grundstückseigentümern und Unternehmern konstruiert würden.“ (SZ v.1975, Nr.49) Dem Verein war ganz offensichtlich entgangen, daß die Grundsätze gerade eine deutliche Absage an jene vermeintlich „sozialistisch-ideologischen“ Vorstellungen des „Münchner Modells“ bedeuteten. Im Grundsatz Nr.1 heißt es nämlich: „Stadtentwicklungsplanung ist kein Podium für Diskussionen über Systemveränderungen.“

[212]    Marx zit.n. MStA v. 1.6.1973

[213]    Vgl. im Gegensatz dazu Marx: Die Referentenstelle reizte ihn, „weil sie ihm die Möglichkeit bietet, Probleme, mit denen er sich bisher in der Theorie beschäftigte, in der Praxis zu lösen“.(SZ v. 5.4.73)

[214]    Vgl. Seite 63

[215]    MStA v. 5.9.75

[216]    „Trotz Arbeitsteilung mit wissenschaftlichen Institutionen plädiert Marx für einen personellen Ausbau seines Referats. Er will sich im Stadtrat dafür einsetzen, daß zusätzliche Verkehrs-, Stadtplaner und Stadthygieniker bewilligt werden. (SZ v. 25.5.73)

[217]    Vgl. B II 4

[218]    Marx, zit. n. SZ v.24.10.1975

[219]    In München sind das die Grundsatzabteilungen im Sozialreferat, im Schulreferat, im U-Bahn Referat und zur Verkehrs- und Flächennutzungsplanung im Baureferat.

[220]    Siehe SZ v.19.11.1975

[221]    Aufgrund der Tatsache, daß eine Personalversammlung zum ersten Mal nicht aus personalpolitischen Gründen zu Fragen der Organisation von räumlicher und Stadtentwicklungsplanung Stellung nimmt, soll die Stellungnahme hier ausführlicher zitiert werden.

[222]    Erläuterung zur Resolution der Personalversammlung der Gruppe Stadtplanung im Baureferat, zit. n. MStA v. 21.11.1975

[223]    Veranstaltung des Münchner Forums im Bauzentrum am 19.7.1973

[224]    Stadtratsbeschluß v. 23.1.1974

[225]    In München gibt es die Bürgerversammlung als Institution; Anträge von Bürgern müssen innerhalb von 3 Monaten vom Stadtrat behandelt werden.

[226]    Gerade die Tatsache, daß das Grundstück in städtischem Eigentum ist, bot die seltene Gelegenheit, auch für einkommensschwache Bevölkerungsschichten „citynaheß“ Wohnen zu ermöglichen. (Vgl. dazu die Ziele des Rosa-Zonen-Plans)

[227]    alle Zitate aus: Stadtratsbeschluß v. 23.1.74

[228]    Vgl. Anträge der „Aktion Maxvorstadt“ zur Bürgerversammlung am 12.3.73

[229]    Oskar-von-Miller-Ring, II

[230]    Oskar-von-Miller-Ring, Anlage 3

[231]    Vgl. dazu das Kapitel C III 3

[232]    Die Bay. Gemeindebank versuchte den Bürgern den Verkauf des Grundstücks mit dem Argument schmackhaft zu machen, daß mit der Nutzung durch die Bay. Gemeindebank insofern auch eine soziale Nutzung erreicht werde, da „gerade die Landesbank der öffentlichen Hand satzungsgemäß mit der Finanzierung bestimmter sozialer Einrichtungen zur Seite stehe und erst in zweiter Linie (!) Gewinn erwirtschafte.“ (Oskar-von-Miller-Ring, Anlage 8, 7/8)

[233]   Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 9

[234]    SZ v. 9.1.75

[235]    Siehe Seite 56

[236]    Vgl. Stadtplanungstag, A-1

[237]    Marx auf der Klausurtagung in Achatswies vom 8. -12.1.74

[238]    Stadtratsvorlage v.25.6.75 (Hervorheb. d. d. Verf.)

[239]    SZ v.1975, Nr. 206

[240]    Siehe Stadtratsvorlage v.25.6.75,‘ 23

[241]    Stellungnahme des DGB zum Stadtentwicklungsplan in MStA v. 27.5.75

[242]    Stadtratsbeschluß v. 3.04.1974

[243]    DGB-Stellungnahme, 52

[244]    DGB-Stellungnahme, 6

[245]    Münchner Forum, Berichte und Protokolle Nr. 23, April 73

[246]    Stadtratsvorlage v.25.6.75

[247]    Vgl. MStA v.18.4.75

[248]    SZ v. 25.5.73

[249]    Ibid.

[250]    Rundschreiben Nr. 17 v. 10.5.73

[251]    Rundschreiben Nr.18 v.11.5.73

[252]    Geschäftsordnung des Stadtentwicklungsreferates v.4.6.70

[253]    tz vom 20.4.74

[254]    „Praktisch alle maßgeblichen und fachlich weit über München hinaus anerkannten Abteilungsleiter (haben) das Referat inzwischen verlassen“, denn sie sind „alle mit dem Ziel und dem Versprechen eingestellt worden, frei arbeiten zu dürfen.“ (SZ v.12.10.74)

[255]    Aus dem Rundschreiben des Personalrates, zitiert nach SZ v. 11.4.74

[256]    SZ v.18.4.74 ,

[257]    Pressemitteilung des Stadtentwicklungsreferates v.22,4.74

[258]    SZ v.24.4.74

[259]    Stadtplanungstag, 1

[260]    Schreiben des Münchner Forums v.8.3.74

[261]    Stadtratsbeschluß v.27.3.74 Vgl. hierzu; Abreß, Hubert: Probleme der Kommunikation und Kooperation zwischen Entscheidungsträgern und Öffentlichkeit, Manuskript, München 1970, 16, 17: „Der Chef ist hier nicht mehr als Teamleiter, der die erarbeiteten Informationsalternativen, auch die von ihm nicht gebilligten (!), der politischen Entscheidung zuzuführen hat.“

[262]    Vgl. Seite 123

[263]    Siehe Resolution im Anhang von Kapitel C II 3

[264]    Stadtplanungstag, D-2

[265]    Marx auf dem „Stadtplanungstag“ v.27.4.74

[266]    Vgl. Grauhan 69 und auch die Auffassung des Stadtentwicklungsreferats in der ersten Phase, Kap. B II 4

[267]    Stadtplanungstag, A-1

[268]    SPD-Programm für 1972-78

[269]    RESOLUTION DER TEILNEHMER DES STADTPLANUNGSTAGES
VERANSTALTET VOM MÜNCHNER FORUM AM 27. 4. 1974 IN DER TU MÜNCHEN

Die Teilnehmer der Tagung zum Entwurf des Stadtentwicklungsplans am 27. 4. 1974 verabschiedeten folgende Resolution und beauftragten das Münchner Forum, sie dem Stadtrat, der Stadtverwaltung und der Öffentlichkeit bekanntzugeben:

    • Das Stadtentwicklungsreferat wird aufgefordert, alle Problemstudien und Vorarbeiten, die dem Stadtentwicklungsplan zugrunde liegen, alsbald zu veröffentlichen.
    • Das Stadtentwicklungsreferat wird aufgefordert, umgehend einen detaillierten Plan zum Verfahren der Öffentlichen Planung, der Veröffentlichung und der Information der Bevölkerung sowie der Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit dem Entwurf des Stadtentwicklungsplans vorzulegen und deutlich zu machen, wie die öffentliche Meinung in den Willensbildungsprozess einbezogen werden kann.
    • Das Stadtentwicklungsreferat wird aufgefordert, offenzulegen, welche Mitarbeiter an den Problemstudien gearbeitet haben und diesen Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, auf Anfragen von Bürgergremien zu diesen Problemen Stellung zu nehmen.
    • Das Stadtentwicklungsreferat wird aufgefordert, die Kosten für den Nachdruck des Stadtentwicklungsplans durch das Münchner Forum zu übernehmen.
    • Das Stadtentwicklungsreferat wird auf gefordert, unverzüglich die Instrumente anzugeben, mit denen die Ziele des Stadtentwicklungsplans durchgeführt werden sollen.
    • Die Bezirksausschüsse müssen von der Stadt qualifizierte Hilfen personeller und finanzieller Art erhalten für die Umsetzung der Probleme des Stadtentwicklungsplans auf die einzelnen Stadtteile und für die Veröffentlichung der sich daraus ergebenden Konsequenzen.
    • Das Münchner Forum wird aufgefordert, zu überprüfen, ob alle vom Stadtrat im Zusammenhang mit dem Stadtentwicklungsplan in Auftrag gegebenen Aufgaben erfüllt sind,und die Öffentlichkeit über den Stand zu informieren.

[270]    Vgl. SZ v.15.2.74

[271]    MstA v. 24.9.74

[272]    Schlagzeile der Bildzeitung am 22.9.74: „Vogel in Millionenskandal verwickelt“

[273]    Thomas Ellwein im Bay. Rundfunk, 1.Programm, 5.10.75

[274]    SZ v. 15.2.74

[275]    MstA v. 27.9.74

[276]    Thomas Ellwein a.a.O.

[277]    Entsprechend dieser Einteilung werden sie im Folgenden nur mit der jeweiligen „Stufennummer“ gekennzeichnet, wobei sich die Seitenangaben bei den Entwicklungsplänen jeweils auf das Kapitel „Wohnen“ beziehen.

[278]    Die vorliegende Fassung der Problemstudie „stellt eine vorläufige Fassung dar, die im Referat noch nicht voll ausdiskutiert und abgestimmt“ wurde und daher „vertraulich zu behandeln ist“. Sie gehört im übrigen zu den Studien, von denen der Stadtentwicklungsreferent Marx meinte, sie seien „es nicht wert, veröffentlicht zu werden“. Die im Folgenden aus der Studie zitierten Passagen sind daher vom Leser ebenfalls vertraulich zu behandeln.

[279]    Vgl. Seite 144

[280]    Vgl. die Tabelle: Veränderungen im Wohnungsangebot, S.144

[281]    Vgl. Seite 14

[282]    SZ von 1975, Nr. 49

[283]    „Insgesamt liegt der Wohnungsbedarf um mindestens 50% über dem in den nächsten Jahren zu erwartenden Wohnungsbau in München, der bei einer Trendverlängerung der Bautätigkeit in den letzten Jahren nicht über 15 000 Wohnungen pro Jahr ansteigen wird.“ (Vgl. Tabelle: Veränderungen im Wohnungsangebot)

[284]    Vgl. Tabelle: Veränderungen im Wohnungsangebot S. 143

[285]    Vgl. dazu die Zielsetzung des Stadtentwicklungsplans 1975, daß die kommunale Wohnungsbaupolitik „auch den freifinanzierten Wohnungsbau in ihre Überlegungen miteinbeziehen muß“. (4, 12)

[286]    Die Zahlen enthalten auch leerstehende und durch Darlehen öffentlich geförderte Eigentumswohnungen.

[287]    Die Zahlen enthalten nicht öffentlich geförderte Hcimpliitze, aber durch Zuschüsse öffentlich geförderte Eigentumswohnungen.

[288]    1969: 57.697,- DM und 1973: 110.367,- DM pro Wohnung

[289]    Die „reinen Baukosten“ stiegen von 1969 bis 73 um 43%, die Preise für „baureife Grundstücke“ allein von 1969 bis 1972 (!) von zwischen 125 und 237 DM/qm auf zwischen 286 und 599 DM/qm. (Quelle: Statistischen Handbuch München 1975, 173 u. 178)

[290]   Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 8

[291]    Vgl. dazu die Ausführungen zur Konzeptionslosigkeit der Stadtentwicklungsplanung auf Seite 110

[292]    IHK-Stellungnahme, 8

[293]    Vgl. Seite 110

[294]    SZ v. 1975, Nr. 49

[295]    Vgl. 4, 15 und Stadtentwicklungsplan 1975 Kap. III Polyzentrische Stadtstruktur

[296]    Vgl.: Beschluß des Wohnungsparteitages der Münchner SPD v.2.6.75:“Das Mietniveau darf 15% des Nettoeinkommens nicht übersteigen“.in MStA v.10.6.75. OB Kronawitter dagegen empfiehlt bald darauf der Münchner SPD in einem Memorandum, die auf dem Parteitag beschlossene Forderung nach „Einführung der Prozentualmiete““nicht weiter zu vertreten“. MStA v.3.10.75

[297]    (SZ v. 1975 Nr. 49)

[298]    Stadtentwicklungsplan-Entwurf ’74, A-11

[299]    Vgl, den Beschluß des SPD-Parteitages zur Prozentualmiete

[300]    MStA v. 8.7.75

[301]    SZ v.2.8.75

[302]    Junge Union in: MStA v.27.3.75

[303]    IHK-Stellungnahme, 3

[304]    Haus- und Grundbesitzerverein in: SZ von 1975, Nr. 46

[305]    Stadtentwicklungsplan 1975, A-6

[306]    Ebd., A-4

[307]    Stadtentwicklungsplan 1975, A-6

[308]    SZ v. 1975, Nr. 49

[309]    MStA v. 21.2.75

[310]    SZ v. 30.1.75

[311]    DBG-Stellungnahme, 24

[312]    DBG-Stellungnahme, 56

[313]    Zur Unmöglichkeit einer positiven Koordination bzw. einer zielgerichteten Integration der Interessen siehe: Scharpf, zit. von Funke, 77 und Siebel, 50

[314]    SZ v. 30.1.75

[315]    Zehetmeier zit. n. MStA v. 21.2.75

[316]    Vgl. Grauhan/Linder, 73

[317]    Ibid.

[318]    Vgl. das Aufgabenplanungs- und Koordinationssystem der Bundesregierung, das große Ähnlichkeit mit der Grundstruktur des „Münchner Modells“ aufweist. (Jochimsen 1970)

[319]    „Gelegentlich wird behauptet, wir hätten mit der Regierungserklärung zu hohe Erwartungen geweckt. Viele Menschen in unserem Land mögen in der Tat gehofft haben, die neue Regierung könne die Probleme im Handumdrehen lösen.“ (Erklärung der Bundesregierung zur Reformpolitik in: Das Reformprogramm der Bundesregierung, 96)

[320]    „Statt ‚bremsen‘ heißt es jetzt ‚fördern’“, SZ v. 6.6.1975

[321]    Vgl. dazu die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffs Arbeitsprogramm der Bundesregierung zu innenpolitischen Vorhaben, bei der sie von der Vermutung ausgeht, daß sich dieses Arbeitsprogramm nicht im Rahmen der beschlossenen Finanzpläne und der Eckdaten der mittelfristigen Wirtschaftsprojektion bewegt. Reformgramm der Bundesregierung, 15

[322]    „Ein verplantes München leuchtet nicht mehr“. Kiesl im MStA v. 13.5.1975

[323]    Vgl. die Diskussion zur betrieblichen Mitbestimmung

[324]    Jochimsen 1971, 239

[325]    Vgl. Reformprogramm, 12

[326]    Offe, 202

[327]    Vgl. hierzu die Auswirkungen des Stadtentwicklungsplans von 1963 in Kap. A3

[328]    Ders., 204

[329]    An diesem Punkt zeigt sich auch das Problem für eine gewerkschaftlichen Politik, die nicht nur eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sondern auch eine Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen anstrebt.

[330]    Grauhan 1973, 241

[331]    Offe, 203

[332]    Abreß, Hubert: Zielvorstellungen für die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes, Referat auf der 2. Tagung der Führungskräfte der Landeshauptstadt München vom 23. bis 25. September 1971, 5

[333]    Ders., 33

[334]    Wagener, 62

[335]    Helga Neubeck-Fischer in: Wachstumsdrosselung 21

[336]    Offe, 203

[337]    Vgl. Katzenstein 1974, X ff.

[338]    Offe, 203

[339]    Katzenstein, Zum kapitalistischen Grundwiderspruch, 4

[340]    Zur genaueren Bestimmung der staatsmonopolistischen Regulierung, siehe: Schwank

[341]    Katzenstein, Zum kapitalistischen Grundwiderspruch, 5

[342]    Offe, 203

[343]    Vgl. auch Esser/Naschold/Väth, 7

[344]    Vgl. zum Folgenden auch Zwoch a.a.O

[345]    Achatswies-Entwurf, III-2

[346]    Der Anteil der Maschinen-, Apparate- und Fahrzeugbauindustrie an den Beschäftigten der westdeutschen Industrie insgesamt stieg von 1950-62 von 13,23, auf 17,67%, der der elektrotechnischen Industrie und Feinmechanik/Optik von 5,75 auf 8,5%, während die traditionell bedeutsamen Zweige wie Eisen- und Stahlbau ihren Anteil lediglich um 1% vergrößerten oder wie der Bergbau um 2,8% verringerten. Bezogen auf den Produktionsausstoß hat sich z.B. die elektrotechnische Industrie in den Jahren 1950-64 sogar um weit mehr als das Vierfache gesteigert, während die Industrie insgesamt nur um das Doppelte zunahm. (Quelle: Katzenstein 1974, 14 und 33)

[347]    Vgl. Zwoch, 9

[348]    Vgl. Katzenstein 1974, 29

[349]    Ibid.

[350]    Ebd., 33

[351]    Katzenstein 1974, XII

[352]    Vgl. Kap. A 1

[353]    Offe, 203

[354]    „Nach der Höhe der Industrieumsätze steigt die Stadt in der Rangskala der Großstädte von Platz 9 auf Platz 3“, von 1953-63 (Achatswies-Entwurf, III-2)

[355]    „Die Zunahme der Arbeitsstätten mit 500 und mehr Beschäftigten ist stärker als in irgendeiner anderen  Großstadt in der BRD.“ (Ibid.)

[356]    Vgl. Teil A

[357]    Offe, 203

[358]    Offe, 203

[359]    Achatswies-Entwurf III-29

[360]    Ebd., III-32

[361]    Ebd., 111-34

[362]    Jochimsen beschreibt in Bezug auf die Umweltpolitik des Bundes die Folgen dieses Widerspruchs für die staatliche Politik: „Wegen (der) weitgehenden gesellschaftspolitischen Tragweite der Umweltdiskussion hat es sich für den Staat als äußerst schwierig herausgestellt, wirklich durchgreifende, also systematische Umweltverbesserungen durchzusetzen, wenn man einmal von den Mitteln der bloßen Judizierung und Verwaltung absieht. Er hätte dies in so kurzer Zeit nur unter Preisgabe übergeordneter Zielsetzungen wie freier Marktwirtschaft etc. tun können. Die Umweltkrise hat deutlich gemacht, daß viele gesellschaftlichen Problemkomplexe heute derartig umfangreich und vieldimensional sind, daß der Staat unserer Prägung nur unter größten inneren Schwierigkeiten, nur tastend und schrittweise die Kraft aufbringt oder organisiert, umfassendere Problemstrategien zu konzipieren oder gar durchzusetzen, sondern daß der Staat sich weitgehend mit punktuellen Aktionen zufriedengeben muß, die seiner Zuständigkeit, seiner Durchsebzungskraft und der allgemeinen Struktur der Interessenslandschaft entspricht.“ (Jochimsen, zit. nach Ronge/Schmieg, 43)

[363]    Siehe: Stadtrat Pfeiffer (SPD) in: MStA v. 30.8.74

[364]    SZ v. 17.10.73

[365]    IHK zit.nach SZ v. 17.10.73

[366]    SZ v. 6.5.75

[367]    Marx in: MStA v. 23.1.76

[368]    Informationsschrift „Gewerbestandorte in München zit n. SZ v. 11.12.75

[369]    Stadtratsbeschluß vom 4.7.75

[370]   Vogel, Hans-Jochen: Die Amtskette, Meine 12 Münchner Jahre, München 1972, 307

[371]    Vgl. dazu Fockenberg in Arch+ Nr. 25, 43